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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

gemessene Entscheidungen treffen. In der Beziehung zum zu pflegenden Menschen und bei ihrer Arbeit an seinen<br />

multiplen Verlaufskurven demonstriert sie ihre Fähigkeit <strong>zur</strong> eigenständigen Entscheidungsfindung und <strong>zur</strong> Verantwortungsübernahme<br />

für ihr Handeln (s. Pkt. 9.2, Kap. 4). Dabei zeigt sie auch, inwieweit sie in der Lage ist, den zu<br />

pflegenden Menschen aktiv in die klinische Entscheidungsfindung einzubeziehen. Dass dies keine einfache Aufgabe<br />

ist, wird in der Literatur inzwischen erkannt, wie auch der Umstand, dass die Nutzung von Pflege<strong>theorie</strong>n noch keine<br />

Garantie dafür ist, dass der Patient und sein Pflegebedarf tatsächlich den Ausgangspunkt <strong>des</strong> pflegerischen Handelns<br />

bilden (s. Orchard 2010: 249). Aus diesem Grund kommt der Reflexion der Geschehnisse in der Pflegekraft-Patient-<br />

Beziehung für die Entwicklung der klinischen Entscheidungsfindung, d.h. <strong>des</strong> eigenen Denkens, für die Entwicklung<br />

der dafür erforderlichen inter- und intrapersonaler Kompetenzen sowie schließlich der Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme<br />

einschließlich <strong>des</strong> intelligenten Mitfühlens die zentrale Rolle zu.<br />

Dabei ist die klinische Entscheidungsfindung nicht auf die Phase der Pflegeanamnese und der Feststellung von Pflegediagnosen<br />

beschränkt. Diese Fähigkeit begleitet das gesamte Pflegehandeln. Sie kann in so genannten problematischen<br />

Situationen ins Bewusstsein treten. Aus der Sicht der pragmatistisch-interaktionistischen Theorie <strong>des</strong> Pflegehandelns<br />

kann die problematische Situation sowohl aus der Perspektive <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen definiert werden,<br />

also als Situation, in der es zu einer Handlungsunterbrechung in einer oder in beiden Pflegeformen <strong>des</strong> zu pflegenden<br />

Menschen kommt, wie als Situation, die von Seiten der Pflegekraft als problematisch definiert wird. Das<br />

kann eine Situation sein, in der ihr eigenes Handeln aufgrund einer unbekannten Größe ins Schwanken gerät, oder in<br />

der sie beim Patienten etwas bemerkt, das diesem nicht bewusst ist oder von ihm nicht als problematisch erlebt wird.<br />

Die von einer Pflegekraft und die von dem zu pflegenden Menschen identifizierten problematischen Situationen<br />

können, müssen aber nicht übereinstimmen. Sie können sogar stark differieren und eine Verständigung zwischen der<br />

Pflegekraft und dem zu pflegenden Menschen erforderlich machen.<br />

Marit Kirkevold unterscheidet verschiedene Pflegesituationen, die für die Beteiligten je andere Herausforderungen<br />

beinhalten und der professionellen Pflegekraft ein entsprechen<strong>des</strong> Wissen und Kompetenzen abverlangen. Sie differenziert<br />

zwischen Akutsituationen, problematischen Situationen, nicht-problematischen Situationen und problemidentifizierenden<br />

Situationen (Kirkevold 2002: 50). Diese Situationen unterscheiden sich in Hinblick auf<br />

• „die Überlegungen, die die Pflegekraft in der Situation anstellt (klinische Beurteilungen und Entscheidungen)<br />

• die Zeit, die der Pflegekraft <strong>zur</strong> Verfügung steht, um klinische Entscheidungen zu treffen und die nötigen<br />

Handlungen durchzuführen<br />

• die Forderungen an die Situation selbst (welche Ziele oder Werte sollen/sollten/ müssen verwirklicht werden)<br />

• die Handlungen, die der Pflegekraft abverlangt werden […]“ (Kirkevold 2002: 50f).<br />

Diese vier Situationstypen können aus der Perspektive der Pflegekraft, aus der <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen, aber<br />

auch aus einer übergeordneten Sicht betrachtet werden, indem die unterschiedlichen Perspektiven der an der Patientenversorgung<br />

beteiligten Personen (Laien, Professionelle) mit reflektiert werden. Was davon konkret realisiert wird,<br />

ist, worauf Kirkevold zu Recht hinweist, u.a. eine Frage <strong>des</strong> aktuellen Handlungsdrucks. Dieser stellt sich in einer<br />

lebensbedrohlichen Situation anders dar, als in einer Situation, wo Zeit zum Abwägen und <strong>zur</strong> Verständigung bleibt.<br />

Wieder eine andere Situation entsteht, wenn die Arbeitssituation die Pflegekraft zu Aktionismus oder unreflektiertem<br />

reaktiven Handeln verleitet.<br />

Die Aufgabe der Pflegekräfte in Bezug auf die klinische Entscheidungsfindung besteht nach Higgs et al. (2004: 187)<br />

darin, eine Kohärenz zwischen den Denkprozessen <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen und den eigenen zu schaffen. Hier-<br />

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