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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

dieses Material unter das Schema eines Objektes fällt, eines in dem die sinnliche Stimulation und die Vorstellungen<br />

von der Reaktion zusammenfließen“ (SW: 138; GA I: 237).<br />

In der Organisation der physischen Erfahrungen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> kommt die Erscheinung seines Körpers als einheitliches<br />

Ding nach Baldwin (2002: 108f) verhältnismäßig spät. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis von Joas<br />

(1992a: 257) zu den Begriffen ‚Körperschema’ oder ‚Körperbild’ 37 interessant. Hiernach gehen Meads Vorstellungen<br />

zum Körper über diese Begriffe hinaus, da er die vorsprachliche Kommunikation <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> konsequent<br />

zum Bestandteil einer Erklärung der Konstitution <strong>des</strong> Körperschemas macht. Er hebt zwei Punkte hervor:<br />

1. „Wir können beim Kind nicht von einer Priorität der Selbstwahrnehmungen sprechen, da diese Wahrnehmungen<br />

vom Kind nicht als Wahrnehmungen <strong>des</strong> eigenen Körpers identifiziert werden [können].<br />

2. Der Körper <strong>des</strong> wahrnehmenden Individuums ist nicht als ganzer Objekt. Es werden verschiedene Teile<br />

<strong>des</strong> Individuums gesehen und/oder gefühlt; aber es gibt keine Erfahrung, in der das gesamte Individuum<br />

als Objekt erscheint“ (Joas 1992a: 266).<br />

Wie angedeutet, kann das Kind/der Mensch seine körperlichen Grenzen (Oberflächen) nur über gegenständliche<br />

Objekte, d.h. von außen nach innen erfahren. Erst darüber ist es möglich, seinen eigenen Körper als ‚begrenztes<br />

Objekt’ wahrzunehmen. Über physische Objekte wird das Kind stimuliert, seinem eigenen Körper gegenüber so<br />

zu handeln wie in Bezug auf physische Objekte. Für die Erfahrung und Erfassung physischer Objekte ist deren<br />

Verhalten in Bezug auf den menschlichen Körper wichtig. Dieses wird als Widerstand <strong>des</strong> Organismus auf<br />

Druck erfahren, der entsteht, wenn die Hand einen Gegenstand wie die Rassel, ein Holzstück, einen Ball etc. ergreift.<br />

Der Widerstand <strong>des</strong> Objekts hält mit den Bemühungen der Hand an. Das Kind muss die Bemühungen von<br />

einem Inneren der Objekte einstufen können, bevor es in der Lage ist, die Bemühungen als seine eigenen zu<br />

identifizieren. Die umgebende Welt ist nach allen Seiten hin um es herum ausgebreitet. Erst nach und nach wird<br />

sie eine vertraute, in der der Körper schließlich seinen eindeutigen Platz erhält (s. PP: 137f). Die Frage der Einheit<br />

<strong>des</strong> Körpers bringt Mead nach Joas (1992a: 267) mit der Frage nach der Konstitution <strong>des</strong> physischen Dings,<br />

<strong>des</strong> permanenten Objekts, zusammen. Meads entscheidende Idee besteht darin, dass<br />

„die Konstitution <strong>des</strong> permanenten Objekts schon elementare Strukturen der Rollenübernahme voraussetzt,<br />

nämlich die Identifikation mit einer Person, und dass nur dies die Koordination von Hand und Auge und die<br />

Übertragung einer aktiv wirkenden Substanz in die Objekte ermöglicht“.<br />

Die schon weiter oben erwähnte Fähigkeit <strong>zur</strong> Identifikation und <strong>zur</strong> Übertragung <strong>des</strong> Identifizierten auf etwas<br />

anderes, hier den eigenen Körper, wird über Kommunikationsprozesse ermöglicht. Laut Joas/Knöbl (2004: 715)<br />

liefert die Rollenübernahme (s. auch Pkt. 3.2.2) dem Kind das Modell für den Umgang mit physischen Objekten,<br />

insofern nun auch den Dingen ein Inneres unterstellt wird, das Widerstand leistet. Das Einwirken auf Dinge wird<br />

also in ähnlicher Weise verstanden wie das mittels symbolvermittelter Kommunikation erfolgende Einwirken auf<br />

Interaktionspartner.<br />

Was nun die Identifikation mit Objekten betrifft, bietet der menschliche Körper eine Quelle für ‚soziale Identitäten’.<br />

Eine wichtige ist das Bild vom eigenen Körper, das wiederum ein wichtiger Aspekt der Selbstkonzeption<br />

von Menschen ist 38 (s. 3.2.3.3). Laut Field (1978: 249ff) kann der menschliche Körper diese sozialen Identitäten<br />

sowohl enthüllen als auch verbergen. Für die Konstruktion und Rekonstruktion sozialer Identitäten bedeutsame<br />

körperliche Merkmale sind etwa Geschlecht, Alter, Rasse und Ethnie. Ein anderer Aspekt sind körperliche Makel.<br />

Darüber hinaus erfüllt der Körper Funktionen, die für das Körperbild, aber auch für die Pflege wichtig sind.<br />

Er hat die Funktion eines Gestells und er ist das Instrument unseres Handelns. Für das pflegerische Handeln ist<br />

wichtig, dass der Körper wie andere Objekte durch den Menschen gestaltet werden kann. Der Körper kann mittels<br />

pflegerischer Aktivitäten, seien es fremde oder eigene, bearbeitet werden. Hierbei erfährt das Kind/der<br />

Mensch, was für ein Objekt sein Körper ist, welche Reaktionen sein Körper bei Anderen und in der Folge bei<br />

37<br />

Joas referiert den damaligen Kenntnisstand und verweist auf u.a. auf Schilder, Merleau-Ponty (s. 1992a: 257-265).<br />

38<br />

Lin<strong>des</strong>mith et al. (1999: 140) heben hervor, dass das ‚body image’ eines Menschen über das, was sich unter seiner Haut<br />

befindet und davon, wie der Körper funktioniert, von anatomischen und anderen wissenschaftlichen Vorstellungen zum Körper<br />

zu unterscheiden ist. Bei body images handelt es sich um soziale Konstruktionen.<br />

87

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