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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 3<br />

die allgemeine pflegewissenschaftliche Diskussion auf internationaler Ebene und in Deutschland aufgenommen<br />

worden sind. Dann werde ich anknüpfend an die Ideen <strong>des</strong> amerikanischen Pragmatismus auf die Bedeutung der<br />

Begriffe Selbst, Selbstkonzept und Körperbild in Bezug auf menschliches Handeln eingehen. Im Vordergrund<br />

stehen hierbei vor allem die Arbeiten von George Herbert Mead, <strong>des</strong>sen Ideen sich ebenso wie die von John Dewey<br />

im handlungstheoretischen Ansatz von Anselm Strauss 3 (1991a, 1993) widerspiegeln. Die allgemeine Bedeutung<br />

dieser philosophischen Tradition und der von ihr inspirierten empirisch begründeten Theorie <strong>des</strong> Handelns<br />

von Strauss besteht für die Pflege darin, dass hier der Dualismus von Geist und Körper überwunden wird.<br />

Damit sind die dieser Theorie zugrunde liegenden Annahmen von außerordentlicher Relevanz für eine Theorie<br />

<strong>des</strong> pflegerischen Handelns. So wird etwa unterstellt, dass der menschliche Körper als Voraussetzung jeden<br />

menschlichen Handelns gesehen werden muss, dass ein Handeln ohne den Körper nicht möglich ist, dass alles<br />

Handeln in – vergangene, gegenwärtige und zukünftige – Interaktionen eingebettet ist, dass Menschen von ihrer<br />

Geburt an und im Verlauf ihres Lebens ein Selbst entwickeln, welches in ihrem Handeln auf vielfältige Art und<br />

Weise zum Tragen kommt (Strauss 1993: 23ff, Mead 4 1932/1934/1936/1938). Bei der Rekonstruktion der Arbeiten<br />

Meads greife ich auf sein frühes und spätes Werk 5 <strong>zur</strong>ück sowie auf neue Veröffentlichungen, in denen unveröffentlichte<br />

Originaltexte Meads zugänglich gemacht werden und sein Werk neu interpretiert wird. Weiter<br />

gehe ich auf die deutsche Rezeption 6 und auf Vorstellungen ein, die hierzu insbesondere aus der Sicht eines feministischen<br />

Pragmatismus 7 sowie aus der Pflegewissenschaft vorliegen. Dabei werden zentrale Ideen Meads <strong>zur</strong><br />

Genese <strong>des</strong> Selbst und zu <strong>des</strong>sen Funktion für das menschliche Handeln nachgezeichnet und nach Anknüpfungspunkten<br />

für eine alle Formen <strong>des</strong> menschlichen Handelns berücksichtigende Theorie <strong>des</strong> Pflegehandelns gesucht.<br />

Dies setzt voraus, dass Meads Werk in einem größeren Kontext betrachtet wird 8 . Schliesslich erfolgt der Rückgriff<br />

auf die Arbeiten Deweys sowie von Strauss und MitarbeiterInnen vor allem in Hinblick auf das gewohnheitsmäßige<br />

Handeln.<br />

3.1 SELBST UND SELBSTKONZEPT: EIN ERSTER ÜBERBLICK<br />

Die Beschäftigung mit dem Menschen, seinem Wesen, seinem Selbst und seinen Selbst-Konzeptionen ist für die<br />

Philosophie und die sich aus ihr entwickelnden Wissenschaften vom Menschen ein altes Thema (s. bspw. Abels<br />

1998, 2006, Gottschalch 1991, Greve 2000, Frey/Haußer 1987; Haußer 1995, Keupp et al. 1999, Keupp/Hohl<br />

2006, Krappmann 2005, Lin<strong>des</strong>mith et al. 1999, Mummendey 2006, Ritsert 2001, Schachinger 2002,<br />

Straub/Renn 2002). Die hierzu vorgelegten Vorstellungen zeigen, wie der Mensch, sein Körper, sein Geist und<br />

