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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Sie können sich auf die Vergangenheit, wie auf die Zukunft beziehen. Sie werden durch Selbstgespräche<br />

erzeugt und sie können, müssen aber nicht die zuvor genannten Gefühlsformen begleiten.<br />

4. Gefühle in Bezug auf das Selbst bzw. auf sich selbst als moralisch empfindende Person: Diese Gefühle<br />

entstehen in einem selbst und sind im inneren Erfahrungsstrom <strong>des</strong> Menschen verankert. Sie können<br />

tiefe Auswirkungen darauf haben, wie ein Mensch sich selbst fühlt (s. Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999: 134f).<br />

Bei der Interpretation emotionaler Erfahrungen sollte nach Lin<strong>des</strong>mith et al. (1999: 135) berücksichtigt werden,<br />

dass alle Emotionen eine sprachliche Basis haben, dass sie vom Selbst <strong>des</strong> Menschen auf einer bestimmten Ebene<br />

<strong>des</strong> Bewusstseins interpretiert werden und dass die Art und Weise wie das Selbst und der lebende Körper bei<br />

emotionalen Erfahrungen zum Tragen kommen, je nach der Emotion variiert.<br />

Ähnliches stellt Wiley (2003: 502f) fest, demzufolge Emotionen auf zwei Ebenen (‚bilevel’) erfahrbar sind; als<br />

‚out there’ in Bezug auf unsere Ziele, auf die Umgebung und in Bezug auf Menschen, und als ‚in here’, d.h. in<br />

Bezug auf das innere Wirken <strong>des</strong> Selbst. Das Selbst erfährt Emotionen auf zweierlei Art, durch zielorientiertes<br />

Handeln und durch den Versuch <strong>des</strong> Selbst, intakt zu bleiben. Beide Ebenen haben die Tendenz sich zu synchronisieren,<br />

zusammen aufzutreten und bedingen sich wechselseitig, auch wenn sie zuweilen unabhängig voneinander<br />

zu funktionieren scheinen.<br />

Im Unterschied zu vielen psychologischen Entwicklungs<strong>theorie</strong>n, die die Mutter-Kind-Beziehung in den Mittelpunkt<br />

rücken, spricht Mead lieber von der Eltern-Kind-Beziehung. Für ihn sind beide Elternteile für die Entwicklung<br />

<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> wichtig, ein Aspekt den Jessie Taft (1987: 40), eine Studentin Meads in ihrer Dissertation<br />

unterstreicht. Sie hebt hervor, dass ein Vater nur nominal Vater ist, solange seine Persönlichkeit nicht über Beziehungen<br />

zu seinen Kindern mit ihnen korrespondiert und selbst durch diese geformt wird. Auch wenn er viele<br />

Kinder zeugen kann, kann er, wenn er diese Kinder nicht kennt oder keine Beziehung zu ihnen hat, kein Selbst<br />

als Vater aufbauen. Laut Taft ist nicht nur die Mutter-Kind-Beziehung für das Kind wichtig, sondern alle Beziehungen<br />

zu den es umgebenden Menschen. Dass Mead nicht nur eine Beziehung, die Mutter-Kind-Beziehung, im<br />

Blick hatte, sondern die Beziehungen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zu seinen Eltern sowie zu allen es umgebenden Menschen, betont<br />

auch Heather Keith (1999). Je mehr Kontakte das Kind zu Anderen hat, umso mehr hat es die Chance zu einem<br />

differenzierten Selbst zu gelangen (s. auch Aboulafia 2001).<br />

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass das pflegerische Handeln unvermeidlich mit emotionalen Erfahrungen unterschiedlichster<br />

Art und höchst unterschiedlichen Folgen für den zu Pflegenden verbunden ist. Unterschiedlichste<br />

Erfahrungen, die ein Mensch in seinem Leben gemacht hat, können in pflegerischen Situationen virulent werden<br />

und Einfluss auf sein Handeln haben. Da Emotionen aus Spannungen entstehen, muss davon ausgegangen<br />

werden, dass Menschen ein Interesse daran haben, Pflegesituationen zu vermeiden, die ihnen abträglich 31 erscheinen<br />

oder Angst machen. Dies ist schon bei Neugeborenen zu beobachten und zeigt sich im Abwehrverhalten.<br />

Da jegliche Art pflegerischen Handelns in irgendeiner Form auf den Körper <strong>des</strong> Menschen gerichtet ist und<br />

darüber vermittelt auf sein soziales, psychisches sowie spirituelles Befinden, soll im folgenden Abschnitt die<br />

Rolle <strong>des</strong> Körpers bei der Herausbildung <strong>des</strong> Selbst und eines Körperbilds untersucht werden.<br />

3.2.1.2 DER KÖRPER ALS BASIS DER HERAUSBILDUNG EINES SOZIALEN SELBST, EINES SELBSTKONZEPTS<br />

UND EINES KÖRPERBILDS<br />

Schon in seinen frühen Schriften und nicht erst in dem (posthum veröffentlichten) Buch ‚Mind, Self & Society’<br />

(MSS / GIG) hat Mead in unterschiedlicher Weise dargestellt, dass der menschliche Körper und seine biologische<br />

Beschaffenheit eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung <strong>des</strong> Selbst ist. Bei der Aneignung der<br />

physischen und sozialen Welt kommen der Ausstattung <strong>des</strong> Körpers und seinen potenziellen Fähigkeiten, insbe-<br />

31<br />

Das Bewegende bei der 2007 durchgeführten Aktion ‚Pflege bewegt Deutschland’ war laut Christel Bienstein (2008: 42)<br />

„die spürbare Angst der BürgerInnen vor Pflegeabhängigkeit. Selbst von Menschen, die bereits Beeinträchtigungen haben,<br />

hörten wir: Lieber tot umfallen, als pflegeabhängig zu werden!“<br />

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