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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 2<br />

Frauen ausgeübt wird und dass Frauenarbeit im Verhältnis <strong>zur</strong> Männerarbeit als ‚einfache’ Arbeit gesehen wird.<br />

Letzteres hat u.a. Einfluss darauf, welche Aspekte der pflegerischen Arbeit innerhalb und außerhalb der Berufsgruppe<br />

wertgeschätzt werden, und damit auch darauf, wie das Verhältnis zwischen dem humanen und dem technischen<br />

Aspekt der Pflege von den Pflegekräften gestaltet wird. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung,<br />

dass die berufliche Pflege als ein von der Medizin unabhängig agierender Beruf aufgefasst und ihr für die Ausübung<br />

ihrer originären Tätigkeit der entsprechende Rahmen zugestanden wird 38 .<br />

Wenn der von Henderson benutzte Begriffs ‚needs’ mit Maslows Bedürfnishierarchie gleichgesetzt oder auch<br />

nur damit in Verbindung gebracht wird, deckt das den Kontext, in dem dieser Begriff steht, eher zu als auf.<br />

Ebenso ist es ein Missverständnis, den Begriff ‚needs‘ ausschließlich negativ im Sinne eines Defizits oder Mangels<br />

zu deuten. Wie vieldeutig der Begriff ist und wie unterschiedlich er ausgelegt werden kann, lässt sich schon<br />

an der unterschiedlichen Verwendung <strong>des</strong> Begriffs in der Psychologie (s. Grubitzsch/Rexilius 1990: 116ff), aber<br />

auch in der Pflegewissenschaft (s. Endacott 1997, Powers 1999, 2006; Fortin 1999, 2006) ablesen 39 . Dass<br />

Henderson in ihrem Verständnis <strong>des</strong> Begriffs von ihrer Zeit geprägt war, muss ihr zugestanden werden. Sie verwendet<br />

ihn in Anlehnung an Thorndike und weist in ihren Arbeiten auf unterschiedliche Arbeiten <strong>zur</strong> Pflege hin,<br />

die sich mit menschlichen Bedürfnissen befassen, aber auch auf Arbeiten aus anderen Disziplinen. Hierzu gehört<br />

u. a. Maslow. Der Begriff ‚needs‘ ist für sie ein offener, relativer oder anders formuliert ein dynamischer und relationaler<br />

Begriff in Bezug auf Gesundheit, auf die Ausübung der Aktivitäten <strong>des</strong> Lebens und auf die Fähigkeit<br />

<strong>zur</strong> ‚self-care‘. Insofern steht der Begriff ‚needs‘ in Zusammenhang mit der Fähigkeit <strong>des</strong> Menschen, für sich<br />

selbst handelnd tätig zu werden, sich selbst zu pflegen und für sich selbst zu sorgen. Dieser Gedanke wird von<br />

Roper et al. im Lebens- und Pflegemodell aufgegriffen, indem sie sich eindeutig und explizit für den Begriff ‚activity‘<br />

anstelle von ‚need‘ entscheiden. Sie betonen damit den Aspekt <strong>des</strong> aktiven Handelns, der bei Henderson<br />

zwar immer wieder durch die Verwendung von Begriffen wie ‚activity of daily living‘ und ‚self-care‘ durchscheint,<br />

aber von ihr nicht ausgearbeitet wird. Ein anderes Problem ist, dass bei der Rezeption von Henderson<br />

der Fokus einseitig auf dem Begriff der ‚needs’ zu liegen scheint, so dass der oben beschriebene relationale Zusammenhang<br />

von ‚needs’ und ‚activities’ zugedeckt wird. In diese Rezeptionsfalle geraten auch Roper et al., was<br />

dazu führt, dass sie das bei Henderson vorliegende theoretische Potenzial nicht für ihr Modell aufgreifen. Mit<br />

ihrer Betonung der aktiven Seite der AL haben sie jedoch den zu pflegenden Menschen neu situiert, insofern sie<br />

ihn als jemanden begreifen, der sein Leben gestaltet und hierzu entsprechende Fähigkeiten in den einzelnen AL<br />

ausbildet. Diese Fähigkeiten, die in den entsprechenden Gewohnheiten in den AL verkörpert sind, sind die Anknüpfungspunkte<br />

bei einer Inanspruchnahme der professionellen Pflege. Den Gedanken, dass die Pflege ein auf<br />

sich selbst oder auf andere Menschen bezogenes Handeln ist, hat Dorothea E. Orem später in ihrer Selbstpflegedefizit-Theorie,<br />

einer Theorie der Pflege bestehend aus den Theorien <strong>des</strong> Pflegesystems, <strong>des</strong> Selbstpflegedefizits<br />

und der Selbstpflege, ausgeführt (s. Orem 1995/ 1997, 2001).<br />

Insgesamt lassen sich in den Schriften von Henderson die Vorläufer oder Ursprünge der Konzepte <strong>des</strong> RLT-<br />

Modells finden. Die Vorstellung, dass der Mensch in Hinblick auf die vierzehn Erfordernisse gewissen Einflüssen<br />

ausgesetzt ist, ist hier in Ansätzen schon vorhanden und wird anhand der von der Pflegekraft zu schaffenden<br />

Bedingungen (conditions), die Einfluss auf den Gesundheitszustand <strong>des</strong> Menschen haben, thematisiert. Bei<br />

Roper et al. werden diese zu schaffenden Bedingungen in dem Konzept „Beeinflussende Faktoren“ aufgegriffen<br />

und weiter ausgearbeitet. Auch das Konzept <strong>des</strong> Abhängigkeits-/Unabhängigkeitskontinuums ist in Umrissen<br />

erkennbar und zwar überall dort, wo es heißt “[…] dass der Mensch es ohne Unterstützung tun würde, wenn er<br />

38<br />

Henderson weist in ihren Arbeiten immer wieder auf diesen Aspekt hin, es ist erstaunlich, wie wenig Beachtung er bisher<br />

gefunden hat.<br />

39<br />

Endacott (1997), Powers (1999, 2006) und Fortin (1999, 2006) weisen auf die verschiedenen Dimensionen <strong>des</strong> Begriffs<br />

‚needs’ hin, auf die soziale Konstruktion von ‚needs, auf das politische wie soziale Problem der Bestimmung <strong>des</strong>sen, was ein<br />

‚need’ ist, auf welches in einer Gesellschaft eingegangen wird und auf welches nicht etc. (s. auch Wingenfeld 2003, 2011)<br />

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