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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Es geht hier sowohl um ganz konkrete gegenständliche Objekte als auch um abstrakte und imaginative Objekte.<br />

Grundsätzlich kommt Objekten beim Handeln eine vermittelnde Funktion zu (s. Blumer 2004: 39ff).<br />

Die Bedeutung und die Funktionsweise von Emotionen für das soziale Handeln bestehen darin, dass unsere Gedanken<br />

und Willensäußerungen auf ein Selbst verweisen, <strong>des</strong>sen Inhalte affektiv sind. Das Denken und der Wille<br />

entwickeln sich in der Folge und interpretieren soziale Situationen, die zuerst emotionaler Art sind. So nimmt<br />

das Kleinkind ‚gefühlsmäßig’ wahr, sei es über die Gesichtausdrücke der Menschen, die es umgeben, sei es mittels<br />

ihrer auf seinen Körper bezogenen Handlungen, ob es ‚gemocht/geliebt’ wird. Das Gefühl bzw. die Emotion<br />

ist das Spezifischste und das bestimmendste, auf das wir uns beziehen oder das wir zu einem Teil <strong>des</strong> individuellen<br />

Selbst und <strong>des</strong> Selbst von Anderen machen (s. Mead 2001a: 6). Soziale Objekte, verstanden als Zeichen sozialen<br />

Handelns, werden vermittels der emotionalen Ausdrucksweisen differenziert. Diese stellen die instinktiven<br />

Mittel <strong>zur</strong> Organisation menschlichen Handelns bereit, weshalb Mead (2001a: 6f) im menschlichen Körper<br />

den Fundus einer unentdeckten sozialen Organisation vermutet, die es uns erlaubt, viel sicherer in einem sozialen<br />

als in einem materiell/physischen Umfeld zu handeln. Der Inhalt dieses Bewusstseins besteht aus Gefühlen.<br />

Er ist nicht sinnlicher Art. In den Gesichtern oder Haltungen der Anderen sehen wir nicht nur das Gesicht oder<br />

den Körper, sondern wir erhalten nach Mead einen Hinweis auf eine bestimmte Art von Handlung sowie auf die<br />

in dieser Handlung enthaltenen Gefühle 26 . Er schreibt:<br />

„Wir sehen kommende Handlungen und ‚fühlen’ die sich in diesen Handlungen ausdrückenden Werte. Zuallererst<br />

fühlen wir in uns eine Tendenz, auf den sozialen Stimulus und den ihn begleitenden emotionalen Inhalt<br />

zu reagieren, und zwar in dem Augenblick, in dem wir diesen überprüfen. Daraus folgt, dass der soziale<br />

Stimulus sich uns als Reaktion auf den emotionalen Inhalt präsentiert. Die Konstruktion <strong>des</strong> sozialen Objekts,<br />

d.h. <strong>des</strong> sozialen Stimulus, (wie etwa ein freundliches Gesicht, Hinzufügung MMK), wird durch die<br />

Art und Weise unserer Organisation der Antwort bzw. der verschiedensten Reaktionen bestimmt. Der soziale<br />

Stimulus wird aus dem emotionalen Material gebildet, der die gehemmten sozialen Impulse in ihrer frühesten<br />

Phase begleitet. Hieraus folgt, dass das Selbst diesen besonderen Inhalt verliert, sobald es verstan<strong>des</strong>mäßig<br />

betrachtet wird. Der durchschnittliche Mensch, der ökonomische Mensch, der Mensch auf der<br />

Straße haben keine Selbste im Sinne unseres sozialen Bewusstseins. Diese Selbste haben die gleiche Unmittelbarkeit<br />

wie das ‚Me‘. Wir sind alle aus demselben Material/Stoff“ (2001a: 7).<br />

Für Mead (2001a: 7) liegt der Unterschied zwischen dem Me (mir) und Anderen im Wesen <strong>des</strong> jeweiligen die<br />

Handlung auslösenden Instinkts bzw. Impulses. An dieser Stelle bietet der Hinweis auf den ‚schützenden’ und<br />

‚elterlichen Instinkt’ einen ersten, wichtigen Anknüpfungspunkt für pflegerische Zusammenhänge, insofern er<br />

auf die Beziehung zwischen zu Pflegendem (Kind, Kranker, bedürftiger oder alter Mensch) und Pflegendem<br />

hinweist. Eher beiläufig erwähnt er deren lebenswichtigen Bedeutung für das menschliche Handeln. In einer anderen<br />

unveröffentlichten Schrift leitet Mead (2001a: 73f) von seinen frühen Einsichten ab, wie die Kindheit verbracht<br />

werden sollte und welche Bedingungen für die Entwicklung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> gegeben sein sollten. In Anlehnung<br />

an die oben erwähnte Metapher, dass Familie und Gesellschaft für die Entwicklung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> vergleichbar<br />

günstige Rahmenbedingungen wie die ‚Gebärmutter’ bereithalten sollte, stellt sich für die professionelle<br />

Pflege die Frage, wie und durch welche Verhaltensweisen der Impuls <strong>zur</strong> Pflege eines anderen Menschen und<br />

<strong>zur</strong> eigenen Pflege hervorgerufen wird, welche Emotionen das pflegerische Handeln begleiten, was sie bewirken,<br />

durch welche Art Pflegehandeln die gesunde Entwicklung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> gefördert wird und wie die Eltern hierin<br />

unterstützt werden können. In diesem Zusammenhang ist auch die Beziehung zwischen dem sozialen Umfeld<br />

26<br />

Häufig von Mead erwähnte Beispiele sind die geballte Faust, das Lächeln in einem Gesicht oder die Tonlage. Hier handelt<br />

es sich um unterschiedliche Gesten, die für das soziale Handeln wichtig sind. Emotionale Ausdrucksformen oder auch Gesten<br />

sind für Mead ‚kollabierte, verkürzte Handlungen’. Hinter all diesen Gesten verbirgt sich die Tendenz zu handeln (s. Miller<br />

1982 = ISS: 33 ff). An anderer Stelle gibt Mead (MT: 379) einen Hinweis auf die verschiedenen menschlichen Gesten. Bei<br />

der vokalen Geste hören wir das, was wir sagen, während wir dass, worauf wir mit unseren Fingern hinweisen, sehen. Demgegenüber<br />

drücken unsere Körperhaltungen das aus, was wir fühlen. Die Wirkung der von uns bei einem anderen Menschen<br />

hervorgerufenen Haltung besteht darin, dass sie auf uns <strong>zur</strong>ückkommt. Diese Funktionsweise der Gesten ermöglicht Partizipation<br />

mittels Kommunikation.<br />

77

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