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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

Objekte wie <strong>des</strong> ‚Selbst’, <strong>des</strong> ‚Me’ oder <strong>des</strong> ‚Anderen’ innerhalb <strong>des</strong> sozialen Bewusstseins 23 zukommt (Mead<br />

2001a: 4). Dies ist ein Aspekt, der zu seiner Zeit noch wenig untersucht war und erst in jüngster Zeit von verschiedenen<br />

Wissenschaften aufgegriffen worden ist 24 . Zu seiner Zeit war in der Psychologie anerkannt, dass instinktive<br />

Verhaltensweisen in soziale Prozesse eingebettet sind, die ihrerseits eng mit Emotionen bzw. Gefühlen<br />

verknüpft sind, und dass deren Ausdrucksformen Überbleibsel oder frühe Phasen instinktiver Reaktionen darstellen.<br />

Aufbauend auf Dewey können nach Mead die Ausdrucksformen von Gefühlen physiologisch auf nützliche<br />

instinktive Aktivitäten <strong>zur</strong>ückgeführt werden oder auf Hinweise im Zusammenhang mit der Vorbereitung <strong>des</strong><br />

jeweiligen physiologischen Systems auf die instinktiv ablaufenden Prozesse etwa <strong>des</strong> Kreislaufs oder <strong>des</strong><br />

Atemsystems (s. auch Mead 25 1895). Emotionale Situationen, die emotionale Ausdrucksweisen hervorbringen,<br />

stellen für das Handeln eine Unterbrechung dar. Diese Unterbrechung oder Verzögerung einer unmittelbaren<br />

Handlung erfolgt aufgrund eines in der gleichen Situation vermittelten Konflikts von Impulsen. Demzufolge<br />

müsste nach Mead das emotionale Bewusstsein über die Stimulation der emotionalen Ausdrucksformen, d.h. als<br />

Vorbereitung einer Handlung bzw. als frühe Phase derselben begründet werden. Die o.g. physiologischen Prozesse<br />

werden im Sinne der Haptik über die Emotion spürbar (s. Mead 2001a: 4).<br />

Menschen handeln nach Mead (2001a: 5) in Bezug auf Kommen<strong>des</strong>, indem sie dieses kontinuierlich aus den<br />

Haltungen, dem Gesichtsausdruck, den Gesten, der Tonlage und der Stimme der Anderen ablesen. Diese beginnenden<br />

Handlungen und ihre organische Vorbereitung mittels der emotionalen Ausdrucksweisen sind jene Zeichen,<br />

die nach Mead (2001a: 5) entwicklungsgeschichtlich <strong>zur</strong> Vermittlung sozialer Handlungen ausgewählt<br />

wurden und erhalten geblieben sind. Demzufolge müssen vor jeder symbolvermittelten bewussten Kommunikation,<br />

sei es durch Gesten, Zeichen oder artikulierte Laute, in den frühen Phasen einer Handlung und ihrer physiologischen<br />

Randgebiete schon die Mittel der Koordinierung sozialen Handelns in der unbewussten Kommunikation<br />

enthalten sein. Diese frühen ‚unbewussten’ emotionalen Ausdrucksweisen haben sich die Menschen nach<br />

Mead (2001a: 5) bei der bewussten Kommunikation zu Nutze gemacht, um darauf ihre Zeichen aufzubauen.<br />

Das emotionale Bewusstsein gehört nach Mead (2001a: 6) zu den Anfängen <strong>des</strong> reflexiven Prozesses. Es entsteht<br />

unmittelbar aus der Hemmung einer Handlung. Aus diesem sehr frühen Material bilden sich die Objekte <strong>des</strong> darstellenden<br />

Bewusstseins, und dieses anfänglich instinktive Bewusstsein ist primär sozial. So gesehen sind auch<br />

die ersten sich uns präsentierenden Objekte sozialer Natur. Erste Anpassungen und Neuanpassungen menschlicher<br />

Handlungsweisen erfolgen aufgrund sozialer Stimulationen, die erst zu sozialen Objekten konstruiert werden<br />

müssen (Mead 2001a: 6). An dieser Stelle sei angemerkt, dass Mead den Begriff ‚Objekt‘ in einem sehr umfassenden<br />

Sinn verwendet. Blumer (2004: 39) schreibt:<br />

„Objekte konstituieren das auf den Einzelnen einwirkende Umfeld, die Dinge auf die der Mensch orientiert<br />

ist, die fokalen Punkte, um die herum sich seine Aktivitäten organisieren, und die Mittel durch die seine<br />

Handlungen in einer Folge von Einzelschritten aufgebaut werden“.<br />

23<br />

Der Begriff <strong>des</strong> Bewusstseins ist viel- bzw. mehrdeutig. Mead spricht mit Blick auf James von einer Schnittstelle, wo ein<br />

gegenwärtiges Ereignis mit der Geschichte eines Menschen zusammenfällt. Bewusstseinszustände lassen sich aus einer aktiven<br />

und einer passiven Perspektive betrachten, wobei die aktive Seite sich auf das Handeln bezieht und den motorischwillentlichen<br />

Teil, d.h. den Prozess der Analyse und Diskriminierung meint, wohingegen das passive Statement auf den Inhalt,<br />

d.h. auf das Objekt verweist, welches in Beziehung zum jeweiligen Individuum zu sehen ist. Zur aktiven Seite rechnet<br />

Mead Handlungsimpulse, die fundamental physiologischer Natur sind wie Angriff und Flucht, Impulse in Verbindung mit<br />

Hunger und Geschlechtlichkeit, in Zusammenhang mit emotionalen Zuständen wie Freude, Liebe, Furcht etc. (s.<br />

Mead/Strauss 1977: 74f; MT: 395)<br />

24<br />

In den letzten Jahren ist das Thema ‚Emotionen’ in verschiedenen Disziplinen wie Soziologie (z.B. Hochschild 1983/2003,<br />

Strauss et al. 1985, Dunkel 1998, Denzin 1984/2007), Psychologie (z.B. Zapf 2002, Ulich/Mayring 2003) und Pflege verstärkt<br />

aufgegriffen worden (s. für die Pflege etwa: Corbin/Straus 1988/1993; Smith 1992, Overlander 1994, Bischoff-Wanner<br />

2002, Krey 2003, Huynh/Alderson/ Thompson 2008, Theodosius 2008).<br />

25<br />

In diesem Artikel erfolgt die erste Auseinandersetzung mit Deweys (1894/95) ‚Theory of Emotions‘, die dieser in zwei Artikeln<br />

dargestellt hatte.<br />

76

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