3<br />

In seiner Arbeit ‚Continual Permutations of Action’ hat Strauss 1993 zentrale Konzepte dieser Tradition und seiner Arbeiten<br />

zu einer Theorie <strong>des</strong> sozialen Handelns verdichtet und ausgearbeitet. Er stellt seiner Theorie <strong>des</strong> Handelns 19 Annahmen<br />

voran, die an dieser Stelle nicht alle referiert werden sollen.<br />

4<br />

Die Werke von Mead werden im Weiteren wie folgt zitiert: Philosophy of the Present (1932/2002) = PP, Mind, Self &<br />

Society (1934/1968) = MSS (deutsch 1973: GIG), Movements of Thought in the Nineteenth Century (1936/1972) = MT,<br />

Philosophy of the Act (1938/1972) = PA; Philosophie der Erziehung = PE (Typoskript der Vorlesungsreihe von 1910-11 in<br />

der Fasung von Juliet Hammond, herausgegeben in deutscher Übersetzung von Daniel Tröhler und Gert Biesta 2008<br />

5<br />

Die Arbeiten Meads können laut Deegan (2008: 6) in eine frühe und eine späte Phase unterteilt werden. Die erste umspannt<br />

den Zeitraum von Ende der 1880 Jahre bis etwa 1921. In die zweite Phase fallen die o.g. nach seinem Tod 1931 posthum<br />

veröffentlichten Bücher. Eine wichtige Quelle für frühere Arbeiten ist das Meadproject von Robert Throop und Lloyd Ward,<br />

Toronto (2007, zugänglich über: http://www.brocku.ca/Mead/Mead/mead-biblio2.html.<br />

6<br />

In Deutschland sind dies vor allem Hans Joas und Axel Honneth. In den USA hat Anselm Strauss – wie erwähnt – die Ideen<br />

<strong>des</strong> Amerikanischen Pragmatismus und <strong>des</strong> symbolischen Interaktionismus zu einer Handlungs<strong>theorie</strong> verdichtet. Ein anderer<br />

für mein Anliegen wichtiger Strang sind die Weiterentwicklungen der Ideen <strong>des</strong> amerikanischen Pragmatismus im Rahmen<br />

<strong>des</strong> feministischen Pragmatismus (s. Deegan/Hill 1987; Deegan 1995, Seigfried 1996, Sullivan 2001). Diese sind bisher weder<br />

in Deutschland, noch innerhalb der Pflegewissenschaft rezipiert worden. Auf diese Vorstellungen werde ich ebenso eingehen<br />

wie auf die Rezeption <strong>des</strong> amerikanischen Pragmatismus in der Pflegewissenschaft. Weitere allgemeine wichtige Hinweise<br />

für die in dieser Arbeit angestrebte Reformulierung <strong>des</strong> RLT-Modells finden sich in Arbeiten, die die Themen Identität,<br />

Selbstkonzept und Körperbild aufgreifen. Beispielhaft sei hier die Arbeit von Lothar Krappmann zum Thema ‚Identität’<br />

genannt sowie neuere Arbeiten in dieser Richtung von Keupp et al. (1999) und Haußer (1995).<br />

7<br />

Deegan (1988) unterscheidet in Bezug auf Jane Addams, eine Kollegin Meads, zwischen einem ‚cultural feminism’ und<br />

einem ‚critical pragmatism’. Ich werde beide sowie neuere Strömungen unter dem Oberbegriff ‚feministischer Pragmatismus’<br />

behandeln.<br />

8<br />

Carreira da Silva (2008) verwendet <strong>zur</strong> Rekonstruktion <strong>des</strong> Meadschen Werks oder Gedankensystems die Metapher eines<br />

von drei Säulen gestützten Gebäu<strong>des</strong>: die Säulen der Wissenschaft, der Sozialpsychologie und der Politik.<br />

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