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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

gen nur durch die Antwort <strong>des</strong> Organismus auf seine eigenen Reaktionen. In der wahrnehmbaren Welt der bewegenden<br />

Gegenwart ist Zukunft etwas, das aufgrund der zielgerichteten Antworten eines bewusst handelnden<br />

Menschen entsteht. Distanzobjekte sind das, was Menschen aus ihnen machen. Im Menschen sind bewusste Reaktionen<br />

zum einen als Tendenzen, zum anderen als Ergebnisse vergangener Erfahrungen vorhanden, und der<br />

Mensch bezieht sich in seiner Wahrnehmung auf sie als Bilder (Imagery) bzw. als ‚Images’. Vieles, was Menschen<br />

wahrnehmen, besteht nach Mead (PP: 96) aus solchen ‚Images’. Diese sind vergleichbar mit dem sinnlichen<br />

Material von Objekten und als solche sind sie der Gegenwart zugehörig. In ‚Images’ werden sinnliche<br />

Wahrnehmungen dem Geist zugeordnet und mit vorhandenen Bildern/Erfahrungen/Dingen verbunden. Träume<br />

und Halluzinationen bestehen größtenteils aus Images. Ihr Aufkommen ist nach Mead von in der Vergangenheit<br />

erlebten Erfahrungen abhängig. Da diese die neuronalen Verknüpfungen beeinflussen, manifestieren sich Images<br />

und Erinnerungen im übertragenen Sinne auch physisch in der Feinstruktur <strong>des</strong> Gehirns 33 . Der Stoff, aus dem<br />

Images bestehen, ist von gleicher Art wie derjenige, aus dem Empfindungen bestehen (PP: 96). Die Images gehören<br />

<strong>zur</strong> Wahrnehmung <strong>des</strong> Einzelnen. Sie sind nur diesem zugänglich, weil ihr Material aus (seinen) früheren<br />

Wahrnehmungen herrührt. Images bilden einen der wichtigsten Teile der menschlichen Umwelt. Da sie jedoch<br />

im Allgemeinen eng mit den Objekten und Haltungen verbunden sind, aus denen heraus sie wirken, ist es<br />

schwer, Images innerhalb unserer aktuellen Erfahrung zu bestimmen und zu isolieren.<br />

Erste Hinweise auf die Funktionsweise von Images beim menschlichen Handeln gibt Mead 34 in einem frühen<br />

Aufsatz, an den er in späteren Arbeiten immer wieder anknüpft. Hier arbeitet er die zentrale Rolle heraus, die<br />

den Distanz- und Kontaktsinnen im Handlungsprozess zukommt. Diese Rolle besteht darin, dass sie unser physisches<br />

Selbst zu anderen Objekten in der uns umgebenden Welt in Beziehung setzt. Für die Herausbildung von<br />

Images, etwa von unserem Körper, ist es wichtig, dass wir uns beim Handeln auf ein ‚erkennbares Distanzobjekt’<br />

zubewegen und mit diesem Objekt Kontakt bekommen. Dieser Kontakt wiederum ist bei Mead gleichbedeutend<br />

mit Manipulation (s. Mead 2001a: 48). Ähnlich wird auch das menschliche Handeln oder die Herausbildung<br />

der Intelligenz durch die Fähigkeit <strong>des</strong> Menschen, sich anzupassen oder eine bewusste Wahl zu treffen, beeinflusst<br />

(s. Mead 2001a: 49). Entscheidenderweise setzen diese Fähigkeiten voraus, dass Menschen sich auf ihre<br />

Vergangenheit beziehen können, d.h. auf gemachte Erfahrungen, und dass sie etwas Neues schaffen können, eine<br />

Fähigkeit, die sich im Handeln ausdrückt und die auf die menschliche Intelligenz verweist. Die Entstehung sozialer<br />

Objekte ist <strong>des</strong>halb in diesen reflexiven Zyklus verwoben. Das soziale Objekt besteht aus den Gesten als<br />

Hinweise auf eine laufende Handlung bei Anderen plus den Bildern unserer eigenen Reaktionen auf diese Stimuli.<br />

Das Kind reagiert auf das Lächeln seiner Eltern, auf ihre diversen sprachlichen und körperlichen Ausdrucksweisen.<br />

Diese lösen bei ihm spontane Reaktionen aus, d.h. es lächelt, streckt die Arme aus etc. Wenn die Gesten<br />

der Anderen dem Kind die Vorstellungen von seinen eigenen Reaktionen und deren Ergebnisse widerspiegeln,<br />

dann verfügt es über das Material, aus dem es soziale Objekte bilden kann, die den wichtigsten Teil seiner sozialen<br />

Umwelt ausmachen (s. SW: 137f / GA I: 236).<br />

Mit der Herausbildung der Intelligenz wird es dem Menschen möglich, Kontrolle über seine Umwelt zu erlangen,<br />

ein Prozess, der mit vielen Erfahrungen, vor allem mit dem Erwerb und Gebrauch der menschlichen Sprache<br />

verbunden ist (s. MSS, Lin<strong>des</strong>mith 1999; Denzin 1992). Der Spracherwerb umfasst nach Lin<strong>des</strong>mith et al.<br />

(1999: 195f) mehr als die bloße Technik <strong>des</strong> Sprechens. Nach und nach lernt das heranwachsende Kind die Bedeutung<br />

von Zeichen, Gesten und anderen sprachlichen Symbolen kennen und die Sprache als solche zu beherrschen.<br />

Meads Vorstellungen von der menschlichen Kommunikation berücksichtigen alle Aspekte der nonverba-<br />

33<br />

Mead hat immer die Entwicklung <strong>des</strong> zentralen Nervensystems einschließlich <strong>des</strong> Gehirns im Blick.<br />

34<br />

Er entwickelt seine Gedanken im Kontext einer vergleichenden Psychologie von lebenden Wesen, Tieren und Menschen,<br />

als deren vergleichbares Objekt er das Handeln der Lebewesen zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nimmt. Dieses<br />

Handeln können wir aus dem Blickwinkel der menschlichen Erfahrung und der darin enthaltenden Handlungen untersuchen.<br />

In diesem Zusammenhang befasst er sich mit der Rolle, die die Distanz- und Kontaktsinne im Handlungsprozess spielen (s.<br />

Mead 2001a: 45ff).<br />

84

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