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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

ten Mitfühlen. Der professionelle Habitus besteht darin, die professionell weiter ausgebildete Fähigkeit <strong>zur</strong> Pflege<br />

anderer Menschen nun auf sehr verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und in unterschiedlichen<br />

Situationen zu beziehen. Was die Fähigkeit <strong>zur</strong> selbstbezogenen Pflege betrifft, geht es hier vor allem<br />

um die kritische Reflexion selbstbezogener Pflegehandlungsweisen und ausgebildeter Beziehungsmuster, wie sie<br />

bei der eigenen Pflege durch andere erfahren wurden (s. Kap. 8). Auch wenn die nachfolgenden Untersuchungen<br />

keinen direkten Hinweis auf eine professionelle Pflegeverlaufskurve geben, lassen sich aus ihnen aufgrund <strong>des</strong> Umstands,<br />

dass Pflege und Selbst eng aufeinander bezogen sind, dennoch gewisse Erkenntnisse ableiten.<br />

Mary Bradby 118 (1990a, b) hat in ihrer Untersuchung Anfang der 1980er Jahre aufgezeigt, dass bei der ‚Statuspassage‘<br />

vom Laien zum Auszubildenden/Studierenden erhebliche Arbeit am Selbst und an einer neuen, d.h. einer professionellen<br />

Identität zu leisten ist. Sie untersuchte vier Kohorten weiblicher Auszubildender der allgemeinen Krankenpflege<br />

zweier britischer Krankenpflegeschulen. Neben der Hauptstatuspassage identifizierte sie vier Unterpassagen,<br />

die sich durch unterschiedliche Erfahrungen während der Ausbildung auszeichneten. Von besonderer Bedeutung ist<br />

die Passage der (Ab-)Trennung und persönlichen Identität. Bei dieser Passage versucht die Organisation, repräsentiert<br />

durch eine Station, die betroffene Person an die Erfordernisse der Institution anzupassen. Hierbei wird der betroffenen<br />

Person ihre bisherige personale Identität quasi abgestreift. Die untersuchten Studierenden (Bradby 1990a:<br />

1223) versuchten, ihre verlustig gegangene personale Identität durch das Gefühl der Zugehörigkeit zum Team neu zu<br />

etablieren, ein auch in neueren Untersuchungen beobachtetes Phänomen. Im Rahmen einer naturalistisch angelegten<br />

Langzeitstudie untersuchte Jenny Spouse (2003) den Entwicklungsprozess von acht Studierenden 119 während ihres<br />

vierjährigen Studiums. Sie ging u.a. der Frage nach, welche Images/Bilder von Pflege die Studierenden vor der Aufnahme<br />

<strong>des</strong> Studiums hatten und welchen Einfluss diese auf ihre Entwicklung zu einer professionellen Pflegekraft<br />

hatten. Sie ging davon aus, dass sich Images über die Zeit schrittweise entwickeln, dass diese immer wieder modifiziert<br />

und umgestaltet werden und auf zwei Ebenen im Gedächtnis abgespeichert werden, auf der Oberfläche oder<br />

räumlichen Ebene und im Langzeitgedächtnis. Auf letzteres wird zugegriffen, um Images auf der ersten Ebene zu<br />

formen oder umzubilden (s. Spouse 2000: 731, s. auch Kap. 8). Von den TeilnehmerInnen beschrieben sieben Studierende<br />

Images, die offenbar unbewusst ihre Handlungen als Pflegekräfte als integrale Bestandteile ihrer Persönlichkeit<br />

auffassten. Das damit verbundene Wissen unterschied sich nach Spouse (2000: 734) vom praktischen Knowhow<br />

der technischen Aufgaben und bezog sich mehr auf ihre Beziehungen zu den Patienten und auf ihre Rolle. Sie<br />

beschreibt vier Themen, in denen die Images zum Tragen kommen:<br />

• sich auf den Patienten beziehen – die Realität bewältigen<br />

• Verständnis der Pflegerolle<br />

• Pflege als Routinearbeit oder als personenbezogene Pflege<br />

• das öffentliche und das persönliche Image von Pflegekräften.<br />

Die Wirkungsweise der Images zeigt sich in unterschiedlichen Situationen. So kann etwa der Kampf zwischen persönlichen<br />

Images und der Arbeitslast zu einem ausschlaggebenden Faktor werden, den Beruf zu verlassen. Hingegen<br />

kann ein un<strong>zur</strong>eichen<strong>des</strong> erfahrungsbezogenes oder affektives Wissen darüber, wie eine Beziehung zum Patienten<br />

118 Diese Untersuchung fand vor dem ‚Project 2000’ statt, mit dem in Großbritannien die Verlagerung der Ausbildung in den<br />

Hochschulbereich eingeleitet wurde (s. Spouse 2003: 5).<br />

119 Ihre Untersuchung fand nach der Verlagerung der Pflegeausbildung in den Hochschulbereich statt. Ihr ursprüngliches Sample<br />

bestand aus 10 Studenten. Diese Studenten nahmen an einem Studienprogramm teil, das zu einem der innovativen Studiengänge<br />

zählte, u.a. auch <strong>des</strong>halb, weil das Curriculum auf den Arbeiten Donald Schöns <strong>zur</strong> ‚Reflective Practice’ gründete. Weiter wurden<br />

sie während der klinischen Ausbildung nicht auf den Stellenplan <strong>des</strong> jeweiligen Einsatzbereiches angerechnet. Sie arbeiteten<br />

entsprechend ihren Lernerfordernissen und Fähigkeiten mit erfahrenen Pflegekräften oder unter deren ‚distanzierter Supervision’<br />

(s. Spouse 2003: 14f).<br />

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