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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

Studie führt Dombeck (2003: 363) auf die Bedeutung <strong>des</strong> Geschichtenerzählens <strong>zur</strong>ück. Es kann als Mittel <strong>zur</strong><br />

Selbstbestimmung, als Mittel der Solidarisierung und Selbstpflege in einer Kultur dienen, die die Pflege nach wie vor<br />

in begrenzten Images definiert und auf diese Weise Pflegekräfte voneinander isoliert.<br />

Eine andere, für die Arbeit an der professionellen Verlaufskurve wichtige Arbeit, ist die von Judith MacIntosh<br />

(2003). Sie untersuchte, wie erfahrene Pflegekräfte 131 ihre Entwicklung als Professionelle wahrnehmen und wovon<br />

die professionelle Sozialisation beeinflusst wird. Als grundlegender sozialer Prozess wurde in dieser Studie ein sich<br />

wiederholender dreistufiger Prozess <strong>des</strong> Überarbeitens der professionellen Identität (reworking professional identity)<br />

bestimmt. Dieser Prozess beschreibt, wie die Befragten für sie problematische Angelegenheiten ansprechen und<br />

klären. Er wird in Gang gesetzt, wenn die Pflegekräfte auf Diskrepanzen stoßen. Gefühle der Dissonanz veranlassen<br />

sie, Strategien zu entwickeln, um diese Diskrepanzen anzusprechen und damit verbundene Dissonanzen zu reduzieren.<br />

Die erste Phase, in der eine gewisse Angemessenheit unterstellt wird, zeichnet sich durch eine nachlassende<br />

Wertschätzung anderer sowie der eigenen Meinung von der eigenen Praxis aus. Das Gefühl der Angemessenheit<br />

wird aufrechterhalten, indem die eigene Praxis nicht reflektiert wird, und durch eine Konzentration auf technische<br />

Aufgaben. In dieser Phase wissen Pflegekräfte nicht, ob andere sie als Professionelle respektieren. Sie entwickeln<br />

keine starken interpersonalen Beziehungen und sind sich ihres eigenen Kompetenzniveaus nicht bewusst (s. MacIntosh<br />

2003: 730f). Das Erleben dieser Phase betrifft junge Pflegekräfte ebenso wie erfahrene. Die fehlende Reflexion<br />

über ihre Praxis fördert die Konzentration auf technische Aufgaben. Die Befragten beschrieben diese Situation damit,<br />

dass sie „wie Roboter“ funktionierten.<br />

Verschiedene Faktoren, wie der Verlust <strong>des</strong> Interesses, Beibehaltung <strong>des</strong>selben Arbeitsplatzes über lange Jahre oder<br />

Stress können zu dieser Situation beitragen. Die professionelle Identität basiert in dieser Phase auf dem Wissen, dass<br />

die Pflege eine Profession ist, dass man stolz darauf sein kann, eine Pflegekraft zu sein und dass die Arbeitskolleginnen<br />

sie automatisch respektieren. Aus diesem Grund haben sie auch nicht das Gefühl, dass sie sich eine ‚Reputation’<br />

verdienen oder ihre Professionalität in Fragen stellen müssen. Die Selbstgenügsamkeit kann sich hier ebenso als<br />

Problem erweisen wie ein unter Umständen nicht wahrgenommenes Burn-out. Die Befragten (MacIntosh (2003:<br />

732) schilderten, dass ihr Gefühl, als Professionelle respektiert zu werden und sich auch so zu fühlen, von den Reaktionen<br />

Anderer beeinflusst wird.<br />

Der Übergang <strong>zur</strong> zweiten, als ‚die Praxis realisieren’ bezeichnete Phase wird erst durch das Bewusstwerden der<br />

eigenen Praxis und der Sicht Anderer geebnet. In dieser Phase entwickeln Pflegekräfte ein Bewusstsein für ihren Arbeitskontext.<br />

Dies erlaubt ihnen, Diskrepanzen zu erkennen, ihre Kompetenzen mit anderen zu vergleichen, Dissonanz<br />

zu erleben und den Versuch zu machen, Differenzen auszubalancieren. Diese Phase wird ebenso von jungen<br />

wie von erfahrenen Pflegekräften, die in ihrer Arbeit stagnieren, erlebt. Sie wird von zwei Prozessen begleitet:<br />

1. sich der Diskrepanzen zwischen Erwartetem und Erfahrenem, zwischen Werten und Arbeitsweisen, zwischen<br />

sich selbst und den Anderen bewusst werden<br />

2. dem Versuch, eine Balance herzustellen (s. MacIntosh 2003: 732).<br />

Hierbei werden sich die Pflegekräfte auf dreierlei Arten über die Diskrepanzen bewusst. Das Bewusstwerden von<br />

Diskrepanzen führt zu einem Erleben von Dissonanzen. Diese können sich in Unwohlsein, Unzufriedenheit oder Enttäuschung<br />

ausdrücken. Sie können dazu anregen, nach neuen Balancen zu suchen und mit den wahrgenommenen<br />

Diskrepanzen umzugehen. MacIntosh (2003: 733f) hat drei Strategien identifiziert: (1) die Entwicklung so genannter<br />

131 Sie interviewte 21 Pflegekräfte mit einer Berufserfahrung zwischen drei und 34 Jahren in unterschiedlichen Praxisfeldern<br />

(Krankenhaus, Gemeinde bzw. ambulanter Bereich) und Positionen (als Mitarbeiterin, Führungskraft) in Vollzeit wie in Teilzeit<br />

aus drei östlichen kanadischen Provinzen.<br />

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