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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

deln in positiver Weise <strong>zur</strong> Rechenschaft 138 (positive accountability) gezogen werden (s. Kramer/Schmalenberg<br />

2004: 45). Kramer/Schmalenberg (2008: 60f) definieren klinische Autonomie auf der Basis von Interviewdaten mit<br />

Pflegekräften, Pflegeführungskräften und Ärzten folgendermaßen:<br />

„Autonomie ist die Freiheit, auf der Basis deines Wissens zu tun, was im besten Interesse <strong>des</strong> Patienten ist. […]<br />

unabhängige bzw. eigenständige Entscheidungen in der Pflegesphäre der Praxis zu treffen und wechselseitig abhängige<br />

Entscheidungen in der Sphäre, wo die Pflege sich mit anderen Disziplinen überlappt […]“<br />

Eine ‚eigenständige Praxis‘ beinhaltet zwei Arten von klinischen Entscheidungen: eigenständige und wechselseitig<br />

abhängige Entscheidungen. Diesen Sachverhalt bringen sie mit ihrem Konzept der eigenständigen und der überlappenden<br />

Sphäre (unique/overlapping sphere) der pflegerischen Praxis zum Ausdruck. Die überlappende Sphäre betrifft<br />

den überlappenden Bereich zwischen Pflege und Medizin, aber auch den Bereich zwischen der Pflege und anderen<br />

Berufsgruppen (s. Abb. 9.5: 413). Es geht um Entscheidungen, die die pflegerische Versorgung im engeren<br />

Sinn betreffen und um Entscheidungen, die die Patientenversorgung im weiteren Sinn betreffen und wo letztere mit<br />

Blick auf ein gemeinsames Ziel aus der Perspektive zweier oder mehrerer Berufe betrachtet werden. Ein Verständnis<br />

beider Praxissphären und der entsprechenden Entscheidungstypen ist eine grundlegende Voraussetzung für eine sichere,<br />

erfolgreiche (effective) Patientenversorgung (s. Kramer/Schmalenberg 2008: 61) und für die zu leistende<br />

Kompetenzentwicklung. In einer anderen Studie haben Kramer/Maguire/Schmalenberg et al. (2007a: 43ff) Strukturen<br />

erkundet, die die Wahrnehmung der klinischen Autonomie aus der Sicht der von ihnen befragten Experten aus<br />

der Pflege, dem Pflegemanagement und der Ärzteschaft fördern. Sie werden an dieser Stelle nur stichwortartig aufgeführt:<br />

1) Neuaushandlung der Reichweite der Praxis, 2) administrative/abteilungsbezogene Zustimmung (Billigung/Sanktion),<br />

3) eine zusammenhaltende und unterstützende Kollegenschaft, 4) Vertrauen, Respekt und Unterstützung<br />

seitens der Ärzte, 5) Spezialisierung, Fokus und Aufgabe, 6) Unterstützung seitens der PflegemanagerInnen, 7)<br />

Fortbildung und evidenzbasierte Maßnahmen, 8) Merkmale seitens der Pflegekräfte wie Erfahrung, Wissen und<br />

Klugheit, der Wille bzw. Wunsch nach einer eigenständigen Praxis und der Freude an einer solchen und schließlich<br />

9) die Form der medizinischen Ausbildung und Praxis.<br />

Der erste Punkt, die Neuaushandlung der Reichweite der Praxis, betrifft sowohl den eigenständigen als auch den<br />

wechselseitig abhängigen Bereich der Pflege. Vor dem Hintergrund der Definition der ANA und <strong>des</strong> KrPflG von<br />

2003 verweist der wechselseitige Bereich in Bezug auf die Medizin auf den so genannten abhängigen Bereich bzw.<br />

den der Mitwirkung. Konkret bedeutet dieses, dass die Pflegekräfte im Schnittstellenbereich Pflege/Medizin aus einer<br />

weisungsgebundenen Position heraus handeln. Auch wenn beide Berufe in einem wechselseitig abhängigen Verhältnis<br />

zu einander stehen, ist der Bereich <strong>des</strong> pflegerischen Autoritäts-und Zuständigkeitsbereichs derzeit kein<br />

selbstbestimmter. Die bestehende Abhängigkeit voneinander ist nicht gleich, sondern, historisch bedingt, trotz <strong>des</strong><br />

Strebens nach kollegialen Beziehungen nach wie vor ungleich 139 . Die wechselseitige Abhängigkeit der Pflege in Bezug<br />

auf andere Berufe kann hingegen als eine für beide Seiten gleiche Abhängigkeit beschrieben werden, die aber<br />

von beiden Seiten unterschiedlich erlebt und erfahren werden kann (s. Fortune/Fitzgerald 2009). Aus diesem Grund<br />

kommt der betrieblichen Bestimmung/Regelung <strong>des</strong> Schnittstellenbereichs Pflege/Medizin und <strong>des</strong>sen Sanktion eine<br />

strategische Bedeutung für Entwicklungsprozesse in der Pflege zu. Weiter ist in diesem Zusammenhang wichtig, aus<br />

welcher inhaltlichen Perspektive bzw. welchen Perspektiven die diversen Schnittstellenbereiche betrachtet, interpretiert<br />

und gestaltet werden. Dieses hat Folgen für die Entwicklung und Förderung der klinischen Entscheidungsfin-<br />

138<br />

Autonomes Pflegehandeln kann offenbar eingeschränkt werden, wenn dieses nur auf den Pflegebereich im engeren Sinn bezogen<br />

wird. Eine andere Beobachtung ist, dass ein hoher Prozentsatz an ANP das eigenständige Handeln <strong>des</strong> Pflegepersonals negativ<br />

beeinflussen kann. Dies könnte etwas mit dem Autoritäts- und Zuständigkeitsbereich der ANP zu tun haben oder an der Interaktion<br />

zwischen RN und ANP liegen (s. Kramer/Schmalenberg 2004: 46)<br />

139<br />

Im Policy Statement der ANA von 2010 (s. 16) wird professionelle Zusammenarbeit (Kollaboration) betont, die auf verschiedene<br />

Art und Weise erfolgen kann.<br />

443

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