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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

seine vorhandene oder nicht vorhandene Seele begriffen wird und wie der Mensch zu einem Bewusstsein von<br />

sich selbst, d.h. <strong>zur</strong> Erkenntnis seiner selbst und seiner Welt gelangt. In all diesen Vorstellungen scheint ein<br />

Grundkonflikt auf, der das Verhältnis von Geist und Körper bzw. Leib und Seele, von Mensch und Natur, von<br />

subjektiven und objektiven Gegebenheiten betrifft. Je nachdem, wie diese Vorstellungen im Einzelnen ausfallen,<br />

geraten oft nur Teile oder Aspekte <strong>des</strong> menschlichen Seins wie zum Beispiel der Körper, die Psyche oder die<br />

Triebe in den Blick und werden zum exklusiven Bereich der einen oder anderen Wissenschaftsdisziplin erklärt.<br />

Hinter dem Begriff Mensch verbirgt sich jedoch keine allen Menschen gleichermaßen zugehörende und universell<br />

gültige Vorstellung vom Menschen. Vielmehr finden sich in den verschiedenen Vorstellungen dazu z.B.<br />

Aussagen über das Verhältnis der Geschlechter, insofern den Geschlechtern bestimmte Rollen, Eigenschaften<br />

usw. zugewiesen werden 9 . Daraus folgt, dass es sich bei den <strong>zur</strong> Diskussion stehenden Begriffen weder um neutrale<br />

noch um geschlechtsunabhängige Begriffe handelt. Dies gilt es, im Blick zu behalten. Die Begriffe Selbst,<br />

Selbstkonzept und - neuerdings vermehrt - auch Körperbild sind Untersuchungsgegenstände verschiedener Disziplinen,<br />

die von diese unterschiedlich behandelt und teils auch anders als in der vorliegenden Arbeit bezeichnen.<br />

Der Begriff Selbst ist wie Identität ein häufig beanspruchter Begriff. Im deutschsprachigen Raum wird in diesem<br />

Zusammenhang auch von Selbstbild, Identität oder noch allgemeiner von Image (z.B. Kleining/Moore 1959) und<br />

seit den 1970er Jahren von Ich-Identität 10 gesprochen 11 . Mit Blick auf die Rezeption der für diese Arbeit wichtigen<br />

Arbeiten von Mead gibt es hinsichtlich der von ihm verwendeten Begriffe wie Self, I und Me keine von allen<br />

AutorInnen einheitlich benutzte Übersetzung. Im folgenden Abschnitt sollen die Vorstellungen zu Self, I and<br />

Me skizziert werden, die bis zum Beginn der 1950er Jahre, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der ersten pflegetheoretischen<br />

Ansätze, vorlagen.<br />

3.1.1 ERSTE VORSTELLUNGEN: ENDE DES 19. JAHRHUNDERTS BIS ZU DEN 1950ER JAHREN<br />

Hans Joas (1996: 358) verortet den Ursprung der soziologischen Identitätskonzeption in den 90er Jahren <strong>des</strong> 19.<br />

Jahrhunderts in den USA. Seiner Meinung nach lieferte eine Arbeit von William James den Ausgangspunkt, in<br />

der dieser<br />

„das Bewusstsein nicht länger als eine Art von Behälter aufzufassen [versucht], sondern als einen Strom, in<br />

dem nach eigenen Gesetzen Gedanken und Gefühle auftauchen und untergehen. Zu den stabilisierenden Inseln<br />

in diesem Strom zählt für James ganz wesentlich das ‚self as known’, das Selbst nicht als Subjekt, sondern<br />

als Objekt der Erkenntnis. Dieses ‚empirical self’, das zusammen mit dem reinen Ich als Subjekt der<br />

Erkenntnis das ‚total self’ bildet, zerfällt nach James in ein ‚materielles self’, ein ‚social self’ und ein ‚spiritual<br />

self’, je nachdem, ob es sich in Auseinandersetzung mit der Welt der Dinge, der Menschen oder der eigenen<br />

Gefühle und Fähigkeiten bildet.“<br />

9<br />

Siehe hierzu Aboulafia 2001, Benhabib 1992, Butler 1991, Davies 1995a, 2003, Deegan/Hill 1987, Deegan 1995, 2001a, b,<br />

2008, Jungwirth 2007, Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999, Rosenberg 1982, Sullivan 2001, Stockmeyer 2004, Wiley 1994, 2003.<br />

10<br />

Die deutsche Übersetzung von self mit Ich-Identität ist m. E. problematisch (s. kritisch hierzu auch Tugendhat 1979, Wittpoth<br />

1994, Jungwirth 2007). Die Einschätzung Tugendhats teilt auch Jürgen Habermas (1985, Bd.2: 11). Er verwendet<br />

gleichwohl in seiner Rezeption Meads (Habermas 1985, Bd. 2: 11-68) den Begriff ‚Identität‘. Im angelsächsischen Sprachraum<br />

hingegen wird sehr genau zwischen ‚self‘ und ‚identity‘ unterschieden, während in der entsprechenden deutschsprachigen<br />

Literatur höchst unbekümmert und m.E. ungenau mit diesen Begriffen umgegangen wird. Dass der Mensch z.B. verschiedene<br />

Identitäten annehmen kann (s. hierzu Stone 1981, Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999), stellt nur einen, wenngleich wichtigen<br />

Aspekt in Bezug auf das Selbst dar. Diese Unbekümmertheit bei der Übersetzung stellt für das Verständnis der Funktion, die<br />

dem Selbst nach Mead beim menschlichen Handeln zukommt, eine Hürde dar. Statt dass der Blick auf das Handeln und auf<br />

die Bedingungen <strong>des</strong> Handelns gelenkt wird, wird er davon abgelenkt. Ich werde mich bei meiner Verwendung der Begriffe<br />

eng an die englischsprachigen Texte halten und den Begriff ‚Identität’ nur dann verwenden, wenn er in diesen Texten erwähnt<br />

wird. Das Argument von Joas (s. 1987, GA I: 17), den Begriff ‚self’ ins Deutsche mit dem Begriff Ich-Identität bzw.<br />

abgekürzt Identität zu übertragen, weil dies dem Sprachgebrauch eines Großteils der Soziologie und Psychologie entspreche<br />

bzw. als ‚Selbst‘ in Bezug auf die sich auf Mead beziehenden sozialwissenschaftlichen Stränge merkwürdig klänge, ist wenig<br />

überzeugend. Es geht hier m.E. nicht um den Klang, sondern um das Nachvollziehen von Gedanken. Dieses wird mit der<br />

landläufigen Übersetzung von ‚self’ mit ‚Ich-Identität’ bzw. ‚Identität’ erschwert. Auch der Hinweis (Joas 1996: 360; 1997:<br />

236), dass der Begriff der Ich-Identität auf Erik Erikson <strong>zur</strong>ückgehe und es seit Ende der 1940er Jahre Versuche gegeben habe,<br />

die Ideen von Mead und Erikson zu kombinieren, rechtfertigt m.E. die Übersetzung von ‚self’ mit ‚Ich-Identität’ nicht.<br />

11<br />

Zum Beispiel: Joas 1989, 1992a, 1992b, Barkhaus et al. 1996, Keupp/Höfer 1997, Keupp et al. 1999, Straub/Renn 2002,<br />

Krappmann 2005, Keupp/Hohl 2006.<br />

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