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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

Erstaunlicherweise wird in Studien zum CR dem pflegetheoretischen und konzeptionellen Pflegewissen 165 wenig<br />

Aufmerksamkeit geschenkt, ungeachtet der handlungsleitenden Funktion, die dieses Wissen haben könnte. So erwähnt<br />

Huckabay (2009: 76) Pflege<strong>theorie</strong>n nur neben anderen theoretischen Bezugsrahmen wie Pathophysiologie<br />

oder psychosozialen Theorien, während Banning (2007) in ihrem Übersichtsartikel auf unterschiedliche Modelle der<br />

klinischen Entscheidungsfindung eingeht. In ihrer Literaturanalyse <strong>zur</strong> CR kommt Christine Tanner (2006: 205f) zu<br />

dem Schluss, dass CR von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird wie z.B. von dem, was eine Pflegekraft in eine<br />

Pflegesituation mit einbringt, also ihr implizites bzw. explizites Wissen und ihre Erfahrungen und in einem gewissen<br />

Umfang ihre Kenntnis über den zu pflegenden Patienten und <strong>des</strong>sen Sorgen/Anliegen sowie von dem Kontext, innerhalb<br />

<strong>des</strong>sen sich die Pflege abspielt, und von der Kultur auf der entsprechenden Station.<br />

Ein anderer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang betrifft die Gestaltung der Beziehungen zu anderen Pflegekräften.<br />

Die Pflegekraft-Patient-Beziehung im engeren Sinn ist davon geprägt, dass mehrere Pflegekräfte mit dem<br />

gleichen Patienten arbeiten. Die Anzahl der Personen wird dabei von verschiedenen Faktoren beeinflusst, wie der<br />

gewählten Organisationsform, der Dienstplangestaltung (z.B. Dreischicht- oder Zweischichtsystem) oder der Binnendifferenzierung<br />

innerhalb <strong>des</strong> Pflegeteams (Qualifikationsmix). Mit Blick auf die Kontinuität der Patientenversorgung,<br />

also auf die Kontinuität an der Arbeit multipler Verlaufskurven kann die Bedeutung der Verbalisierung der<br />

Praxis nicht stark genug betont werden (Richardson et al. 2004: 204). Die Artikulation <strong>des</strong> eigenen Handelns ist ein<br />

erster Schritt, der Pflegekräfte befähigt, die Gründe für ihre Entscheidungen in klinischen Begegnungen kritisch zu<br />

hinterfragen. Über CR zu sprechen hilft, den Charakter und das Ausmaß <strong>des</strong> generierten und angewandten Wissens<br />

in der Praxis zu konsolidieren und zu legitimieren Die Auseinandersetzung mit den Kollegen/-innen erlaubt zu bestimmen,<br />

welche Aspekte der Arbeit an den Pflege- und Krankheitsverlaufskurven als erfolgreich im Sinne der Erhaltung<br />

der Pflegekompetenzen <strong>des</strong> Patienten und Förderung eines positiven Selbst/Selbstkonzepts wahrgenommen<br />

werden. Wie wichtig ein unterstützen<strong>des</strong> und das Lernen fördern<strong>des</strong> Umfeld ist, belegen nicht nur die unter 9.3.2 und<br />

9.4.2 referierten Studien. Mary Schoessler und Joyce Farish (2007) haben 30 erfahrene Pflegekräfte <strong>zur</strong> ihrer persönlichen<br />

Entwicklung befragt, um Schlüsselerfahrungen dieser Entwicklung zu identifizieren. Sie haben einen aus drei<br />

Prozessen bestehenden Entwicklungskern aus den Antworten <strong>des</strong>tilliert, die sich wechselseitig bedingen. Hierzu gehört<br />

der Prozess <strong>des</strong> inneren Strebens, der Wunsch, das Beste zu geben, und ein Prozess, der der Steigerung der<br />

Selbstwertschätzung dient. Dieser Entwicklungskern wird durch zwei sekundär verstärkende Feedbackschleifen, Unterstützung<br />

und Belohnung, gestärkt. Belohnung, verstanden als Rückmeldung von den Patienten, diente vor allen<br />

dazu, den zweiten Entwicklungsprozess, das Beste zu geben, zu verstärken. Sie begreifen die beiden Feedbackschleifen<br />

Unterstützung und Belohnung als einen Schlüssel zum Lernen und <strong>zur</strong> Bildung von ‚Learning Communities‘.<br />

Auch sie betonen die Rolle, die den Kollegen/-innen bei der professionellen Entwicklung zukommt. Als Lernbarrieren<br />

erweisen sich in diesem Zusammenhang Hinterhältigkeit und hinter dem Rücken <strong>des</strong> anderen schlecht zu sprechen.<br />

Ein anderer Faktor war das Gefühl, die Arbeit nicht fertig zu bekommen. (s. Schoessler/Farish 2007: 174). Das<br />

im vorherigen Abschnitt erwähnte informelle Lernen wurde von Darlaine Jantzen (2008) mit Hilfe von Interviews<br />

und anhand der Geschichten von Pflegekräften zu positiven Lernerfahrungen untersucht. Thematisiert wurde das<br />

Lernen durch Erfahrung ebenso wie die Bedeutung eines unterstützenden Umfelds und unterstützender Anderer. Die<br />

Art <strong>des</strong> Lernens und die Situationen, aus denen gelernt wurde, variierten. Sie zeigten, dass unerfahrene von erfahrenen<br />

Pflegekräften lernen oder wie Pflegekräfte ihr Erfahrungswissen aus verschiedenen klinischen Bereichen in eine<br />

klinische Situation einbringen und so voneinander lernen können. Der Zusammenarbeit mit klinisch kompetenten<br />

Kolleginnen für die Entwicklung von Kompetenzen in der klinischen Entscheidungsfindung sowie im Bereich der<br />

165 Auch in dem Buch von Rosalinda Alfarao-LeFebre (2007) über Critical Thinking and Clinical Judgement findet sich kein<br />

Hinweis auf die Rolle von Pflege<strong>theorie</strong>n, ebenso wenig wie in dem im deutschsprachigen Raum von Berta Schrems (2008) vertretenen<br />

Ansatz einer verstehenden Pflegediagnostik.<br />

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