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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

reichs, aber auch hinsichtlich <strong>des</strong> Schnittstellenbereichs aus. Pflegekräfte wie Ärzte scheinen in traditionellen Rollenmustern<br />

und Gewohnheiten gefangen zu sein, deren Überwindung beiden Parteien erhebliche Anstrengungen abverlangt.<br />

Andererseits scheinen das traditionelle Spiel und die Beherrschung der Spielregeln den Pflegekräften auch<br />

die Möglichkeit zu geben, ihr Wissen in klinische Entscheidungsfindungsprozesse mit einzubringen (Manias/Street<br />

2001). Feministisch inspirierte Arbeiten haben diesen Beziehungstyp unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklungen<br />

in den letzten 50 Jahren mit der Frage untersucht, was passiert, wenn anstelle <strong>des</strong> (männlichen) Arztes eine<br />

Frau die Arztfunktion wahrnimmt (s. Gjerberg/ Kjølsrød 2001, Zelek/Philipps 2003, Loos 2006, Rothstein/Hannum<br />

2007, Sander 2009, Kada/Bruner/Maier 2010). Auch wenn alle Studien hier Veränderungen beobachten, scheinen<br />

laut Elisabeth Gjerberg/ Lise Kjølsrød (2001: 201) Veränderungen in der Geschlechterzusammensetzung <strong>des</strong> ärztlichen<br />

Berufsstands weder automatisch zu einem Abrücken vom traditionellen Arztbild 167 zu führen, noch zu einem<br />

grundlegenden inhaltlichen Wandel im Überlappungsbereich. Barbara Zelek und Susan P. Philipps (2003) stellten<br />

fest, dass sich Ärzte wie Pflegekräfte offen oder verdeckt einem Machtausgleich widersetzten, der die Voraussetzung<br />

für echte Teamarbeit ist. Als Hindernisse für eine auf Kooperation beruhende Zusammenarbeit zwischen Medizin<br />

und Pflege erweisen sich das vergeschlechtlichte Denken, unterschiedliche Lernstile, unterschiedliche Arbeitsmodelle<br />

und regulatorische Mechanismen, Rollenambiguität und inkongruente Erwartungen 168 . Im deutschsprachigen<br />

Raum haben u.a. Martina Loos (2006) und Kirsten Sander 169 (2008, 2009) diese Beziehung untersucht. Loos (2006)<br />

kommt in ihrer Dissertation <strong>zur</strong> Zusammenarbeit von Krankenpflegern und Ärztinnen zu dem Ergebnis, dass beide<br />

Seiten nach wie vor dem von Stein et al. beschriebenen traditionellen Doctor-Nurse-Game verhaftet bleiben. Beide<br />

Gruppen haben Konflikte mit der jeweils anderen Berufsgruppe, die sie offensichtlich nicht als gleichwertig erleben.<br />

Die verschiedenartigen Konflikte rühren aus einer unterschiedlichen Wahrnehmung der jeweiligen Arbeit der Anderen<br />

und der damit verbundenen Kompetenzen und aus dem Unvermögen beider Berufsgruppen, über ihre Arbeit und<br />

die aufkommenden Konflikte offen zu reden (s. auch Reibe 1999, Grahmann/ Gutwetter 2002, Knoll/Ledner 2008).<br />

Die veränderte geschlechtliche Zusammensetzung beider Berufsgruppen führt nicht per se zu einer anderen Form der<br />

Zusammenarbeit. Allerdings scheinen sich inzwischen an den Rändern Veränderungen abzuzeichnen. Diese machen<br />

das Spiel variantenreicher, situationsspezifischer, nicht jedoch konfliktärmer. Die zu beobachtenden Veränderungen<br />

hängen u.a. mit einer veränderten Wahrnehmung der eigenen Rolle und der Aufgaben durch die Pflegekräfte selbst<br />

zusammen 170 . Werden die Ergebnisse mit Blick auf die Neugestaltung <strong>des</strong> Überlappungsbereichs betrachtet, so weist<br />

keine der Studien auf eine grundlegende Veränderung hin.<br />

Unter die zweite Kategorie fallen vor allem Studien von Alan H. Rosenberg (s. 2002, 2006, 2010, 2011), der diesen<br />

Beziehungstyp aus der Sicht der Pflegekräfte, der Ärzte und schließlich auch aus der Sicht der Gesundheit einer Organisation<br />

beleuchtet hat. Auch bei ihm finden sich keine Hinweise auf eine Neugestaltung <strong>des</strong> Überlappungsbereichs.<br />

Werden die Untersuchungen zu den beiden erstgenannten Beziehungstypen zusammengefasst, dann werden<br />

167 Dieses wird offenbar nach wie vor in der medizinischen Ausbildung vermittelt.<br />

168 Ein Ergebnis von Zelek/Philipps (2003) besteht darin, dass Pflegekräfte besser mit Ärztinnen kommunizieren können. Sie verhalten<br />

sich eher ablehnend, wenn Ärztinnen von ihrer medizinischen Autorität Gebrauch machen. Ein anderes war die Wahrnehmung,<br />

dass, wenn Ärztinnen fürsorglicher und mitfühlender sind als ihre männlichen Kollegen, dies bei den Pflegekräften Konflikte<br />

hervorrufen kann, die ‚caring’ als zu ihrem Aufgabenbereich gehörend definiert haben und sich in dieser Aufgabe durch die<br />

Ärztinnen bedroht fühlen.<br />

169 Sander (2009: 174ff) hat sich u.a. mit der Thematik der Grenzarbeit und dem Zuständigkeitsbereich befasst. Sie beschreibt einen<br />

zweiseitigen Prozess der Herstellung von Zuständigkeit und der Aberkennung von Zuständigkeit. Die Praxis <strong>des</strong> Herstellens<br />

von Zuständigkeit untersucht Sander anhand der Praxis <strong>des</strong> Austauschs von kleinen Gefälligkeiten, der Praxis der Herstellung<br />

ärztlicher Entscheidungen, der Praxis der Dokumentation und an der Praxis <strong>des</strong> Sprechens.<br />

170 Trotz der in anderen Ländern erfolgenden Übernahme von Aufgaben aus dem ärztlichen Bereich und einer verstärkten Wahrnehmung<br />

<strong>des</strong> eigenverantwortlichen Bereichs vor allem in Zusammenhang mit chronisch Kranken, wird die zwischen beiden Berufsgruppen<br />

bestehende Arbeitsbeziehung vielfach noch im traditionellen Sinn von beiden Seiten gesehen (s. Snelgrove/Hughes<br />

2000).<br />

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