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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Situation zu erzeugen, die Anlass für eine andere Handlung gibt. Die Elemente, aus denen diese entstehen kann,<br />

werden zu Symbolen für diese Handlung (s. Mead 2001a: 52). Erst die direkte Kontrolle über die Umgebung,<br />

d.h. deren Manipulation, schafft die Voraussetzung für den ‚Symbolismus‘ bzw. die ‚Symbolik‘ 36 . Nach Mead<br />

(2001a: 52) beinhaltet die Fähigkeit <strong>zur</strong> Kontrolle von Objekten, die über die verschiedenen Distanzsinne unsere<br />

Impulse freisetzen, zugleich die Fähigkeit, diese Impulse und die vergangenen Erfahrungen zu kontrollieren, die<br />

jene verkörpern. Mit der Fähigkeit, ein Objekt zu konstruieren, geht auch die Fähigkeit <strong>des</strong> Individuums einher,<br />

sich anzupassen und die Erfahrungen, die die Objekte für es darstellen, zu nutzen. Schon frühkindliche Handlungen<br />

bringen die Möglichkeit <strong>des</strong> Denkens, d.h. <strong>des</strong> Schlussfolgerns, mit sich. Hierzu muss das Kind in die Lage<br />

versetzt werden, den Stimulus so zu konstruieren, dass es seine angeborenen Fähigkeiten und erworbenen Gewohnheiten<br />

zum Ausdruck bringen kann. Erst dann gewinnt es Kontrolle über seine Impulse und gewohnheitsmäßigen<br />

Ausdrucksweisen. Für Mead geht mit der Gestaltung <strong>des</strong> Stimulus die Fähigkeit <strong>zur</strong> Anpassung und<br />

Veränderung einher. In diesem Zusammenhang erwähnt er ‚geistige Images’ und spricht von einem ‚Arbeitsimage’,<br />

welches aufgrund von Konflikten zwischen der Tendenz <strong>zur</strong> Handlung und der Verzögerung dieser<br />

Tendenz in einer Situation entsteht. Ein Image ‚von etwas’, z.B. von einem gesuchten Haus, entsteht, wenn wir<br />

in der Realität mit einem anderen als dem gesuchten Image konfrontiert werden. Das nun entstehende ‚gesuchte<br />

Image’ drückt die verzögerten Impulse aus. Ein erfolgreiches Arbeitsimage <strong>des</strong> gesuchten Images reicht in die<br />

gegenwärtige Erfahrung hinein, interpretiert diese und füllt sie so aus, dass sie nicht einfach das gesuchte Image<br />

(z.B. das gesuchte Haus) bleibt, sondern ein Ort wird, der in einer bestimmten Beziehung zu dem gewünschten<br />

Ort steht. Damit das Image zu einem Arbeitsimage wird, bedarf es eines weiteren Vorgangs, den Mead als Rekonstruktion<br />

bezeichnet. Um etwas rekonstruieren zu können, sollte nach Mead (2001a: 53) im Bewusstsein ein<br />

‚Schema’ sein, auf das sich die Images, das gesuchte und das tatsächliche, beziehen können. In diesem Bereich<br />

kann das allgemeine Element gefunden werden, durch das eine Anpassung möglich wird. Dieses Element ist für<br />

Mead (s. Mead 2001a: 53, MSS / GIG) das Denken (Schlussfolgern), innerhalb <strong>des</strong>sen der Mensch ein Allgemeines<br />

(einen Allgemeinbegriff bzw. Universalie) findet, mittels <strong>des</strong>sen die miteinander in Konflikt stehenden<br />

Phasen der Erfahrung harmonisiert werden können.<br />

Was bedeuten diese Vorstellungen mit Blick auf das heranwachsende Kind und die Herausbildung eines Selbst<br />

und Körperbilds? An dieser Stelle sei zunächst auf den von Mead (MSS: 136; GIG: 178) behaupteten bedeutsamen<br />

Unterschied zwischen Körper und Selbst hingewiesen. Dieser besteht darin, dass das Selbst sein eigenes<br />

Objekt sein kann. Das trifft so auf den Körper nicht zu. Wir können unseren Körper nicht körperlich als Ganzes<br />

erfahren, da wir allenfalls Teile von ihm sehen und berühren können. Körperliche Erfahrungen sind für uns nach<br />

Mead über das Selbst organisiert (s. MSS / GIG; auch Strauss 1993: 110). Der Mensch kann Teile seines Körpers<br />

verlieren, ohne dass sich das negativ auf sein Selbst auswirken muss. Die bloße Fähigkeit <strong>des</strong> Menschen,<br />

Teile seines Körpers erfahren zu können, unterscheidet sich nicht von seiner Fähigkeit, andere Gegenstände zu<br />

erfahren. Er kommt mit ihnen genauso wie mit anderen Gegenständen in Kontakt und erfährt so seinen Körper.<br />

Da der Mensch sich selbst und seinen Körper über die Erfahrungen mit anderen Menschen erfährt, kann er seinen<br />

Körper sozusagen aus der Sicht der Anderen wie ein Objekt von außen betrachten und entsprechend handeln.<br />

Bis dieses der Fall ist, bedarf es einer längeren Entwicklung. Der Säugling bzw. das Kleinkind erfährt seinen<br />

Körper – wie bereits erwähnt -, zuallererst über die physischen Objekte seiner sozialen Umwelt. Erst nach<br />

und nach ist er/es in der Lage, die verschiedenen Teile seines Körpers, die er/es sieht und fühlt zu einem einheitlichen<br />

Objekt zu synthetisieren. Mead betont:<br />

„Die Form dieses Objekts ist ihm [dem Kind, MMK] in der Erfahrung von Dingen gegeben, die nicht sein<br />

physisches Selbst sind. […] Das bloße Vorhandensein von lustvollen und schmerzhaften Erfahrungen zusammen<br />

mit den organischen Sinnesempfindungen, kann erst dann dazu dienen, ein Objekt zu bilden, wenn<br />

36<br />

Hiermit ist die ganze Spannbreite menschlicher Kommunikation gemeint, von der Geste über die vokale Geste bis hin zum<br />

signifikanten Symbol. Field (1978: 246) spricht hier von der Fähigkeit <strong>zur</strong> Symbolisierung und verweist in diesem Zusammenhang<br />

auf die Hände und auf den Werkzeuggebrauch als auslösen<strong>des</strong> Moment für den Ausbau kognitiver Fähigkeiten<br />

beim Menschen.<br />

86

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