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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

diese Phase der Transition beherrschte, eher abschüssig. Eine Folge war, dass die im Studium von vielen erarbeitete<br />

solide professionelle Identität unter der Last der Leistungsangst zusammenbrach 128 (Duchscher 2008: 444). Eine entscheidende,<br />

von den Neuanfängerinnen in dieser Zeit <strong>des</strong> Zusammenfalls, der Phase <strong>des</strong> Beendens und der Phase <strong>des</strong><br />

Tuns zu leistende emotionale Arbeit besteht darin, den Konflikt <strong>des</strong> Hin-und-Hergerissen Seins zwischen einer Orientierung<br />

an der Ausbildung und einer Orientierung an der praktischen Realität produktiv zu lösen. Obwohl sie in<br />

dieser Phase vieles erst lernen müssen, müssen sie sich von der ihnen ‚vertrauten Daseinsform’ <strong>des</strong> Studentenstatus<br />

trennen, die damit verbundene Rolle loslassen und sich mit ihrem neuen Status sowie ihrer neuen Rolle als Professionelle<br />

vertraut machen. Da sie weder ‚Fisch (StudentInnen) noch Fleisch’ (Professionelle) sind, sind sie leicht verwundbar.<br />

Sie fühlen sich inkompetent und von ihren erfahrenen Kolleginnen nicht akzeptiert 129 . Mit Blick auf die<br />

zeitgleiche Professionalisierung ihrer Kompetenz <strong>zur</strong> Pflege anderer Menschen und die Herausbildung eines professionellen<br />

Selbst, Selbstkonzepts inklusive ihrer professionellen Identität ist der von Duchscher (2008: 448, Duchscher<br />

2009: 1106f) beschriebene hohe Angstpegel aufgrund kaum zu erfüllender Erwartungen und <strong>des</strong> erlebten<br />

Stresses mit erfahrenen Kolleginnen und Ärzten hervorzuheben. Bei den verschiedenen, von den neuen Pflegekräften<br />

im Rahmen ihrer Arbeit einzugehenden sozialen Beziehungen und bei ihrem Versuch, sich in ein bestehen<strong>des</strong> Team<br />

einzugliedern, bildet die Pflegekultur einer Station und eines Krankenhauses den sozialen Hintergrund (s. auch Clare/van<br />

Loon 2003, Price 2009).<br />

Die Phase <strong>des</strong> Seins (zweite Phase), in die die Neuen etwa innerhalb von vier bis sechs Monaten eintreten und die<br />

sich über weitere vier bis fünf Monate erstreckt, zeichnet sich durch eine konsistente und rasante Weiterentwicklung<br />

<strong>des</strong> Denkens, Wissensniveaus und der Fertigkeiten, d.h. der Gesamtkompetenz der Jungakademikerinnen aus. In dieser<br />

Phase erleben sie voll und ganz den Verlust <strong>des</strong>sen, was war, während am Horizont erst allmählich ein Bewusstsein<br />

von dem aufdämmert, was sein könnte. Grundlegend für diese Phase ist ein erhöhtes Bewusstsein von sich selbst<br />

als Professioneller. Es findet eine Erkundung der eigenen Rolle als Pflegekraft im Verhältnis zu anderen Gesundheitsberufen<br />

statt sowie eine grundlegende Suche nach einer Balance zwischen privatem und beruflichem Leben. Die<br />

Neuen beginnen sich nun langsam loszulösen, Dinge zu hinterfragen, zu suchen, neu aufzudecken, und fangen<br />

schließlich an, sich in ihrer gewählten Profession neu zu engagieren mit dem Unterschied, dass sie es dieses Mal<br />

selbstbestimmt tun. Aus diesen Grund ist diese Phase sehr wichtig, da hier die jungen Pflegekräfte ihre Entscheidungen<br />

darüber fällen, was ‚echte Pflege’ ist, welche Macht sie als Professionelle haben oder nicht, und welche Rolle<br />

sie bei der Konstruktion der Realität ihres Arbeitsumfelds spielen. Ein erfolgreiches Fortschreiten in dieser Phase<br />

zeigt sich in einer überarbeiteten professionellen Identität, in die hinein selektiv qualitative Pflegewerte assimiliert<br />

worden sind (s. Duchscher 2004: 286f, Duchscher 2008).<br />

Die Phase <strong>des</strong> Wissens als dritte und letzte der ersten zwölf Monate, die die JungakademikerInnen durchlaufen, zielte<br />

zum einen auf eine Getrenntheit im Sinne <strong>des</strong> Gefühls, sich als Pflegekraft von den etablierten Pflegekräften um<br />

sich herum zu unterscheiden. Erst auf der Basis dieses Gefühls war es ihnen möglich, sich mit der größeren Gemeinschaft<br />

der Professionellen in Beziehung zu setzen und sich mit ihr wieder einig zu fühlen. Dieses Gefühl der Verbundenheit<br />

ist kennzeichnend für die Phase <strong>des</strong> Neubeginns nach Bridges und ist Folge einer innerlichen Neuausrichtung.<br />

Diese erfolgt etwa in der Zeit nach 6 Monaten bis zu einem Jahr (s. Duchscher 2004: 287). In dieser Phase<br />

128 Duchscher nennt vielfältige Situationen wie überhöhte Arbeitslast (statt eines handhabbaren Verhältnisses von acht Patienten<br />

waren sie häufig für acht bis zu 16 Patienten verantwortlich), die Komplexität der Patientensituationen, die vielen parallel zu<br />

bewältigenden Aufgaben (Multitasking), ihre von ihnen selbst als begrenzt wahrgenommene Fähigkeit, klinische Probleme zu<br />

lösen u.a.m. Als dies führt zu enormem Stress.<br />

129 Aufgrund <strong>des</strong> Umstands, dass ihnen die Zuversicht in ihre eigenen Fähigkeiten der klinischen Entscheidungsfindung und der<br />

Durchführung pflegerischer Aufgaben fehlt, fühlen sie sich regelrecht an den Rand gedrängt und marginalisiert (s. Duchscher/Cowin<br />

2004a, 2006).<br />

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