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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

sondere dem Gehirn und dem Zentralnervensystem, wichtige Rollen zu. Der Mensch ist <strong>zur</strong> Herausbildung eines<br />

Selbst auf verschiedene Fähigkeiten seines Körpers angewiesen. Ohne den Körper kann niemand handeln und<br />

mit anderen Menschen in Beziehung treten. Durch den Körper erfährt und erlebt sich der Mensch. Hierbei ist er<br />

auf andere Menschen angewiesen. Ohne die Anderen wäre es ihm weder möglich, zu einem emotionalen noch zu<br />

einem sozialen Bewusstsein zu gelangen. Wie oben dargestellt, ist das emotionale Bewusstsein ein zunächst vorsprachliches,<br />

körpergebundenes und durch soziale Beziehungen vermitteltes (s. auch Mead 2001a, insbes. Teil 1,<br />

MSS / GIG, Strauss 1993). In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass jede Form von pflegerischem<br />

Handeln am, mit und um den Körper erfolgt.<br />

Das Kind tritt in die bestehende soziale Welt ein, die sich ihm gegenüber in den sozialen, symbolisch vermittelten<br />

Handlungsweisen seiner Bezugspersonen präsentiert. Bereits mit Beginn der Schwangerschaft steht der Körper<br />

<strong>des</strong> ungeborenen Kin<strong>des</strong> im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der werdenden Eltern bzw. der Professionellen.<br />

Sofort nach der Geburt werden die körperlichen Merkmale <strong>des</strong> Neugeborenen wie Größe, Gewicht, seine Fähigkeit<br />

zu atmen und das Geschlecht registriert. Der Körper stellt das entscheidende Medium in der Interaktion mit<br />

anderen Menschen dar (s. auch Mühlen Achs 2006). Um ein Gefühl für sich selbst entwickeln zu können, ist das<br />

Kind von Beginn an auf soziale Interaktionen, insbesondere auf sogenannte ‚face-to-face’ Interaktionen angewiesen<br />

32 . Hierbei beziehen sich die Bezugspersonen wiederum auf den Körper <strong>des</strong> Neugeborenen, <strong>des</strong>sen Erscheinung<br />

und Ausdrucksweise von ihnen fortgesetzt beobachtet und erkundet wird. Über die Reaktionen und<br />

das Verhalten seiner Bezugspersonen nimmt das Kind nach und nach die umgebende Welt und damit sich selbst<br />

wahr. Dieser Vorgang ist mit emotionalen Erfahrungen verbunden (s. Mead 2001a: 27, ISS, Pkt. 3.2.2.1).<br />

Für die Herausbildung und Entwicklung eines Selbst bedarf es nach Field (1978: 244ff) einer Reihe körperlicher<br />

Fähigkeiten. Hierbei handelt es sich um die Fähigkeit <strong>des</strong> ‚biokularen Sehens’ und um die Funktion <strong>des</strong> ‚audiovokalen<br />

Systems’, zu dem Ohren, Kehlkopf, Mund, Lunge usw. gehören, die dem Menschen das Sprechen ermöglichen.<br />

Weitere wichtige Fähigkeiten sind der aufrechte Gang und der Gebrauch der Hände. Sehen, Hören<br />

und Sprechen sind die Voraussetzung dafür, dass sich das Kind in der unmittelbaren Beziehung und Interaktion<br />

mit seinen Bezugspersonen (Mutter, Vater usw.) als ein eigenes, von ihnen unterschiedenes soziales Objekt erkennen<br />

kann. Dies ist ihm unmittelbar nach der Geburt noch nicht möglich. Es ist das Ergebnis einer Entwicklung,<br />

in der physiologische und soziale Prozesse miteinander verwoben sind. In diesem Prozess kommt den Eltern<br />

die Aufgabe zu, das zunächst sozial neutrale Kind (das ‚unbeschriebene Blatt’) zu einem symbolisch funktionierenden<br />

menschlichen Wesen zu transformieren (s. auch Wiley 2003). Der kindliche Körper befindet sich in<br />

einer Welt von Objekten, als <strong>des</strong>sen Mitte das Zentrum der kindlichen Aktivitäten selbst, d.h. <strong>des</strong> kindlichen Inneren,<br />

gelten kann. Von hier aus verortet sich das Kind im umgebenden Raum und beginnt, die Welt zu erobern,<br />

wobei den Distanzsinnen und den unmittelbaren Kontakterfahrungen für den Aufbau der sozialen und physischen<br />

Welt <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> eine zentrale Rolle zukommt (s. McCarthy 1984: 107f). In einem längeren Prozess lernt<br />

das Kind über seine Distanzsinne und Kontakterfahrungen sowie über die bei seinen Bezugspersonen und in ihm<br />

selbst hervorgerufenen Reaktionen seine körperlichen Grenzen kennen und lernt, zwischen Teilen seines Körpers<br />

und Objekten seiner Umwelt zu unterscheiden. Hierbei haben die Hände eine wichtige Funktion, da sie das Kind<br />

befähigen, Dinge zu berühren, zu ergreifen und festzuhalten. Das Kind kann mit den Händen die es umgebenden<br />

Objekte manipulieren, indem es die Dinge an sich zieht oder wegstößt. Die Hände spielen für die Hervorbringung<br />

menschlicher Produkte und Symbole insgesamt eine herausragende Rolle. Sie ermöglichen so genannte<br />

Kontakterfahrungen und darüber auch die Entwicklung eines Gefühls von Grenzen, von Innen und Außen und<br />

schließlich die Ausbildung eines Zeitgefühls. Die elementare Bedeutung <strong>des</strong> Körpers besteht darin, dass sich das<br />

Kind über seinen Körper in Beziehung zu seiner Umwelt und zu anderen Menschen setzt (s. McCarthy 1984:<br />

32<br />

Lin<strong>des</strong>mith et al. (1999: 219f) verweisen auf Bowlby, der einen vierphasigen Prozess der Bindung (attachment) zwischen<br />

Kind und ‚Caretakers’/Eltern beschreibt: preattachment (Geburt bis sechs Wochen), attachment-in-the-making (6 Wo. Bis 6<br />

Mo.); clear-cut-attachment (6 Mo. bis 18 Mo.) und schließlich eine reziproke Beziehung (ab 18 Mo.).<br />

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