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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

tung und personale Kontrolle entwickelt und fortentwickelt und die ihn <strong>zur</strong> Verwirklichung von Selbstansprüchen,<br />

<strong>zur</strong> Realitätsüberprüfung und <strong>zur</strong> Selbstwertherstellung im Verhalten motivieren (Haußer 1995:<br />

67)<br />

Anhand dieses Identitätsverständnisses arbeitet Napiwotzky (1999: 68f) auf der Basis vorliegender Forschungsergebnisse<br />

und eigener Befragungen einen theoretischen Rahmen <strong>zur</strong> Analyse der beruflichen Ist-Situation heraus.<br />

Sie zeigt auf, welche Auswirkungen die Berufssozialisation auf das Selbstvertrauen und das Selbstbewusstsein<br />

der beruflich Pflegenden hat. Sie kommt zu dem Ergebnis, das die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen wenig<br />

geeignet sind, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu fördern. Im Gegenteil untergraben restriktive Arbeitsbedingungen<br />

die motivationale Quelle, was wiederum negative Auswirkungen auf die emotionalen Entsprechungen<br />

der Kontrollmotivation und somit auf das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein der beruflich Pflegenden<br />

hat. Mit Blick auf die Identitätsbildung und deren Auswirkung auf Erleben und Verhalten betont sie, dass die<br />

im Rahmen einer geschlechtsspezifischen Sozialisation vermittelten Erlebnisweisen von Männern und Frauen<br />

verschieden sind. Die Folgen zeigen sich für die Frauen, sobald sie einen Beruf wie die Pflege ergreifen. Da es<br />

sich hierbei um einen ‚sogenannten Frauenberuf’ handle, müssten sie eigentlich die im Rahmen ihrer Sozialisation<br />

erfahrenen Erlebnisweisen aktivieren können. In der weiblichen Sozialisation ist für die Identitätsbildung<br />

Napiwotzky zufolge das Erleben von Bindung und damit von wechselseitiger Interdependenz wesentlich. Im Berufsleben<br />

träfen die Frauen allerdings auf eine andere Realität, die eher der Identitätsbildung von Jungen/Männern<br />

entspreche. Die Folge sei, dass Frauen im Berufsleben aufgrund der vorherrschenden männlich<br />

konnotierten Regeln erfahren, dass im Beruf eher männliche Erlebnisweisen privilegiert und weibliche eher nicht<br />

anerkannt werden. Dies habe vielfältige Folgen für die in der Pflege einzugehenden Arbeitsbeziehungen mit PatientInnen<br />

und KollegInnen. Am Beispiel der von ihr so bezeichneten ‚Idealbildfalle’ zeigt sie auf, wie sich die<br />

so genannten ‚Ideal-Eigenschaften’ einer Pflegekraft im Verlauf ihrer dreijährigen Ausbildung ändern. Diese Eigenschaften<br />

setzt sie in Beziehung zu Konflikttypen und Konfliktbewältigungsstrategien. In einem weiteren<br />

Schritt erarbeitet sie dann eine Ist-Analyse anhand dreier von ihr entwickelter idealtypischer Berufsrollen:<br />

1. Orientierung an der traditionellen Mutterrolle<br />

2. Abkehr von der traditionellen Mutterrolle und medizinisch-technische Orientierung<br />

3. Abkehr von der traditionellen Mutterrolle und Übernahme einer Joborientierung (s. Napiwotzky 1999:<br />

96ff).<br />

Sie beschreibt die jeweilige Rolle und die damit assoziierten Konflikttypen und welche Auswirkungen diese auf<br />

das Selbstkonzept haben, bevor sie auf die jeweils anzutreffenden Konfliktbewältigungsstrategien und deren<br />

Auswirkungen auf die Pflege hinweist und zwar sowohl mit Blick auf den Patienten als auch mit Blick auf<br />

die/den Pflegende/n. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass alle drei von ihr beschriebenen Idealtypen sich ungünstig<br />

auf die Selbstentwicklung und damit auf die Pflege auswirken. Ebenso seien die von ihr aufgefundenen Konfliktbewältgungsstrategien<br />

eher selbsteinschränkend, wenn nicht gar selbstzerstörend. Diesem von ihr aufgezeigten<br />

Dilemma könnten Pflegekräfte solange nicht entkommen, wie die der heutigen Krankenversorgung zugrunde<br />

liegenden männlich konnotierten Werte und die Normen der patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft nicht öffentlich<br />

thematisiert und die Diskussion auf eine andere Basis gestellt würden. Die von ihr beschriebenen ‚Idealtypen’<br />

stellten eine Sackgasse dar, die es zu überwinden gelte. Napiwotzky (1999) greift mit ihrer Arbeit ein<br />

wichtiges Thema auf. Allerdings bleibt sie einer binären Identitätsvorstellung im Sinne von männlicher und<br />

weiblicher Identitätsbildung verhaftet, was neuere feministische Ansätze zu überwinden versuchen.<br />

Seit Beginn <strong>des</strong> 21. Jahrhunderts haben sich einige AutorInnen in der Pflegewissenschaft dem beruflichen<br />

Selbstkonzept bzw. der beruflichen Identität gewidmet 13 . Stellvertretend sei an dieser Stelle die Arbeit von<br />

Degeling et al. (2000) genannt, die sich in ihrer ländervergleichenden Untersuchung mit Unterschieden der Identitätsbildung<br />

in der Pflege in England und Australien befasst haben sowie damit, welche Auswirkungen die je-<br />

13<br />

Siehe. bspw. Corwin 2001, Corwin/Hengstberger-Sims 2006, Corwin et al. 2008, Davies 2003, Ewens 2003, MacIntosh<br />

2003, Siebens et al. 2006, Wengström/Ekedahl 2006.<br />

71

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