Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

Anfa nicht beeindrucken, als wir durch die Herde gingen, und Anfa machte keine Anstalten, eines der Tiere anzugreifen. Erst anderthalb Jahre später, als weitere vier zahme Wölfe bei unseren Spaziergängen dabei waren und eine Kuhherde plötzlich vor dem Wolfsrudel Reißaus nahm, begriff Anfa, daß auch Kühe als mögliche Beute in Betracht kamen ; das Fluchtverhalten der Kühe schien dies bewirkt zu haben. In der Folge lernte sie auch Pferde als potentielle Beutetiere erkennen. Nach dieser Erfahrung waren weder Anfa noch die vier jungen Wölfe fortan von der Rinder- und Pferdejagd abzuhalten. Natürlich waren es für sie zu große Beuteobjekte, und kein Rind, kein Pferd kam jemals zu Schaden. Die Wölfe griff en zwar an, mußten aber bald einsehen, daß die Hörner der Rinder und die Hufe der Pferde allzu gefährliche Waff en waren. Immerhin waren die Herden nach solchen Attacken schnell über die Felder verstreut – und die Bauern in entsprechender Stimmung. So mußte ich notgedrungen die Wölfe an die Leine nehmen, wenn Rinder oder Pferde in der Nähe der Försterei auf der Weide standen. Mit der Zeit lernten die Wölfe dann, daß Beutetiere dieser Größenordnung für sie um einiges zu groß waren, und der Jagdeifer ließ allmählich nach. Diese Beobachtungen zeigen, daß Wölfe off enbar erst lernen müssen, was mögliche Beute ist. Ein wichtiges Beutemerkmal ist dabei die schnelle Bewegung. Diese löst bei den jungen Wölfen zunächst Jagdverhalten aus. Ein möglicher Erfolg, etwa der Fang eines Junghasen, verstärkt den 110

Jagdeifer für diese Sorte von Beute. Schon die ersten Versuche der jungen Welpen, Heuschrecken oder Mäuse zu erjagen, dienen wohl eher der Einübung, der Koordination der Bewegungen beim Beutegreifen und der Verstärkung der Jagdmotivation als dem eigentlichen Nahrungserwerb. Bereits nach einmaligem Fehlverhalten, wie bei der Autojagd, oder aufgrund wiederholter Mißerfolge, wie bei der Rinder- und Pferdejagd, lernen die Wölfe aber ebenso, was nicht als Beutetier in Frage kommt. Unterschiede zwischen Wolf und Hund Im Vergleich mit den Pudeln in Rickling und mit meinen späteren Jagdhunden fi elen mir zwei wesentliche Besonderheiten im Verhalten der Wölfe auf. Die eine ist, daß sie sehr früh und ungemein geschickt einer für sie erlegbaren Beute nachstellen und sie töten. Die hierfür notwendige Erfahrung scheinen sie ausschließlich im Spiel zu erwerben. Zwar müssen sie lernen, welche Beute ihnen gemäß ist ; doch wie sie dem jeweiligen Beutetier am besten nachstellen, wie sie es anspringen und töten müssen, das beherrschen sie auf Anhieb. Alle Hunde hingegen, also auch die speziell für die Jagd gezüchteten, stellen sich anfänglich sehr viel weniger geschickt an, insbesondere dann, wenn es sich um wehrhaft e Beutetiere wie etwa Katzen handelt. Was die Wölfe sofort und perfekt können, müssen die Hunde sich mühsam aneignen. 111

Jagdeifer für diese Sorte von Beute. Schon die ersten Versuche<br />

der jungen Welpen, Heuschrecken oder Mäuse zu<br />

erjagen, dienen wohl eher der Einübung, der Koordination<br />

der Bewegungen beim Beutegreifen <strong>und</strong> der Verstärkung<br />

der Jagdmotivation als dem eigentlichen Nahrungserwerb.<br />

Bereits nach einmaligem Fehlverhalten, wie bei der<br />

Autojagd, oder aufgr<strong>und</strong> wiederholter Mißerfolge, wie bei<br />

der Rinder- <strong>und</strong> Pferdejagd, lernen die Wölfe aber ebenso,<br />

was nicht als Beutetier in Frage kommt.<br />

Unterschiede zwischen <strong>Wolf</strong> <strong>und</strong> H<strong>und</strong><br />

Im Vergleich mit den Pudeln in Rickling <strong>und</strong> mit meinen<br />

späteren Jagdh<strong>und</strong>en fi elen mir zwei wesentliche Besonderheiten<br />

im <strong>Verhalten</strong> der Wölfe auf. Die eine ist, daß sie<br />

sehr früh <strong>und</strong> ungemein geschickt einer für sie erlegbaren<br />

Beute nachstellen <strong>und</strong> sie töten. Die hierfür notwendige<br />

Erfahrung scheinen sie ausschließlich im Spiel zu erwerben.<br />

Zwar müssen sie lernen, welche Beute ihnen gemäß<br />

ist ; doch wie sie dem jeweiligen Beutetier am besten nachstellen,<br />

wie sie es anspringen <strong>und</strong> töten müssen, das beherrschen<br />

sie auf Anhieb. Alle H<strong>und</strong>e hingegen, also auch die<br />

speziell für die Jagd gezüchteten, stellen sich anfänglich<br />

sehr viel weniger geschickt an, insbesondere dann, wenn es<br />

sich um wehrhaft e Beutetiere wie etwa Katzen handelt. Was<br />

die Wölfe sofort <strong>und</strong> perfekt können, müssen die H<strong>und</strong>e<br />

sich mühsam aneignen.<br />

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