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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Emotionen als Gesamtprozess, d.h. im Prozess <strong>des</strong> Handelns, hilfreich. Dieser kann entsprechend dem Auftreten<br />

von Emotionen in drei Phasen untergliedert werden:<br />

1. „Ein Stimulus oder eine Situation wird in einer bestimmten Weise interpretiert, etwa als beruhigende<br />

Geste oder Stimme.<br />

2. Es kommt zu einer inneren Antwort/Reaktion auf die definierte Situation, die physiologische wie symbolische<br />

Prozesse beinhaltet.<br />

3. Es folgt ein nach außen gerichteter Ausdruck (z. B. entspannte Haltung), der Anderen die Emotion anzeigt“<br />

(s. Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999: 130).<br />

Dieser Prozess steht im Kontext sozialer Beziehungen, denn hier wird das Selbst <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> im Dialog mit seinen<br />

Bezugspersonen (z.B. Eltern) gebildet. Nach Mead (2001a: 16) muss das Kind, bevor es ein Gefühl für das<br />

eigene Selbst gewinnt, die Konturen und das Wesen anderer Menschen bestimmt haben. Dies wird ermöglicht,<br />

indem andere Menschen auf die grundlegenden menschlichen Erfordernisse <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> eingehen. Dies geschieht<br />

auf vielfältige Art und Weise, sei es über unmittelbare körperliche Kontakte bei der Körperpflege und der Nahrungsaufnahme<br />

mittels Stillens, durch das Vermitteln eines Gefühls von Sicherheit, durch das Beruhigen oder<br />

Trösten mittels <strong>des</strong> Getragenwerdens etc. Die hierbei zum Tragen kommenden Handlungen sind primär pflegerischer<br />

Art. Sie sind die Grundlage für die Herausbildung eines emotionalen Bewusstseins, das die Basis für die<br />

Herausbildung der menschlichen Handlungsfähigkeit ist. Mittels auf das Kind bezogener Handlungsweisen wird<br />

das Kind in die Lage versetzt, emotionale, durch die Eltern vermittelte Ausdrucksweisen von außen auf sich zu<br />

beziehen und sie in sein Inneres zu verlagern, d.h. in sich zu fühlen, auch wenn es deren volle Bedeutung anfänglich<br />

nicht versteht. Mit Blick auf die o.g. drei Phasen <strong>des</strong> Wachrufens und Ausdrückens von Emotionen ist wichtig,<br />

dass die Emotion eine Reaktion auf ein mit einer Bedeutung versehenes Zeichen ist, <strong>des</strong>sen Bedeutungsgehalt<br />

je nach Situation variiert. Die bei Emotionen ablaufenden physiologischen Prozesse sind nicht erlernte<br />

Handlungsweisen, wohingegen dies bei den involvierten symbolischen Handlungsweisen der Fall ist. Die o.g.<br />

dritte Phase, die auch als ‚Mimikry von Gefühlen’ bezeichnet wird, kann sowohl vorsätzlich als auch im Sinne<br />

der Anpassung an soziale Konventionen eingesetzt werden. Emotionales Handeln wird im Rahmen der Sozialisation<br />

erlernt. Hierbei lernen wir, unsere Gefühle zu benennen und sie im Kontext sozialer wie kultureller Situationen<br />

zu deuten. Dieses gibt uns die Möglichkeit, unsere Emotionen zu beeinflussen und zu kontrollieren (s.<br />

Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999 131f; Hochschild 1983/2003, Denzin 1984/2007).<br />

Mead (ISS: 39ff) untersucht emotionale Ausdrucksweisen nach ihrer Stellung im sozialen Handeln (s. auch Carreira<br />

da Silva 2008: 140ff). Sie stellen für ihn den Beginn eines solchen dar. Er verdeutlicht dieses anhand der<br />

unterschiedlichen Haltungen, die der Mensch gegenüber Dingen, der Natur und anderen Menschen einnimmt.<br />

Die gegenüber Menschen vorgenommene soziale Handlung begreift er von ihrem Charakter her als eindeutig<br />

emotionale und verweist auf die entsprechenden Gesten. In Anlehnung an Dewey geht er davon aus, dass unser<br />

Handeln von einer Reihe von Gefühlen geleitet wird, dem sog. ‚affektiven Strom’. Mead hebt hervor, dass das<br />

Gefühl beim Handeln durch eine Verzögerung der Tendenz zum Handeln entsteht. Auch wenn es eine affektive<br />

Seite aller Bewusstseinsformen zu geben scheint, erscheint diese solange nicht als Emotion, wie es keine Verzögerung<br />

der Tendenz zum Handeln gibt. Erst wenn es zu einer Verzögerung der Handlung kommt, d.h., wenn wir<br />

unsere (gegebene) Tendenz zum Handeln überprüfen, stoßen wir auf den emotionalen Inhalt dieser Tendenz (s.<br />

MT: 396). Beim Neugeborenen und Baby sind diese Handlungsverzögerungen noch nicht voll entwickelt. “Es<br />

kann sich nicht selbst anhalten. Es muss etwas greifen“ (ISS: 40). An anderer Stelle unterstreicht Mead, dass der<br />

Unterschied zwischen physikalischem (körperlich, materiell) und sozialem Verhalten im emotionalen Inhalt von<br />

letzterem besteht. Emotionen entstehen laut Mead (ISS: 43) unter Spannungen. Da soziales Handeln eine ständige<br />

Anpassung und Neuabstimmung beinhaltet, kommt es zu Emotionen. Das Kind ist von vielen sozialen Objekten<br />

umgeben und muss lernen, sich anzupassen. Dies ist kein passiver, sondern ein aktiver Vorgang, der in Abhängigkeit<br />

zu den sozialen Beziehungen und zum sozialen Umfeld steht.<br />

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