Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

Viertes Kapitel Die Rangordnung Das Verhalten im Rudel wird von den wechselseitigen Erfahrun gen der Wölfe untereinander bestimmt, die sich in der Rangbeziehung ausdrückt. In diesem Kapitel möchte ich deshalb auf die Entwicklung hierarchischer Strukturen im Wolfsrudel eingehen. Sie werden verständlich, wenn wir die Beziehungen zwischen den Welpen eines Wurfes im Laufe ihrer Entwicklung betrachten, wie sie sich dann im juvenilen Alter mit den älteren Rudelmitgliedern arrangieren und wie sie sich schließlich als erwachsene Wölfe untereinander verhalten. Weitere Welpen Wölfe werden in der Regel mit zwei Jahren geschlechtsreif. Von Anfa und den anderen Wölfen war daher im Frühjahr 1968 noch kein Nachwuchs zu erwarten. Also suchte ich wieder nach Welpen, um sie selbst aufzuziehen. Diesmal hatten wir mehr Glück als im letzten Jahr. Aus Finnland stammende Wölfe in Hagenbecks Tierpark bekamen fünf Junge, die ich alle übernehmen konnte. Als sie dreizehn Tage alt waren, holte ich sie in Hamburg ab und zog sie dann, ähnlich den anderen Welpen, in unserem Haus 180

auf. Ich wollte wieder ihre Entwicklung genau verfolgen und außerdem die Welpen nicht an einen Zwinger binden. Sie mußten also zahm und leinenführig werden. Für Anfa waren es ihre »Jungen«, und für diese wurde Anfa bald ein fast vollwertiger Mutterersatz. Nur Milch konnte sie nicht liefern, und so fütterten wir die Welpen, wie im Jahr zuvor, mit Hilfe einer Spritze und eines Ventilgummischlauches. Die Welpen wurden völlig zahm. Das lag vermutlich zum einen an unserer intensiven Betreuung und unserer ständigen Präsenz und zum anderen daran, daß Anfa so zahm war und uns gegenüber keine Angst zeigte. Die Welpen lernten daraus, vor uns keine Angst haben zu müssen, wenn sie auch nie so stark an uns gebunden wurden wie Anfa. Ihre Sozialpartner haben sie ihr Leben lang unter Wölfen gesucht und zu Menschen eher eine reservierte Haltung eingenommen. Vor großen oder lauten und mit technischen Gegenständen hantierenden Menschen, besonders in Arbeitskleidung, haben sie auch stets große Angst gezeigt. In unserem Wohnzimmer herrschten bald wieder chaotische Verhältnisse, und Dagmar war entsprechender Laune. Ich wollte deswegen die Welpen gern tagsüber ins Gehege zu den anderen Wölfen bringen. Das ging aber nicht : Der etwas kleinere und inzwischen rangunterlegene Rüde Anselm reagierte auf die Jungen sehr aggressiv. Solange ich noch im Zwinger war, hielt er Abstand und rannte auch vor den stürmisch auf ihn zulaufenden Welpen fort. Ging ich aber aus dem Zwinger heraus, so griff er sie an und biß voll zu. 181

auf. Ich wollte wieder ihre Entwicklung genau verfolgen<br />

<strong>und</strong> außerdem die Welpen nicht an einen Zwinger binden.<br />

Sie mußten also zahm <strong>und</strong> leinenführig werden.<br />

Für Anfa waren es ihre »Jungen«, <strong>und</strong> für diese wurde<br />

Anfa bald ein fast vollwertiger Mutterersatz. Nur Milch<br />

konnte sie nicht liefern, <strong>und</strong> so fütterten wir die Welpen,<br />

wie im Jahr zuvor, mit Hilfe einer Spritze <strong>und</strong> eines Ventilgummischlauches.<br />

Die Welpen wurden völlig zahm. Das<br />

lag vermutlich zum einen an unserer intensiven Betreuung<br />

<strong>und</strong> unserer ständigen Präsenz <strong>und</strong> zum anderen daran, daß<br />

Anfa so zahm war <strong>und</strong> uns gegenüber keine Angst zeigte.<br />

Die Welpen lernten daraus, vor uns keine Angst haben zu<br />

müssen, wenn sie auch nie so stark an uns geb<strong>und</strong>en wurden<br />

wie Anfa. Ihre Sozialpartner haben sie ihr Leben lang<br />

unter Wölfen gesucht <strong>und</strong> zu Menschen eher eine reservierte<br />

Haltung eingenommen. Vor großen oder lauten <strong>und</strong><br />

mit technischen Gegenständen hantierenden Menschen,<br />

besonders in Arbeitskleidung, haben sie auch stets große<br />

Angst gezeigt.<br />

In unserem Wohnzimmer herrschten bald wieder chaotische<br />

Verhältnisse, <strong>und</strong> Dagmar war entsprechender Laune.<br />

Ich wollte deswegen die Welpen gern tagsüber ins Gehege<br />

zu den anderen Wölfen bringen. Das ging aber nicht : <strong>Der</strong><br />

etwas kleinere <strong>und</strong> inzwischen rangunterlegene Rüde Anselm<br />

reagierte auf die Jungen sehr aggressiv. Solange ich noch<br />

im Zwinger war, hielt er Abstand <strong>und</strong> rannte auch vor den<br />

stürmisch auf ihn zulaufenden Welpen fort. Ging ich aber<br />

aus dem Zwinger heraus, so griff er sie an <strong>und</strong> biß voll zu.<br />

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