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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

zentrale Rolle spielt, wird der Schwerpunkt auf den so genannten ‚critical incidence‘ (s. Benner et al 1996, 1999)<br />

und weniger auf das professionelle Alltagshandeln gelegt, das Gegenstand <strong>des</strong> Ansatzes der PD ist. Nach Titchen/Hardy<br />

(2009: 58) sollten Pflegeführungskräfte ihren Blick sowohl auf die alltägliche Praxis wie auf herausragende<br />

Situationen unterschiedlichster Art richten. Hierbei kann die von Eraut (2007) entwickelte Typologie <strong>des</strong> informellen<br />

Lernens hilfreich sein, die sich gut mit dem Handlungsmodell Meads, <strong>des</strong>sen Zeitverständnis und mit dem<br />

Konzept der Verlaufskurve verknüpfen lässt. Ein kritischer Punkt bei in der Arbeit ausgebildeten Gewohnheiten ist,<br />

dass nicht jeder die Gelegenheit wahrnimmt, seine eigene Praxis zu bewerten. Ein anderer problematischer Aspekt<br />

besteht darin, dass es in vielen Fällen schwierig ist, Routinen aus der Praxis, in die sie eingebettet sind, so zu entwirren,<br />

das sie beschrieben oder bewertet werden können. Das Vertrackte an Routinen/Gewohnheiten ist, dass mit ihrer<br />

Beschreibung und Bewertung die Gefahr besteht, dass sich ihre Nützlichkeit reduziert. Diese besteht darin, dass man<br />

sich auf sie verlassen kann und über sie nicht nachdenken muss (s. Eraut/Hirsh 2007: 21). Eine andere Situation liegt<br />

vor, wenn Routinen nicht aus gesteigertem Können abgeleitet werden, sondern aus Copingmechanismen, die ohne<br />

Berücksichtigung der Qualität <strong>zur</strong> Bewältigung der Arbeitslast entwickelt wurden. Ihr Nachteil ist die fehlende Flexibilität.<br />

Nach Eraut/Hirsh (2007: 21) sind Routinen schwer zu verändern, nicht nur weil dies eine negative Bewertung<br />

der vorherigen Praxis impliziert, sondern auch, weil solche Veränderungen immer mit einer Periode der Desorientierung<br />

einhergehen, in der alte Routinen verlernt und neue schrittweise entwickelt werden müssen. Während<br />

dieser Zeit fühlen sich die Praktiker wie Novizen, ohne sich dafür entschuldigen zu können. Der Schmerz der Veränderung<br />

liegt im Verlust der Kontrolle über die eigene Praxis, wenn das stillschweigende Wissen nicht mehr die notwendige<br />

Unterstützung bietet und der emotionale Aufruhr die eigene Motivation reduziert. Folglich wird Zeit benötigt<br />

sowie eine entsprechende Unterstützung. Die geforderten Veränderungen betreffen die personale und professionelle<br />

Identität sowie das professionelle Selbstkonzept. Bei einer Veränderung von Routinen stehen all diese Dinge<br />

<strong>zur</strong> Disposition, wenn die einzelne Person in ihrem Kern berührt wird und sich berühren lassen muss, damit nachhaltige<br />

Veränderungen greifen.<br />

Umso wichtiger ist es zu verstehen, dass die Lernmöglichkeiten <strong>des</strong> Einzelnen von der Organisation der Arbeit wie<br />

von guten Beziehungen innerhalb und außerhalb <strong>des</strong> Teams abhängen. Diese Erkenntnisse werden durch die bisher<br />

vorliegenden Erfahrungen mit der Praxisentwicklung gestützt. Hiernach bedarf es <strong>zur</strong> Ausbildung einer Praxis-<br />

Expertise so genannter ermöglichender Faktoren (s. Pkt. 9.1.1.2). Wichtige Faktoren, die das Lernen am Arbeitsplatz<br />

beeinflussen, sind das Vertrauen in die Professionellen einerseits und anderseits die Rolle, die die Führungskräfte<br />

bei der Unterstützung <strong>des</strong> Lernens wahrnehmen. Vertrauen, Herausforderungen und eine gefühlte Unterstützung<br />

sind für das Lernen wichtig. Hierauf können Führungskräfte durch ihr Handeln positiv einwirken, indem sie ein<br />

Lernklima schaffen, das die Mitarbeiter ermutigt, Verantwortung zu übernehmen, Vertrauen fördert und die erforderliche<br />

Unterstützung gewährt (s. auch Hirsh et al 2004, O’Rourke 2007, Schoessler/Farish 2007, Williams 2010).<br />

Untersuchungen zum arbeitsplatzbezogenen Lernen zeigen, dass das Wissen der Führungskräfte um ihre Rolle und<br />

ihre Kenntnisse darüber, wie sie Entwicklungsprozesse auf individueller und teambezogener Ebene anstoßen und gestalten<br />

können, wenig ausgeprägt und eher entwicklungsbedürftig ist (s. Eraut/Hirsh 2007, Silverman 2004, s. auch<br />

Pkt. 9.1.1.3). Nach Eraut (2008: 27) ist die Rolle der Stationsleitungen bei der Unterstützung <strong>des</strong> Lernens eine recht<br />

komplexe. Sie beinhaltet die Identifikation von Fähigkeiten/Fertigkeiten und <strong>des</strong> Lernbedarfs der einzelnen Mitarbeiter<br />

und <strong>des</strong> Teams in Bezug auf die zu erreichenden Outcomes. Es geht um Bildungsplanung und -angebote im weitesten<br />

Sinn, um die Umsetzung von Angeboten (inkl. Coaching) und um die Evaluation der Lernerfolge (outcomes).<br />

Mit den Worten von Spivak/Smith/Logsdon (2011) müssen Führungskräfte wissen, wie sie Pflegekräfte zu klinischen<br />

Experten entwickeln können, wie sie sie halten können und wann sie sie gehen lassen sollten. Weiter sollten<br />

sie dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiterinnen die Autorität haben, das Gelernte in die Praxis umzusetzen, um so<br />

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