09.12.2012 Aufrufe

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kapitel 2<br />

„die Fähigkeit, die AL ohne Hilfe entsprechend den persönlichen und sozial akzeptierten Standards ausführen<br />

zu können“.<br />

Betrachtet man die Position <strong>des</strong> Menschen während der Lebensspanne und die entsprechende Position auf dem<br />

Abhängigkeits-/Unabhängigkeitskontinuum in den einzelnen AL, wird der Zusammenhang zwischen den beiden<br />

Konzepten deutlich. Roper et al. (1985: 23) heben hervor, dass beide Konzepte sich an den in einer Gesellschaft<br />

geltenden Normwerten orientieren und insofern nicht auf alle Situationen zutreffen, etwa wenn ein Kind mit einer<br />

Behinderung <strong>zur</strong> Welt kommt oder ein Mensch aufgrund von Krankheit, Unfall oder Funktionsbeeinträchtigungen<br />

in seinen Möglichkeiten eingeschränkt ist. Aber auch in solchen Fällen erlauben beide Konzepte, unter<br />

Berücksichtigung der individuellen Situation und Umstände die Möglichkeiten <strong>des</strong> Betreffenden einzuschätzen<br />

und sie in Richtung auf maximale Unabhängigkeit zu entwickeln. In Situationen, in denen professionelle Pflege<br />

benötigt wird, kann die relative Abhängigkeit <strong>des</strong> Menschen in den AL durch seine gesundheitliche Situation<br />

bedingt sein, sie kann seit der Geburt bestehen oder aufgrund von Krankheit oder Unfall temporär oder dauerhaft<br />

gegeben sein. In diesen Fällen muss der betreffende Mensch Formen finden, wie er diese Situation bewältigen<br />

kann. Hierbei kann ihn die Pflegekraft unterstützen (s. Roper et al. 1996a: 41).<br />

Die Begriffe Abhängigkeit und Unabhängigkeit sind im Verhältnis zueinander und im Verhältnis zu den einzelnen<br />

AL relativ. Dies zeigt sich vor allem dann, wenn sich durch eine Änderung in einer AL der Abhängigkeits-<br />

/Unabhängigkeitsstatus ändert und dies zu Veränderungen <strong>des</strong> Abhängigkeits-/Unabhängigkeitsstatus in anderen<br />

AL führt. Die Einschätzung <strong>des</strong> Abhängigkeits-/Unabhängigkeitsstatus eines Menschen in den einzelnen AL gibt<br />

Anhaltspunkte für das Ausmaß der benötigten Unterstützung seitens der professionellen Pflege, für den Einsatz<br />

entsprechender Hilfsmittel oder für spezifische Arrangements der Umgebung. Der gezielte Einsatz von Hilfsmitteln<br />

und die gezielte Gestaltung der Umgebung können zu einer ‚geschützten’ (aided) Unabhängigkeit beitragen.<br />

Roper et al. (1996a: 42, 2000: 59,97f) verweisen auf die Bedeutung, die der Unabhängigkeit in der heutigen Zeit<br />

auch für alte Menschen zukommt, sowie auf die privaten und staatlichen Bemühungen, durch entsprechende<br />

Maßnahmen wie technische Hilfsmittel oder ‚geschütztes Wohnen’ eine ‚geschützte’ Unabhängigkeit zu ermöglichen.<br />

Das Ziel der professionellen Pflege sehen Roper et al. (1985: 70) darin, dem zu pflegenden Menschen mittels<br />

eines auf seine individuellen Erfordernisse abgestimmten Programms bei der Aufrechterhaltung einer relativen<br />

Unabhängigkeit (in Bezug auf die AL) beizustehen. Insofern ist es wichtig zu verstehen, dass eine relative Unabhängigkeit<br />

bei jedem Menschen etwas anderes bedeutet. Der Umstand, dass jemand eine Funktionsbeeinträchtigung<br />

hat oder behindert ist, heißt im Falle eines stationären Aufenthaltes nicht, dass er von der Pflegekraft abhängig<br />

sein muss. Die Einschätzung <strong>des</strong> Abhängigkeits-/Unabhängigkeitsstatus in den AL verlangt der Pflegekraft<br />

ein entsprechen<strong>des</strong> Urteils- und Einfühlungsvermögen ab. Sie muss zwischen dem unterscheiden, was der<br />

jeweilige Mensch kann, um ihn nicht um seine Möglichkeiten zu bringen, und dem, was außerhalb seiner Möglichkeiten<br />

liegt (s. auch Roper et al. 2000: 98). Es gibt Patienten, die z.B. den Wunsch äußern, in bestimmten AL<br />

unabhängig zu sein, obwohl sie es aufgrund ihres Zustan<strong>des</strong> objektiv nicht sein können. In solchen Fällen ist es<br />

Roper et al. (1985: 70, 1990: 43, 2000: 98f) zufolge wichtig, den betreffenden Menschen dabei zu unterstützen,<br />

den Zustand einer vorübergehenden oder dauerhaften Abhängigkeit von anderen zu akzeptieren, ohne dabei seine<br />

Würde und sein Selbstwertgefühl zu verlieren. Die Anforderung an die Pflegekraft besteht darin, den Zustand<br />

<strong>des</strong> Patienten zu erkennen und ihm dabei zu helfen, die Balance zwischen Unabhängigkeit und Abhängigkeit situationsgerecht<br />

aufrechtzuerhalten 41 .<br />

41 Wie einer Studie von Wahl/Baltes 1995 im Bereich der häuslichen Pflege zu entnehmen ist, kann die Unterstützung <strong>des</strong> zu<br />

pflegenden Menschen in Richtung Unabhängigkeit weder bei professionellen noch bei pflegenden Laien als selbstverständlich<br />

vorausgesetzt werden. Die zu pflegenden Menschen werden eher durch entmutigende Verhaltensweisen in Richtung<br />

‚Abhängigkeit’ gedrängt. In eine ähnliche Richtung weist eine Studie von Strandberg/Jansson (2003). Der Begriff ‚dependency’<br />

hat im Kontext der Versorgung von Menschen unterschiedliche Bedeutungen, er ist überwiegend negativ, seltener<br />

positiv besetzt (s. Fine/Glendinning 2005). Die Kontextabhängigkeit <strong>des</strong> Erlebens von Abhängigkeit/Unabhängigkeit seitens<br />

der PatientInnen unterstreicht auch die Untersuchung von Delmar et al. (2006).<br />

48

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!