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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

Verwendungen <strong>des</strong> Kompetenzbegriffs 110 und an <strong>des</strong>sen Kritik soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden (s.<br />

Weidner 1995, Eraut 1998, Rauner 2006, 2007, Scott 2008, Bobay et al. 2009, Evers 2009, Olbrich 1999, 2009). Auf<br />

europäischer Ebene sind Begriffe wie Lernergebnis, Kenntnisse, Fertigkeiten, Kompetenz im Zusammenhang mit<br />

dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) und der Idee <strong>des</strong> lebenslangen Lernens von Bedeutung 111 (s. hierzu<br />

Ingwersen 2009). In allen für die Pflege relevanten Stufen (4-8) spielen Theorien neben Faktenwissen eine Rolle. Ab<br />

Stufe sechs wird eine kritische Auseinandersetzung mit Theorien unterstellt. Der EQR wiederum ist der Bezugsrahmen<br />

für den Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) und für entsprechende sektorale Qualifikationsrahmen 112 . Der<br />

hier verwendete Kompetenzbegriff geht über ein enges Verständnis von Kompetenz hinaus, indem er implizit auf das<br />

gesamte professionelle wie persönliche Leistungsvermögen eines Menschen verweist.<br />

Nach den Ergebnissen neuerer Studien <strong>zur</strong> Pflege im Krankenhaus (s. z.B. Balzer/Kühme 2009) kann keineswegs<br />

davon ausgegangen werden, dass die Neuerungen in der Pflegeausbildung automatisch zu einer erweiterten Sichtweise<br />

bzw. inhaltlichen Veränderung <strong>des</strong> Autoritäts- und Zuständigkeitsbereichs auf der untermittelbaren Arbeitsebene<br />

im Krankenhaus geführt haben. Dass hier ein noch erheblicher Entwicklungsbedarf besteht, zeigt exemplarisch<br />

die Studie von Christine Dörge (2009: 329) mit Pflegeakademikerinnen (6) und nicht akademisch-ausgebildeten<br />

Pflegekräften (7), die im ambulanten und stationären Bereich arbeiten. Anhand ihrer Interviewdaten (13 Interviews)<br />

arbeitet sie zwei ‚Handlungscharaktere‘ heraus. Diese umfassen als dichotome Pole auf dem möglichen Kontinuum<br />

idealtypisch das von Pflegekräften in ihrem Berufsalltag wahrgenommene Handlungsspektrum. Den ersten Pol bezeichnet<br />

sie als ‚Handeln als Verrichtung‘, den zweiten als ‚Handeln nahe der Professionalität‘. Ein Großteil der befragten<br />

Pflegekräfte (sechs von sieben ohne akademische Ausbildung und die Hälfte der akademisch qualifizieren<br />

Pflegekräfte (3) sind dem ersten Pol zuzuordnen. Dieses charakterisiert sie als technokratisch und verrichtungsorientiert,<br />

wobei der zu pflegende Mensch eher zum Handlungsobjekt wird. Weiter lässt sich eine gewisse Affinität <strong>zur</strong><br />

vorberuflichen Laienpflege feststellen, insofern mehrheitlich eine unreflektierte Befolgung und Abarbeitung starrer<br />

Handlungsschemata bzw. ein pflegerisches Handeln auf der Grundlage tradierten und/oder intuitiven, „aus dem<br />

Bauch heraus“ kommenden Wissens erfolgt (s. Dörge 2009b: 329). Bei diesem Handlungscharakter zeigen die Pflegenden<br />

Defizite im professionellen Handeln in Bezug auf eine flexible und angemessene Nutzung fundierter theoretischer<br />

Kenntnisse wie auch im Fehlen hermeneutischer Kompetenzen. Die Pflegenden sind im Sinne der Aufrechterhaltung<br />

ihrer Handlungsfähigkeit auf Standardisierung angewiesen (s. Dörge 2009b: 331). Bei einem Handeln der<br />

Pflegenden (drei akademisch qualifizierte und eine nicht-akademisch qualifizierte), das Dörge (2009b: 331f) dem<br />

Handlungscharakter ‚nahe der Professionalität zuordnet, „vollzieht sich Pflege dagegen im Rahmen aktiver Beziehungsgestaltung<br />

und symmetrischer Aushandlungsprozesse zwischen Pflegekraft und Pflegebedürftigem. Pflegehandeln<br />

wird von ihnen fallgerecht auf der Grundlage theoretisch fundierter Kenntnisse gestaltet. Durch den reflektierten<br />

Transfer ihres Regelwissens auf den Einzelfall, sind sie in der Lage, situativ und unter Berücksichtigung der Besonderheit<br />

der Situation, flexibel Handlungsalternativen zu entwickeln, die dem Pflegebedürftigen einen bestmöglichen<br />

Beitrag <strong>zur</strong> Problemlösung bzw. Krisenbewältigung leisten“. Sie kommt zu dem Schluss, dass eine professionell verstandene<br />

Pflegepraxis <strong>zur</strong>zeit eher die Ausnahme darstellt. Da aber eine Entwicklung in diese Richtung in beschränk-<br />

110 So diskutieren Görres et al. (2010) den Kompetenzbegriff aus einer Managementperspektive, d.h. aus der Perspektive von<br />

‚Kernkompetenzen‘. Dieses Konzept stellt eine Weiterentwicklung <strong>des</strong> Ressourcenansatzes dar und spielt bei der Beurteilung der<br />

Wettbewerbsfähigkeit, d.h. der Wettbewerbsvorteile eines Krankenhauses, also bei strategischen Entscheidungen eine wichtige<br />

Rolle.<br />

111 Wird der EQR herangezogen, dann erreicht die Mehrheit der in Deutschland ausgebildeten Gesundheits- und<br />

Krankenpflegerinnen das Niveau 5, wohingegen auf europäischer Ebene mit dem Abschluss <strong>des</strong> Bachelors das Niveau 6 erreicht<br />

wird. Der Deutsche Bildungsrat (DBR) hat in seinem Bildungskonzept hingegen die 3jährige Ausbildung in den generalistisch<br />

ausgelegten Pflegeberufen in die Stufen vier und fünf verortet (s. Olbrich 2009: 70).<br />

112 Im November 2010 wurde von der Arbeitsgruppe DQR ein Entwurf für einen DQR für lebenslanges Lernen verabschiedet, in<br />

dem zwei Kompetenzkategorien, die ‚Fachkompetenz‘ und die ‚Personale Kompetenz‘ unterschieden werden.<br />

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