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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

grob auf die in Tabelle 3.1 aufgeführte Liste von zehn Gruppen von Impulsen. Mead betrachtet das menschliche<br />

Handeln konsequent vor dem Hintergrund <strong>des</strong> gesamten Lebensprozesses und <strong>des</strong>sen Aufrechterhaltung. Der<br />

biologische und der soziale Aspekt beeinflussen sich gegenseitig und sind als die Basis menschlicher Erfahrungen<br />

in der Regel nicht voneinander zu trennen (s. Mead 2001a, PP, Baldwin 1992: 258).<br />

Tab. 3.1: Gruppe von Impulsen nach Mead (MSS: 348f; GIG: 398f)<br />

Gruppe von Impulsen<br />

1 Anpassungen, durch die der Einzelne seine Position und sein Gleichgewicht in Bewegung und in Ruhestellung<br />

aufrechterhält<br />

2 Die Organisation von Reaktionen auf entfernte Objekte, die dazu führt, dass man sich auf sie zu bewegt<br />

oder sich von ihnen entfernt<br />

3 Die Anpassung der Körperoberfläche an Kontakte mit Objekten, die wir durch unsere Bewegung erreicht<br />

haben; insbesondere die Manipulation dieser Objekte durch die Hand<br />

4 Angriff auf und Verteidigung gegen feindliche Geschöpfe, was eine spezialisierte Organisation der eben<br />

erwähnten Impulse voraussetzt<br />

5 Flucht vor gefährlichen Objekten<br />

6 Bewegung in Richtung auf Individuen <strong>des</strong> anderen Geschlechts oder von diesen fort und der Sexualprozess<br />

7 Sicherstellung und Aufnahme von Nahrung<br />

8 Ernährung und Sorge für den Nachwuchs, Säugen und Anpassung <strong>des</strong> kindlichen Körpers an die elterliche<br />

Vorsorge 18<br />

9 Vermeidung von Hitze, Kälte und Gefahr, Entspannung durch Rast und Schlaf<br />

10 Errichtung verschiedener Wohnstätten, die den Funktionen <strong>des</strong> Schutzes und der elterlichen Vorsorge<br />

dienen 19 .<br />

In der Liste befinden sich zwei Gruppen von Impulsen, Gruppe acht und zehn, die mit Pflege und pflegerischem<br />

Handeln in Beziehung gesetzt werden können. Was die soziale Formung und Transformation dieser Impulse betrifft,<br />

ist von Bedeutung, dass das Kind bei seiner Geburt weder eine Vorstellung von sich selbst, von seinem<br />

Körper, von Anderen oder von sozialen Situationen hat. Diese werden ihm erst im täglichen Umgang und Miteinander<br />

über seine Bezugspersonen, also die Eltern, Geschwister etc, im Rahmen seiner Pflege, seiner Erziehung,<br />

seiner Sozialisation vermittelt. Da der Mensch von Geburt an weder über die Sprache verfügt, noch die Bedeutung<br />

sprachlicher Symbole kennt, muss er sich diese aneignen. In diesem sozialen Prozess, im dynamischen Prozess<br />

der Interaktion mit physischen Objekten und mit Menschen entstehen schrittweise das ‚Selbst’ und die beiden<br />

anderen Größen Selbstkonzept und Körperbild. Wenzel (2010: 56f) hebt hervor, dass soziale Objekte zunächst<br />

durch die Bindung an soziale Instinkte und Antriebe gegeben sind. So ist die elterliche Fürsorge für die<br />

Nachgeborenen ein Beispiel für instinktgebundene soziale Handlungen, deren Instinktbindung beim Menschen<br />

durch soziale Erfahrungen modifiziert wird. Diese Modifikation sozialer Instinkte und ihre soziale Organisation<br />

markieren den Ausgangspunkt für die Entwicklung humaner Sozialität. Im Folgenden sollen einige Aspekte dieser<br />

Entwicklungsprozesse betrachtet werden. Im Mittelpunkt stehen vor allem Aussagen, die auf sich selbst oder<br />

auf andere Menschen bezogenes pflegerisches Handeln verweisen. Hinweise hierzu finden sich im Meadschen<br />

Werk an unterschiedlichen Stellen, vor allem dort, wo er von menschlichen Impulsen in der Form der elterlichen<br />

Fürsorge/Pflege (s. Tab. 3.1, Gruppe 8 und 10) oder von einer genuin menschlichen Haltung spricht, die Mead<br />

als mitfühlende (sympathetic) bezeichnet. Diesen verstreuten Hinweisen im Meadschen Werk wird im Sinne einer<br />

Rekonstruktion nachgegangen, da sie potenzielle Anschlussstellen für eine Reformulierung <strong>des</strong> RLT-<br />

Modells sind.<br />

3.2.1.1 DIE HERAUSBILDUNG EINES EMOTIONALEN UND KÖRPERBEZOGENEN BEWUSSTSEINS:<br />

SOZIALE INSTINKTE BZW. IMPULSE UND MENSCHLICHES HANDELN<br />

Das Neugeborene ist für sein Überleben auf andere Menschen angewiesen. In einem unveröffentlichten Auf-<br />

18<br />

Der Originaltext (MSS: 349) lautet: nourishment and care of child form, and suckling and adjustment of the body of the<br />

child to parental care.<br />

19<br />

Im Originaltext (MSS: 349) heißt es: the formation of various sorts of habitats, serving the function of protection and of<br />

parental care.<br />

74

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