Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

Jagd- und Tötungsverhalten Bei der schnellen Verhaltensentwicklung der Wolfswelpen hatten wir festgestellt, daß sie – wie übrigens auch die Fuchs welpen, aber kaum jemals ein Hundewelpe – schon im Alter von nur sechs Wochen fast das gesamte Verhaltensrepertoire ihres späteren Lebens beherrschen. Das heißt freilich noch lange nicht, daß dieses Verhalten auch immer sinnvoll und mit den anderen Verhaltensweisen koordiniert auft ritt. Von den dafür notwendigen Lernprozessen, die oft mals im Spiel erfolgen, wird noch ausführlich die Rede sein. Nur an einem Beispiel möchte ich hier beschreiben, wie unabhängig voneinander reifende Verhaltensweisen zu einem koordinierten Ganzen verknüpft werden, und zwar am Jagdverhalten. Zu diesem Verhaltenskomplex habe ich keine systematischen Versuche gemacht. Vielmehr fanden alle Beobachtungen sozusagen irregulär statt, als Nebenprodukt ungeplanter und meistens auch ungewollter Situationen, von denen mich manche nachträglich teuer zu stehen kamen. Auch entstanden hierbei in zwanzig Jahren immer wieder Konfl ikte mit den Herren von der jagenden Zunft . Hunde zu halten, die gelegentlich auch mal jagen, ist schon schlimm genug, jedoch nichts gegenüber dem Aff ront, in einem Jagdrevier mit Wölfen aufzutreten, und seien sie noch so jung und harmlos. Auch darüber später mehr. Von den ersten Versuchen der ganz kleinen, gerade drei bis vier Wochen alten Welpen, vermeintlichen Beuteobjek- 106

ten nachzujagen und sie zu töten, habe ich schon erzählt. Die einzelnen Elemente sinnvoller Handlungsketten treten dabei noch völlig getrennt und häufi g auch in falscher Reihenfolge auf : Zuerst wird »totgeschüttelt«, dann das Objekt angesprungen und in die Luft geworfen, und zuletzt wird es angeschlichen. Dies ist typisch für alle Spiele, und um solche handelt es sich hier auch zunächst. Sehr bald aber kann aus dem Spiel Ernst werden, und dann funktioniert es auf Anhieb erstaunlich gut. Von einer Hühnerschlachterei in der Nähe von Rickling, aus der ich dreimal in der Woche Futter für die Tiere abholte, nahm ich eines Tages drei junge lebende Hähnchen mit nach Hause. Ich wollte sehen, zu welchen Verhaltensweisen diese verkrüppelten, halb federlosen Lebewesen noch fähig waren. Doch mit dieser Untersuchung kam es nicht weit. Die gerade zehn Wochen alte Anfa interessierte sich sehr für ihre schreienden und herumfl atternden neuen Nachbarn in dem provisorisch hergerichteten Hühnerhof. Als ich sie am folgenden Tag zum täglichen Spaziergang aus dem Gehege ließ, schlich sie langsam auf die Hühner zu. Dann ging plötzlich alles sehr schnell : Anfa rannte die letzten Meter auf den Zaun des Hühnerhofes zu, biß schnell ein Loch in den dünnen Draht und stürzte sich auf eines der Hähnchen. Mit den Vorderpfoten sprang sie ihr Opfer an, drückte es damit zu Boden, stieß mit der Schnauze nach, biß schnell mehrmals zu und rannte dann mit der toten und für sie riesengroßen Beute weg. Dann begann sie ihrer Beute die Federn auszureißen. Sie tat es vom Bauch 107

ten nachzujagen <strong>und</strong> sie zu töten, habe ich schon erzählt.<br />

Die einzelnen Elemente sinnvoller Handlungsketten treten<br />

dabei noch völlig getrennt <strong>und</strong> häufi g auch in falscher Reihenfolge<br />

auf : Zuerst wird »totgeschüttelt«, dann das Objekt<br />

angesprungen <strong>und</strong> in die Luft geworfen, <strong>und</strong> zuletzt wird<br />

es angeschlichen. Dies ist typisch für alle Spiele, <strong>und</strong> um<br />

solche handelt es sich hier auch zunächst. Sehr bald aber<br />

kann aus dem Spiel Ernst werden, <strong>und</strong> dann funktioniert<br />

es auf Anhieb erstaunlich gut.<br />

Von einer Hühnerschlachterei in der Nähe von Rickling,<br />

aus der ich dreimal in der Woche Futter für die Tiere abholte,<br />

nahm ich eines Tages drei junge lebende Hähnchen mit<br />

nach Hause. Ich wollte sehen, zu welchen <strong>Verhalten</strong>sweisen<br />

diese verkrüppelten, halb federlosen Lebewesen noch fähig<br />

waren. Doch mit dieser Untersuchung kam es nicht weit.<br />

Die gerade zehn Wochen alte Anfa interessierte sich sehr<br />

für ihre schreienden <strong>und</strong> herumfl atternden neuen Nachbarn<br />

in dem provisorisch hergerichteten Hühnerhof. Als<br />

ich sie am folgenden Tag zum täglichen Spaziergang aus<br />

dem Gehege ließ, schlich sie langsam auf die Hühner zu.<br />

Dann ging plötzlich alles sehr schnell : Anfa rannte die letzten<br />

Meter auf den Zaun des Hühnerhofes zu, biß schnell<br />

ein Loch in den dünnen Draht <strong>und</strong> stürzte sich auf eines<br />

der Hähnchen. Mit den Vorderpfoten sprang sie ihr Opfer<br />

an, drückte es damit zu Boden, stieß mit der Schnauze<br />

nach, biß schnell mehrmals zu <strong>und</strong> rannte dann mit der<br />

toten <strong>und</strong> für sie riesengroßen Beute weg. Dann begann sie<br />

ihrer Beute die Federn auszureißen. Sie tat es vom Bauch<br />

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