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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

(s. Pkt. 9.3). Als kodifiziertes und Teil <strong>des</strong> persönlichen Wissens einer Pflegekraft kann es als kognitive Ressource in<br />

Pflegesituationen genutzt werden. Es kann sowohl explizit wie implizit sein, auch können Theorien verschiedenen<br />

Quellen entstammen und bewusst eingesetzt werden, ihre Nutzung kann aber auch unbewusst bleiben.<br />

Für die Pflegepraxis und für die Herausbildung der Kompetenz <strong>zur</strong> klinischen Entscheidungsfindung ist wichtig zu<br />

verstehen, dass die soziale und die individuelle Bedeutung, die den Theorien im allgemeinen beigemessen wird, zum<br />

einen durch die Kontexte geformt wird, in denen sie angeeignet werden und zum anderen durch die Kontexte, in denen<br />

sie genutzt werden (s. Eraut 2003: 63, 2007a: 3). Auch wenn, wie Rauner (2006: 17) für die berufliche Bildung<br />

feststellt,<br />

„die Frage, welchen Erklärungswert und welche handlungsleitende Qualität […] fachtheoretisches Wissen in<br />

Bezug auf eine konkrete berufliche Handlung hat, bisher kaum geklärt ist“ 142 ,<br />

wird in der arbeitsplatzbezogenen Bildungsforschung unterstellt, dass Theorien ungeachtet der ihnen zugeschriebenen<br />

Rolle die Praxis stillschweigend beeinflussen. Sie sind in den Arbeitsweisen der Pflegekräfte verkörpert. Sie<br />

können in der Profession oder vom Team geteilt werden. Es kann sich aber auch um persönliche Theorien einer Pflegekraft<br />

handeln, durch die sie sich von anderen zu unterscheiden sucht. Darüber hinaus wird die persönliche Bedeutung<br />

von Theorien/Konzepten von der Anzahl der Kontexte geformt, in denen sie genutzt werden (s. Eraut 2003: 63;<br />

2007a: 3f). Nach Reed/Lawrence (2008: 424f) beherrschen in der Pflege gegenwärtig zwei ‚Paradigmen‘ die Diskussion<br />

um das Praxiswissen. Das eine Paradigma wird von den Vertreterinnen einer evidenz-basierten Praxis vertreten,<br />

während das Paradigma <strong>des</strong> intuitiven Experten auf den Arbeiten von Patricia Benner gründet (s. auch Pkt. 9.4.2).<br />

Beide Paradigmen werden als un<strong>zur</strong>eichend für die Beschreibung der Komplexität pflegerischer Praxis erachtet (s.<br />

hierzu auch Purkis/Bjorndottir 2006). Als Alternative dazu wird das Paradigma <strong>des</strong> ‚practice-based knowledge‘ gesehen,<br />

das die zuvor genannten Paradigmen aufgreift und deren Schwächen aufzufangen sucht. Es erkennt praktizierende<br />

Pflegekräfte als Produzentinnen von Wissen an und ermöglicht und unterstützt die Wissensproduktion (s.<br />

Reed/Lawrence 2008: 425). Ähnlich wie im Ansatz der PD geht es um die Anerkennung der vielfältigen Wissensformen<br />

und um die Schaffung von Räumen, die das Gespräch <strong>zur</strong> Erkundung <strong>des</strong> Werts und <strong>zur</strong> Entwicklung einer<br />

Vielzahl von Ansätzen der Wissensentwicklung und der Lösung von Problemen ermöglichen. In diesem Kontext<br />

werden Theorien als Instrumente der Wissensentwicklung verstanden. Hierbei wird ein weitreichender Theoriebegriff<br />

unterstellt. Das Wesen der Pflege verlangt den Pflegekräften neben theoretischem (konzeptuellem) Denken<br />

auch das Sprechen über ihr Wissen ab 143 (Reed/Lawrence 2008: 426). Diesem Paradigma lässt sich auch das pragmatistisch-interaktionistische<br />

Wissensverständnis zuordnen, insofern ein handlungsbasierter Wissensbegriff unterstellt<br />

und vom Primat der Praxis ausgegangen wird (s. auch Strübing 2007: 127).<br />

Auf der konzeptuellen wie auf der Handlungsebene zieht die Entscheidung für eine aktive Nutzung pflegetheoretischer<br />

Ansätze gleich welcher Art Veränderungen nach sich. Sie kann mit einer Verlagerung <strong>des</strong> Schwerpunkts der<br />

Arbeit von Führungskräften in Richtung einer Stärkung der Führungsrolle sowie mit einer Veränderung der Beziehung<br />

zwischen Führungskraft und MitarbeiterIn verbunden sein (s Laurent 2000: 84ff). Die explizite Nutzung von<br />

pflegetheoretischen Ansätzen ändert nach Marie Manthey (1991: 29) die Erwartungen an die Pflegekräfte. Nicht nur<br />

das Verständnis der diversen pflegerischen Erfordernisse eines Patienten kann sich wandeln, sondern auch die Prioritäten<br />

der Versorgung. Dies kann mit Folgen für den Ressourceneinsatz verbunden sein und kann die Zusammenar-<br />

142<br />

Weiter schreibt Rauner (2006: 17), dass schon viel gewonnen ist, wenn nach Kriterien der Plausibilität und Logik ein Zusammenhang<br />

hergestellt wird zwischen handlungsleitendem Wissen und beruflichem Können; handlungserklärendem Wissen und<br />

Verstehen, handlungsreflektierendem Wissen und der Fähigkeit der Bewertung einer Arbeitshandlung nach Kriterien, mit denen<br />

die Gebrauchswertqualität <strong>des</strong> Ergebnisses quantifiziert und qualifiziert bewertet werden kann.<br />

143<br />

In der Fähigkeit, die Pflege artikulieren zu können, wird der qualitative Unterschied zwischen einer professionellen und einer<br />

technischen Pflegekraft gesehen.<br />

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