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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

und diese vor dem Hintergrund ihres jeweiligen Wissens und ihrer Erfahrungen beurteilen, ist es wichtig, diese<br />

Sichtweisen bei der kollaborativen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen (Higgs et al 2004: 188f). Es geht also<br />

um ein Nachvollziehen und um ein Verstehen der verschiedenen Dimensionen der Krankheitserfahrung sowie der<br />

Pflege- und Lebenserfahrungen <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen. Dieses Verständnis kann auch ein Licht auf die Muster<br />

der Beziehungsgestaltung <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen werfen. Die Kenntnis derselben ist nicht unwesentlich, da im<br />

Rahmen der klinischen Entscheidungsfindung neben der Situationsdefinition auch eine Zuweisung von Rollen zwischen<br />

Pflegekraft und zu pflegendem Menschen erfolgt, die sinnvollerweise ebenfalls geklärt werden sollten 163 . An<br />

dieser Stelle kommt die Kompetenz der Pflegekraft <strong>zur</strong> Gestaltung von Beziehungen zum Tragen. Diese kann, je<br />

nachdem wie der zu pflegende Mensch in dieser Beziehung gesehen wird, unterschiedliche Formen und Qualitäten<br />

annehmen. In diesem Kontext ist auch die Diskussion über den Patienten als Partner (s. bspw. Gallant/Beaulieu/Carnevale<br />

2002, Leenerts/Teel 2006), als Konsument oder auch als passives Objekt zu sehen, hinter<br />

welchen Möglichkeiten sich nicht nur unterschiedliche Modelle der Beziehung Professioneller-Patient 164 verbergen,<br />

sondern auch unterschiedliche Formen der Beteiligung <strong>des</strong> Patienten an der Entscheidungsfindung. Darüber hinaus<br />

kann sich aufgrund situativer Umstände das Ausmaß der Partizipation <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen und seiner Bezugspersonen<br />

ebenso ändern wie die Rolle der beteiligten Personen. Hervorzuheben ist, dass die klinische Entscheidungsfindung<br />

einer Pflegekraft ‚ortsgebunden‘ oder ‚situiert‘ ist. Sie ist an den Kontext der lokalen Station bzw. die<br />

Funktionseinheit, an das Wissen der Professionellen ebenso wie an das <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen gebunden. Sie<br />

ändert sich, da das kontextuelle Wissen zeitlich sowie zwischen Orten und Personen schwankt (s. Clarke/Wilson<br />

2008: 109). Prinzipiell bietet die klinische Entscheidungsfindung als kollaborative Entscheidungsfindung den beteiligten<br />

Personen nach Peplau die Möglichkeit, aus der klinischen Begegnung vor allem während der so genannten Arbeitsphase<br />

(s. Peplau, Kap. 5.4.3) zu lernen.<br />

Es ist nicht beabsichtigt, hier auf sämtliche Facetten der klinisch-kollaborativen Entscheidungsfindung einzugehen.<br />

Mit Blick auf die Umsetzung der pragmatistisch-interaktionistischen Theorie <strong>des</strong> Pflegehandelns und der Arbeit an<br />

multiplen Verlaufskurven bietet die Reflexion der klinischen Entscheidungsfindung den Pflegekräften und Pflegeführungskräften<br />

die Chance, ihre Kompetenzen weiter zu entwickeln. Es soll der Hinweis genügen, dass die Reflexion<br />

klinischer Entscheidungssituationen ihnen erlaubt, eine gewisse Wachheit dafür zu entwickeln, in welcher Weise<br />

ihre persönliche Geschichte, d.h. ihre Erfahrungen mit dem Gepflegtwerden durch andere, ihre Art, Beziehungen mit<br />

Patienten zu gestalten, prägt. Dies ist wichtig, um vorherrschende und der Situation <strong>des</strong> Patienten nicht förderliche<br />

Beziehungsmuster in fördernde Beziehungsmuster zu transformieren und um die eigenen Muster bei der Beteiligung<br />

<strong>des</strong> zu pflegenden Menschen an den unterschiedlichen Situationen erkennen zu können. Dabei gilt es auch, sich eigener<br />

gefährlich werdender, schmerzhafter und schwieriger, abgewehrter Emotionen bewusst zu werden, die nach<br />

Tony Warne/Sue McAndrew (2008: 109) in verkleideter Form im Bewusstsein präsent sind und der Interpretation<br />

bedürfen. Es sei wichtig zu verstehen, wie Anfänger/-innen das Wesen einer therapeutischen Beziehung erfassen, um<br />

sich ihre Naivität für ihr Lernen im Bereich <strong>des</strong> persönlichen und <strong>des</strong> interpersonalen Wissens für eine Transformation<br />

zu Nutze zu machen. Sie verstehen Lernen als etwas, das am besten erfolgt, wenn an den Rändern zwischen Wissen<br />

und Nichtwissen gearbeitet wird (Warne/McAndrew 2008: 110).<br />

163 Hierzu zählen sie u.a. (1) ihre Gefühle, insbesondere ihre Befürchtung, krank zu sein, (2) ihre Vorstellungen über das, was<br />

falsch mit ihnen ist und die Basis ihrer Vorstellungen, (3) die Auswirkungen ihrer Probleme auf ihr Leben; (4) ihre Erwartungen,<br />

was getan werden sollte, (5) ihr Gefühl der Handlungsfähigkeit oder Hilflosigkeit (Higgs et al 2004: 190).<br />

164 Oeseburg/Abma (2006: 350) unterscheiden in Anlehnung an Emanuel/Emanuel vier Arten von Beziehungen zwischen Patient<br />

und Professionellen. Diese sind: das paternalistische Modell, dass Konsumenten oder informative Modell, das interpretative Modell<br />

und das beratende Modell.<br />

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