09.12.2012 Aufrufe

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kapitel 9<br />

der Funktionsweise einer Sprache, wird sofort klar, dass eine un<strong>zur</strong>eichende Sprachkompetenz mit einer entsprechenden<br />

Handlungs- und Problemlösungskompetenz korrespondiert.<br />

Pflegerisches Arbeiten erfolgt in einem Netzwerk von Beziehungen. Um im Bild der Sprache zu bleiben, bedingt die<br />

Arbeit in diesem Netzwerk eine gewisse Offenheit für eine Mehrsprachigkeit oder in den Worten Stars, eine Offenheit<br />

für eine ‚epistemologische Demokratie‘ als Voraussetzung einer ‚klinischen Demokratie‘, die der Stimme <strong>des</strong><br />

Patienten ebenso Verhör verschafft wie den Stimmen der an seiner Versorgung beteiligten Berufsgruppen. Die nach<br />

wie vor bestehende Dominanz der medizinischen Sprache und <strong>des</strong> medizinischen Wissens, an die sich der ökonomische<br />

Diskurs anlehnt, und die in der Konsequenz zu einer zunehmenden Entwertung <strong>des</strong> pflegerischen Wissenssystems<br />

führt, erweist sich als schwerwiegen<strong>des</strong> Hindernis für die Arbeit an der professionellen Pflegeverlaufskurve.<br />

Sie begrenzt die Arbeit an den multiplen Verlaufskurven der zu pflegenden Menschen in einer Weise, deren individuelle<br />

und gesellschaftliche Kosten in der Form der erreichten oder nicht erreichten Outcomes wie Lebensqualität,<br />

wie dem Aufrechterhalten, Aneignen oder systembedingten Vernichten von Kompetenzen in den beiden Pflegeformen<br />

erst nach und nach deutlich werden. Die Dominanz der medizinischen Sprache und <strong>des</strong> medizinischen Wissens,<br />

die durch den ökonomischen Diskurs noch verstärkt werden, erweist sich darüber hinaus als schwerwiegen<strong>des</strong> Hindernis<br />

für die Entwicklung der intraprofessionellen Beziehungen, für die Gestaltung der Arbeitsbeziehung Pflege/Medizin<br />

und für die interprofessionellen Beziehungen.<br />

Das Pflegewissen als symbolisches Kapital und intellektuelles Mittel, als wichtiger Anker und Bezugspunkt für die<br />

Herausbildung eines professionellen Selbst, Selbstkonzepts und professioneller Identitäten, kann bei einem symbiotischen<br />

Verhaftet-Bleiben im Medizinischen sein Potenzial nicht entfalten. Ebenso wenig kann die Bedeutung <strong>des</strong> medizinischen<br />

Wissens in Bezug auf die Erhaltung pflegerischer Kompetenzen in beiden Pflegeformen erfasst werden.<br />

Die Erfassung <strong>des</strong> aktuellen krankheitsbedingten Pflegebedarfs reicht für eine erfolgreiche Arbeit an den Pflege- und<br />

Krankheitsverlaufskurven nicht aus. Statt<strong>des</strong>sen muss die professionelle Pflege ihre Aufmerksamkeit auf die vor der<br />

Krankheit schon vorhandenen Pflegekompetenzen sowie auf das Pflegepotenzial <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen einschließlich<br />

seiner Lebenssituation lenken. Diese Pflegekompetenzen können durch das akute Krankheitsgeschehen<br />

tangiert werden und die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven beeinflussen. Der Fokus auf die Pflegekompetenzen <strong>des</strong><br />

zu pflegenden Menschen ist notwendig, damit die in der privaten wie in der öffentlichen Sphäre geleistete Arbeit an<br />

den Pflegeverlaufskurven und im Fall chronischer Errankungen auch die Arbeit an der Krankheitsverlaufskurve in<br />

den professionellen Blick gerät. Erst dies erlaubt, an die vorhandenen Pflegekompetenzen und -potenziale <strong>des</strong> zu<br />

pflegenden Menschen anzuknüpfen, deren Aufrechterhaltung zu unterstützen bzw. deren Anpassung an veränderte<br />

Lebensumstände zu fördern.<br />

Bei der Durchbrechung eingefahrener Gewohnheiten <strong>des</strong> Denkens und <strong>des</strong> Handelns kommt dem informellen Lernen<br />

am Arbeitsplatz eine Schlüsselfunktion zu. Auf diese Form <strong>des</strong> Lernens können die Führungskräfte in der Pflege<br />

Einfluss nehmen. Dazu müssen sie nicht nur den zwischen dem theoretischen Wissen (know-that) und dem praktischen<br />

Wissen (know-how) bestehenden Zusammenhang verstehen, sondern mit Blick auf die Entwicklung einer professionellen<br />

Expertise auch die Bedeutung und Funktionsweise so genannter Gewohnheiten in ihrer positiven wie<br />

negativen Form. Dies verlangt vor allem eine Beschäftigung mit dem täglichen professionellen Handeln und dem<br />

Arbeitsumfeld sowie mit den Teams (den intra- wie den interprofessionellen), in denen die Pflegekräfte arbeiten.<br />

Und es setzt die Identifikation der die Entwicklung der Pflegeexpertise fördernden Faktoren voraus. Dies wiederum<br />

verlangt ein differenziertes Verständnis von Expertentum, um die an den Rändern erfolgende Kompetenzentwicklung<br />

gezielt fördern zu können.<br />

479

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!