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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 2<br />

if supplied, relieves or diminishes his (or her) [...] distress or improves his (or her) [...] sense of adequacy or<br />

well-being‘ 29 .<br />

Die Erkenntnis, dass beim professionellen Umgang mit Krankheit nicht selten fundamentale menschliche Bedürfnisse<br />

missachtet werden, veranlasste Henderson, jede pflegerische Routine oder jede seitens der Pflege gesetzte<br />

Restriktion zu hinterfragen, die in Konflikt mit diesen fundamentalen Bedürfnissen <strong>des</strong> Menschen stehen.<br />

Vor diesem Hintergrund entwickelte sie die Vorstellung, dass es das Ziel der Pflege sein müsse,<br />

„[...] to keep the individual’s day as normal as possible – to keep him in ‚the stream of life‘ to the extent that<br />

is consistent the physician’s therapeutic plan” (Henderson 1995/1965: 215) 30 .<br />

Dieses Ziel kann die berufliche Pflege nach Henderson (1995/1965: 216) jedoch nur erreichen, wenn die Pflegekräfte,<br />

auch juristisch gesehen, ihren Beruf unabhängig 31 praktizieren können. Der Gegenstand der Pflege ist danach<br />

nicht die Diagnose und Behandlung von Krankheit oder deren Prognose, auch wenn Pflegekräfte immer<br />

schon Krankheiten diagnostiziert, Beschwerden/Leiden behandelt und im Notfall zu radikalen Maßnahmen gegriffen<br />

haben. Ihr Gegenstand ist die grundlegende pflegerische Versorgung (basic nursing care). Diese sieht sie<br />

in den von ihr beschriebenen vierzehn täglichen Aktivitäten, die zugleich die vierzehn grundlegenden Bestandteile<br />

der pflegerischen Versorgung bilden, bei deren Ausübung die Pflegekraft dem Patienten helfen oder ihn unterstützen<br />

und die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen soll, dass er sie ohne Hilfe/Unterstützung ausüben<br />

kann. Sie schreibt:<br />

„In essence, then, I see nursing as primarily complementing the patient by supplying what he needs in<br />

knowledge, will, or strength to perform his daily activities and also to carry out the treatment prescribed for<br />

him by the physician (Henderson 1995/1965: 215) 32 .<br />

Nach Henderson (1995/1978: 319) ist die berufliche Pflege - mehr als die Medizin es jemals war - ein Ersatz für<br />

die ‚self-care’ <strong>des</strong> Menschen oder für die menschliche Fähigkeit, sich selbst zu pflegen bzw. für sich selbst zu<br />

sorgen. Diese einzigartige Funktion der Pflegekraft versteht Henderson in einem umfassenden Sinn, und es ist<br />

für sie selbstverständlich, dass sie von der Pflegekraft in eigener Verantwortung gestaltet und kontrolliert wird.<br />

Darüber hinaus unterstützen die Pflegekräfte den Patienten bei der Befolgung der vom Arzt verordneten Therapie<br />

ebenso, wie sie andere Gesundheitsberufe in ihren Bemühungen bei der Versorgung <strong>des</strong> Patienten unterstützen<br />

und umgekehrt auch mit deren Unterstützung rechnen. Nach Henderson steht es jedoch keiner Berufsgruppe<br />

zu, eine andere Berufsgruppe so stark für die eigenen Zwecke in Anspruch zu nehmen, dass sie nicht mehr in der<br />

Lage ist, ihre originäre Funktion bzw. Aufgabe wahrzunehmen 33 .<br />

Der Begriff ‚nursing needs‘ wird von Henderson unterschiedlich und in einer umfassenden Bedeutung genutzt.<br />

So schreiben Henderson/Nite (1978: 322), dass die Pflegekraft bei ihrer Beobachtung <strong>des</strong> Patienten alle fünf<br />

Sinne einsetzen soll, um den allgemeinen physischen und emotionalen Zustand <strong>des</strong> Patienten erfassen und feststellen<br />

zu können:<br />

29 Der letzte Satzteil geht auf Orlando <strong>zur</strong>ück. Orlandos Arbeiten haben Hendersons Sicht von der Patient-Pflegekraft-<br />

Beziehung und davon, wie unterschiedlich der pflegerische Bedarf <strong>des</strong> Patienten von beiden wahrgenommen werden kann,<br />

stark beeinflusst (s. Henderson 1978, Marriner-Tomey 2002: 100).<br />

30 Diesen Gedanken greifen Roper et al. im RLT-Modell konsequent auf.<br />

31 Hierzu müssten die entsprechenden Berufsgesetze in Pflege und Medizin geändert werden. Der im KrPflG (2003) beschriebene<br />

‚abhängige Bereich’ der Pflege verhindert in einem nicht unerheblichen Maße die Gestaltung <strong>des</strong> sogenannten<br />

‚eigenverantwortlichen’ Bereichs. Die Folgen, die diese gesetzliche Regelung und der höchst lockere Umgang mit der Ressource<br />

‚Pflege’ für die Patienten haben, lassen sich aufgrund der Untersuchungsergebnisse der letzten Jahre, die sich mit dem<br />

Problem <strong>des</strong> Personaleinsatzes (quantitativ, qualitativ) befassen, erahnen (s. zusammenfassend Unruh 2008).<br />

32 Die Übersetzung dieses Textabschnitts von Enderwitz (1997: 49) lautet: „Im Kern also sehe ich in der Pflege eine Tätigkeit,<br />

die primär eine Kompensationsfunktion erfüllt, indem sie dem Patienten an Wissen, Willenskraft oder Stärke gibt, was<br />

er braucht, um seine täglichen Aktivitäten zu verrichten und außerdem die vom Arzt verschriebene Behandlung durchzuführen“.<br />

33 Dieser Gedanke ist äußerst wichtig und er findet sich auch in den erwähnten Grundregeln. Offenbar ist er bislang weder<br />

wahrgenommen noch verstanden worden. Er wird im Krankenhausalltag wenig beherzigt, da sich die Organisation der Krankenversorgung<br />

im Krankenhaus in den letzten Jahrzehnten einseitig an den Erfordernissen der Medizin und weniger am Versorgungsbedarf<br />

der Patienten ausgerichtet hat.<br />

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