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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

Wird anstelle der Johnsschen Praxisphilosophie die in Kap. 8 formulierte pragmatistisch-interaktionistische Theorie<br />

<strong>des</strong> Pflegehandelns herangezogen, dann liefert diese als Bestandteil <strong>des</strong> pflegerischen Wissenssystems in Form eines<br />

kognitiv-symbolischen Bezugsrahmens die intellektuellen Mittel für die Konstruktion <strong>des</strong> Objekts ‚Professionelle<br />

Pflege’. Diese Mittel sind erforderlich, damit die Pflege sich als Profession bei der Neuausrichtung der diversen Arbeitsbeziehungen,<br />

sei es zum zu pflegenden Menschen, zu anderen Professionen oder Abteilungen argumentativ von<br />

diesen abgrenzen und sich zugleich zu ihnen in Beziehung setzen kann. Sich von Anderen bzw. von etwas abzugrenzen<br />

und sich mit Anderen bzw. mit etwas in Beziehung zu setzen ist ein wesentliches Merkmal der ‚Grenzarbeit‘.<br />

Allen 71 (2001a) hat diese von Pflegekräften während der täglichen Arbeit zu leistende Arbeitsform bei der aktiven<br />

Herstellung und Wahrnehmung <strong>des</strong> pflegerischen Autoritäts- und Zuständigkeitsbereichs untersucht. Ihre Arbeit<br />

fand in den 1990er Jahren statt, als die britische Pflege sich auf den Professionalisierungskurs begeben hatte und<br />

sich zeitgleich mit anderen politischen Initiativen wie der ‚junior doctor hours initiative‘ und dem ‚managerialism‘<br />

auseinandersetzen musste. All dies führte zu einer Mehrdeutigkeit <strong>des</strong> pflegerischen Autoritäts- und Zuständigkeitsbereichs<br />

und der Notwendigkeit eines aktiven ‚doing of jurisdiction‘ (Allen 2001a: 40). Sie untersuchte, wie die<br />

Pflegekräften die zu leistende Grenzarbeit in ihren diversen Arbeitsbeziehungen bewerkstelligten, d.h. in der Beziehung<br />

<strong>zur</strong> Stationsleitung, in der Zusammenarbeit mit Hilfskräften, mit Ärzten sowie in der Beziehung zum Patienten.<br />

Sie hebt hervor, dass die Grenzarbeit unter weiter zu fassenden Rahmenbedingungen gestaltet wird, dass sie von<br />

Faktoren wie Geschlecht, ökonomische Zwänge beeinflusst wird und von daher höchst situativ und durch lokale Gepflogenheiten<br />

bedingt ist 72 (s. Allen 2001a: XI). Sie konzentrierte sich auf die sprachlich vermittelte Grenzarbeit und<br />

deren beobachtbare Aspekte beim täglichen Ausführen (Tun) <strong>des</strong> pflegerischen Autoritäts- und Zuständigkeitsbereichs<br />

(jurisdiction). Bei dieser in allen einzugehenden Arbeitsbeziehungen zu leistenden Grenzarbeit kann es zu<br />

Grenzverwischungen oder Grenzverzerrungen kommen, als deren Folge das berufliche Selbst, das Selbstkonzept und<br />

die Identitäten in Frage gestellt werden können. Eine Veränderung <strong>des</strong> pflegerischen Wissenssystems, wonach das<br />

medizinische Wissen nur eine von mehreren Wissensformen ist, verändert nicht nur die bestehenden Grenzen, sondern<br />

auch die Überlappungs- bzw. Schnittstellenbereiche und führt zu neuen Deutungen pflegerischer Phänomene.<br />

Dieser Sachverhalt wird in der Abbildung 9.5 angedeutet.<br />

Abb.9.5: Überlappungs-und Schnittstellenbereiche<br />

Die Nutzung der über das pflegerische Wissenssystem bereitgestellten kognitiv-symbolischen Ressourcen erfolgt im<br />

Rahmen der kulturellen Arbeit über die aktive Gestaltung und Aushandlung der eigenen professionellen Rolle. Auf<br />

71<br />

Die Ergebnisse ihrer Studie müssen vor dem Hintergrund <strong>des</strong> Project 2000 gesehen werden. Letzteres basiert auf einer<br />

holistischen Vorstellung von Pflege und der Idee, die Pflege wieder in die professionelle Kernrolle zu integrieren, zu einer<br />

Abkehr von einer an Tätigkeiten orientierten und zu einer Förderung der Primären Pflege. Diese scheint auf den ersten Blick aufgrund<br />

der damit angestrebten dezentralen Entscheidungsfindung mit einem dezentralen Managementansatz kompatibel zu sein<br />

(2001a: 10ff) In den von ihr untersuchten Stationen wurde auf der einen Station ‚team nursing‘ praktiziert und auf der anderen ein<br />

Mix aus primary nursing‘, ‚team and functional nursing‘ (s. Allen 2001a: 60f;70)<br />

72<br />

In einer anderen Arbeit beschreibt Allen (2001b) die Funktionsweise von Grenzarbeit anhand von Horrorgeschichten, in denen<br />

Ärzten eine zentrale Rolle spielten.<br />

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