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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

beit mit anderen Gesundheitsprofessionen nachhaltig verändern 144 (s. hierzu auch Mundinger 1980, Liaschenko/Fisher<br />

1999). Theorien werden laut Eraut (2003: 61) anhand ihrer Nützlichkeit und Leistungsfähigkeit für<br />

das Handeln sowie nach ihrer Anpassungsfähigkeit in Bezug auf die eigenen wahrgenommen Ziele beurteilt. Ein anderer<br />

Punkt ist, ob die Professionellen gelernt haben, diese Theorien zu nutzen (Eraut 2003: 62). Gerade dieser Aspekt<br />

<strong>des</strong> professionellen Lernens ist nicht selten ein Schwachpunkt <strong>des</strong> Studiums bzw. der Ausbildung. Daraus folgt,<br />

dass die Sinnhaftigkeit der pragmatistisch-interaktionistischen Theorie <strong>des</strong> Pflegehandelns für die Praxis sich nicht<br />

allein auf der abstrakten Ebene beurteilen lässt. Sie kann nur durch ihre Nutzung in der Praxis und durch die Reflexion<br />

ihrer Folgen erkannt und erfahren werden. Erst durch den aktiven Gebrauch kann das Verständnis der enthaltenen<br />

Konzepte vertieft und erweitert werden, wobei die Konzepte durch die Anpassung an die Erfordernisse der jeweiligen<br />

Situation immer wieder de- und rekonstruiert werden. Sie sind dynamisch und nicht statisch.<br />

Ein anderer kritischer Punkt ist, dass Theorien häufig in den personenbezogenen professionellen Gewohnheiten 145<br />

verkörpert sind, die durchaus ohne ein Verständnis ihrer theoretischen Grundlage erlernt worden sein können 146 . Das<br />

Erkennen der impliziten handlungsleitenden Theorien ist für die professionell Pflegenden außerordentlich wichtig.<br />

Ihre Kenntnis hilft, das auf persönlichen Theorien basierende Handeln unter die kritische Kontrolle <strong>des</strong> eigenen<br />

Handelns zu bringen. Kritisches Denken und Reflexion sind die hierfür geeigneten Mittel, auch wenn die Theorien<br />

nicht leicht zu artikulieren sind (s. auch Garbett 2004: 167ff, Reed/Lawrence 2008). Sich der dem eigenen Handeln<br />

zugrunde liegenden Theorien nicht bewusst zu sein, ist nach Eraut (2003: 62) gleichbedeutend damit, für die Folgen<br />

dieser Handlungen nicht verantwortlich zu sein. Implizite Theorien können infolge der unbewussten Ansammlung<br />

von Erfahrungen ähnlicher Situationen oder durch die Teilnahme in einer ‚Praxisgemeinschaft‘ entstehen, für die<br />

gewisse implizite Theorien ein Teil ihrer selbstverständlichen Welt sind. Implizite Theorien können mit dem Selbst-<br />

Image <strong>des</strong> Wissenden in Konflikt geraten oder mit Theorien, die <strong>zur</strong> Rechtfertigung <strong>des</strong> Handelns benutzt werden.<br />

Argyris /Schön unterscheiden zwischen einer vertretenen (Handlungs-) Theorie (espoused), die oft ideologischer Natur<br />

ist und während der Ausbildung/dem Studium angeeignet wurde, und einer handlungsleitenden Theorie (theoryin-use),<br />

die das aktuelle Tun der Menschen bestimmt.<br />

Neben den persönlichen Theorien als Teil <strong>des</strong> persönlichen Wissens müssen Führungskräfte auch jenen Theorien<br />

Aufmerksamkeit schenken, die als Teil <strong>des</strong> kulturellen Wissens, das Handeln der einzelnen Menschen in einem<br />

Team und in einem Krankenhaus leiten. Es geht um Wissenserzeugung als sozialer Prozess, <strong>des</strong>sen Ergebnis die<br />

Form von kodifiziertem Wissen annehmen kann oder die von geteilten Bedeutungen und eines geteilten Verständnisses<br />

(s. Eraut 2008: 405). In der Arbeit spielt darüber hinaus das nicht kodifizierte kulturelle Wissen eine wichtige<br />

Rolle. Hierbei wird offenbar allgemein unterstellt, dass ein beachtlicher Teil dieses Wissens informell durch die<br />

Teilnahme an sozialen Aktivitäten erworben wird. Viel von diesem Wissen wird als selbstverständlich vorausgesetzt,<br />

so dass den Menschen der Einfluss dieses Wissens auf ihr Verhalten nicht bewusst ist. Neben den vorherrschenden<br />

kulturellen Praktiken und Diskursen der verschiedenen Professionen und ihrer Fachdisziplinen durchdringt das kulturelle<br />

Wissen in einem Team bzw. einer Organisation die Vorstellungen/Überzeugungen und das Verhalten der Kolleginnen,<br />

der Klienten und der allgemeinen Öffentlichkeit (Eraut 2008: 405f). Die Nutzung von Theorien und ihre<br />

144<br />

Im Sinne einer Konfliktprävention müssen die Rollen und Beziehungen zwischen den einzelnen Professionen neu geklärt werden.<br />

145<br />

Der Theorietyp, verstanden als professionelle Ideologie, spielt eine wichtige Rolle für die Aufrechterhaltung der professionellen<br />

Identität. Dieser Typ leitet sich normalerweise aus ethischen Prinzipien ab, die von Philosophen artikuliert wurden und zum<br />

Teil aus kulturellen Annahmen über die Rolle einer Profession bestehen, die in einer bestimmten Gesellschaft vorherrschen.<br />

146<br />

Eraut (2003: 62) fragt, in welchem Sinn von einer verkörperten Theorie gesagt werden [kann], dass ‚sie genutzt‘ wird? Und<br />

von welcher Bedeutung ist sie, wenn die PraktikerInnen sich ihrer Bedeutung nicht bewusst sind? Das Problem ist, dass, wenn<br />

sich der Kontext oder die Bedingungen ändern, oder eine Integration mit anderen Theorien erforderlich ist, eine explizitere Berücksichtigung<br />

verkörperter Theorien notwendig wird.<br />

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