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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

weiligen Unterschiede auf die Fähigkeit haben, sich auf Krankenhausreformen einzustellen. Die AutorInnen befragten<br />

in vier englischen und zwei australischen Krankenhäusern sowohl ÄrztInnen und Pflegende, die klinisch<br />

oder in Managementpositionen tätig waren, wie auch Manager ohne klinischen Hintergrund. Sie konnten deutliche<br />

Unterschiede zwischen beiden Ländern feststellen. Sie kamen zu dem Schluss, dass es für das Verständnis<br />

der Identitäten erforderlich ist, den jeweiligen Kontext der untersuchten Populationen von Pflegekräften mit einzubeziehen,<br />

d.h. wo und wie und innerhalb welchen spezifischen Kontexts die Pflegekräfte ‚pflegen’. Erst dieses<br />

erlaube, die vielfältigen, teils umkämpften Themen, Vorstellungen und Interessen, die auf die Identitäten einwirken,<br />

herauszustellen. Um die zugewiesenen und/oder behaupteten Identitäten zu verstehen, sei es wichtig, diese<br />

widersprüchlichen Aspekte zu berücksichtigen.<br />

Anhand der dargelegten Studien kann festgestellt werden, dass die Begriffe ‚Selbst’, ‚Selbstkonzept’ und ‚Körperbild’<br />

innerhalb der einzelnen Disziplinen höchst unterschiedlich behandelt werden. Dennoch zeichnet sich ein<br />

Zusammenhang zwischen diesen Konzepten und einer allgemeinen menschlichen Handlungsfähigkeit ab. Im<br />

folgenden Abschnitt werde ich diesen Zusammenhang, der in den vorgestellten Arbeiten - ebenso wie die am<br />

Identitätsbegriff 14 geübte Kritik - eher unterbelichtet bleibt, anhand der zentralen Ideen Meads <strong>zur</strong> Genese <strong>des</strong><br />

Selbst und <strong>des</strong>sen Funktion für das menschliche Handeln herausarbeiten.<br />

3.2 SELBST, SELBSTKONZEPT UND KÖRPERBILD IN DER TRADITION DES AMERIKANISCHEN<br />

PRAGMATISMUS: GEORGE HERBERT MEAD, JOHN DEWEY UND NACHFOLGERINNEN<br />

„Die Welt ist im Menschen, so wie der Mensch in der Welt ist.“<br />

(Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999: 13)<br />

Ausgangspunkt der philosophischen wie theoretischen Überlegungen <strong>des</strong> amerikanischen Pragmatismus ist der<br />

Mensch in seiner Gesamtheit und sozialen Situiertheit. Im Mittelpunkt steht die Lebenswelt 15 <strong>des</strong> Menschen oder,<br />

anders gesagt, der Mensch in seiner sozialen Eingebundenheit. Diese spiegelt sich in seinem Handeln, in<br />

seiner Interaktion und Kommunikation mit anderen Menschen wider, die ihrerseits durch ihre Lebenswelt und<br />

ihre sozialen Beziehungen geprägt sind. Mittels Kommunikation gelangen die verschiedenen Interaktionspartner<br />

zu einem wechselseitig geteilten Verständnis der jeweiligen Situation. Mit Blick auf die Pflege bedeutet dies,<br />

dass pflegerische Erfahrungen aus allen denkbaren sozialen Situationen Ausgangspunkt der Betrachtung sein<br />

müssen.<br />

Wie bereits angedeutet, ist die Bedeutung <strong>des</strong> englischen Begriff <strong>des</strong> ‚self’, im deutschsprachigen Wissenschaftsraum<br />

umstritten und wird häufig mit ‚Ich-Identität’ bzw. ‚Identität’ übersetzt. Dies wird der Meadschen Idee <strong>des</strong><br />

Selbst nicht gerecht. Wir haben es hier nämlich mit einem äußerst dynamischen und flüssigen Konzept zu tun,<br />

der am ehesten in der Form der Selbstreflexion, d.h. im ‚Me’ greifbar wird, aber selbst hier ist er nach dem<br />

Meadschen Verständnis von Zeit und Entwicklung kontinuierlich in Bewegung. Dass dieser Begriff zu vielen<br />

höchst unterschiedlichen Interpretationen einlädt, kann auch der englischsprachigen Literatur entnommen werden.<br />

Der Begriff Identität verweist hier eher auf das ‚Me’ als auf das Selbst (s. bspw. Charon 2001, Aboulafia<br />

2001). Eindeutigkeit ist nicht immer vorhanden. An dieser Stelle greife ich im Sinne einer Unterscheidung dieser<br />

beiden Begriffe auf Lin<strong>des</strong>mith et al. (1999: 13f) <strong>zur</strong>ück. Hiernach ist das Selbst ein vielschichtiges Phänomen,<br />

dass in verschiedenen Formen erscheint und mit individuellen Identitäten verbunden ist. Identitäten, so Wiley<br />

(1994: 1f), individualisieren den Menschen und ermöglichen uns, Individuen, Kategorien, Gruppen und Arten<br />

14<br />

Jungwirth (2007) befasst sich in ihrer als Wissenschaftskritik angelegten Untersuchung „Zum Identitätsdiskurs in den Sozialwissenschaften“<br />

u.a. mit den historischen Bedingungen der Hervorbringung eines sozialwissenschaftlichen Begriffs von<br />

‚Identität’ am Beispiel von George Herbert Mead, Erik H. Erikson und Erving Goffman, die für die deutschsprachige Rezeption<br />

<strong>des</strong> Identitätsbegriffs in den Sozialwissenschaften eine zentrale Rolle spielen. Mead steht stellvertretend für die Zeitspanne<br />

von Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts bis in die 30er Jahre.<br />

15<br />

Dieser Begriff hat seine Wurzeln in der Philosophie wie in den Sozialwissenschaften (s. z.B. Schütz/ Luckmann 1979,<br />

Strauss 1997/1974, Strauss 1993, für die Pflegewissenschaft: Kesselring 1996).<br />

72

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