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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

Die Notwendigkeit, der Pflege die volle Zuständigkeit für ihren Autoritäts- und Zuständigkeitsbereich auf legaler<br />

wie betrieblicher Ebene zu geben, wurde anhand der Diskussion der Grenzarbeit ein weiteres Mal bestätigt. Bei der<br />

Artikulation <strong>des</strong> pflegerischen Autoritäts- und Zuständigkeitsbereichs erfolgt eine Grenzziehung zu anderen Berufen/Professionen.<br />

Über die Grenzarbeit wird das jeweilige ‚Hoheitsgebiet’ unter Bezugnahme auf das professionelle<br />

Wissenssystem abgesteckt.<br />

Grenzen und Grenzarbeit sind notwendig, um Rollenklarheit zu erlangen, und damit für die Entfaltung einer eigenständigen<br />

Praxis. Grenzen gehen Objekten voraus. Die Theorie <strong>des</strong> Pflegehandelns als Bestandteil <strong>des</strong> pflegerischen<br />

Wissenssystems in Form eines kognitiv-symbolischen Bezugsrahmens liefert die intellektuellen Mittel für die Konstruktion<br />

<strong>des</strong> Objekts ‚Professionelle Pflege’. Diese Mittel sind erforderlich, damit die Pflege sich als Profession bei<br />

der Neuausrichtung der diversen Arbeitsbeziehungen, sei es zum zu pflegenden Menschen, zu anderen Professionen<br />

oder auch Abteilungen, argumentativ von diesen abgrenzen und sich zugleich zu ihnen in Beziehung setzen kann.<br />

Sich von Anderen bzw. von etwas abzugrenzen und sich zu Anderen bzw. zu etwas in Beziehung zu setzen, ist ein<br />

wesentliches Merkmal der ‚Grenzarbeit<br />

Bei der zu leistenden Grenzarbeit sind Grenzverwischungen oder Grenzverzerrungen unvermeidbar. Hierbei werden<br />

das berufliche Selbst, das Selbstkonzept und die Identitäten in Frage gestellt. Eine Veränderung <strong>des</strong> pflegerischen<br />

Wissenssystems, in dem das medizinische Wissen nur eine von mehreren Wissensformen ist, verändert nicht nur<br />

die bisher bestehenden Grenzen, sondern auch die Überlappungs- oder Schnittstellenbereiche. Sie führt zu neuen<br />

Deutungen pflegerischer Phänomene. Über den Gebrauch <strong>des</strong> pflegerischen Wissenssystems bei der klinischen Entscheidungsfindung,<br />

bei der Gestaltung von Arbeitsbeziehungen, drückt die Pflege den Wert aus, den sie der Pflege<br />

als Profession beimisst und welche Werte sie mit dem Pflegen verbindet. Darüber hinaus vermittelt sie dadurch den<br />

pflegerischen Autoritäts- und Zuständigkeitsbereich auch gegenüber den Patienten und anderen Berufsgruppen.<br />

Die handlungsleitende Funktion <strong>des</strong> Wissens kommt beim Pflegehandeln in seiner kodifizierten, expliziten Form und<br />

in seiner nicht-kodifizierten, impliziten Form in vielfältiger Weise zum Tragen. Das kodifizierte Wissen umfasst als<br />

Teil <strong>des</strong> persönlichen Wissens die kognitiven Ressourcen, die ein Mensch in eine spezifische Situation einbringt und<br />

die es ihm erlauben zu denken. Ideen, Konzepte und Theorien verstanden als intellektuelle Werkzeuge und als<br />

‚Handlungsverläufe‘ werden zum Zwecke der Problemlösung mit anderen Handlungen verknüpft. Sie stellen intellektuelle<br />

Mittel der Situationsdefinition dar, mittels derer die Pflegekräfte pflegerische Phänomene wahrnehmen,<br />

benennen und problematisch gewordene pflegerische Situationen deuten, ein auf die Zukunft hin ausgerichtetes pflegerisches<br />

Handel gedanklich antizipieren und gemeinsam mit dem zu pflegenden Menschen planen. Es sind Werkzeuge<br />

in Form von Hypothesen, deren Brauchbarkeit sich im Handeln bewährt und die anhand der aus dem Handeln<br />

resultierenden praktischen Konsequenzen (Ergebnisse) bewertet werden.<br />

Die Nachzeichnung der historischen Entwicklungslinien hat die starke Wirkungsgeschichte der Heils- und der Heilpflege<br />

für die deutsche Pflege erneut deutlich gemacht und die Rolle der Krankheit als ein in beiden Welten beheimatetes<br />

Grenzobjekt identifiziert. Der Nachteil dieses Grenzobjekts für die Pflege besteht darin, dass es die Pflege an<br />

die Krankheit und an die beiden Welten fixiert und auf diese Weise die Herausbildung einer genuinen Identifikation<br />

mit der Pflege erschwert. Die Funktionalität dieses Grenzobjekts in einer Zeit, in der zunehmend chronische Krankheiten<br />

vorherrschen, muss bezweifelt werden, weshalb sich ein Wechsel <strong>des</strong> Grenzobjekts in Gestalt der Verlaufskurven<br />

bzw. multiplen Verlaufskurven anbietet. Die Attraktivität dieses Grenzobjekts besteht darin, dass es den Fokus<br />

auf die jeweils zu leistende Arbeit und deren prozesshaften Charakter lenkt. Ein anderes Grenzobjekt wurde in<br />

den Kompetenzen gesehen, ein Begriff, der ebenfalls in verschiedenen sozialen Welten beheimatet ist. Bei der Re-<br />

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