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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

Ganzes von herausragender Bedeutung. Ausgehend von Abbotts Idee, wonach sich die von den Professionen zu leistende<br />

Arbeit in den drei Handlungsweisen seines allgemeinen Handlungsmodells verkörpert, soll im nächsten Schritt<br />

die zwischen dem Wissenssystem der Pflege und ihrer Praxis bestehende Beziehung geklärt und dabei der Blick auf<br />

die zu leistende Grenzarbeit gelenkt werden.<br />

9.3 GRENZARBEIT: EIN ERFORDERNIS BEI DER ARTIKULATION UND BESTIMMUNG DER<br />

GRENZEN DES PFLEGERISCHEN AUTORITÄTS- UND ZUSTÄNDIGKEITSBEREICHS<br />

Bei der Artikulation <strong>des</strong> pflegerischen Autoritäts- und Zuständigkeitsbereichs erfolgt eine Grenzziehung zu anderen<br />

Berufen/Professionen. Die dabei zu leistende Grenzarbeit steckt mit den Worten Abbotts (1995: 859) das ‚Hoheitsgebiet‘<br />

der Profession im Sinne der sozialen Welten und das Grenzgebiet zu anderen Professionen und zu den sozialen<br />

Welten der Laien ab. Diese Grenzarbeit erfolgt unter Bezugnahme auf das professionelle Wissenssystem und findet<br />

in verschiedenen Arenen sowie auf verschiedenen Ebenen statt, z.B. in Arenen am Arbeitsplatz oder in politischen<br />

Arenen. Sie muss von den Pflegeführungskräften wie von den Pflegekräften geleistet werden. Der Begriff der<br />

Grenze verweist nach Abbott sowohl auf eine räumliche Struktur 69 als auch auf eine der Zeitlichkeit. Es handelt sich<br />

dabei nach dem pragmatistischen Verständnis nicht um starre oder fixe Grenzen, sondern um sich entwickelnde und<br />

veränderliche Grenzen. Kontinuität und Wandel sind Ergebnisse menschlichen Handelns und menschlicher Interaktion.<br />

Solche Grenzen sind nicht nur für die Entwicklung und Behauptung einer Profession notwendig, sondern auch,<br />

um die Schnittstellen (Grenzgebiete bzw. überlappende Bereiche) mit anderen Berufen konstruktiv handhaben und<br />

gestalten zu können.<br />

Christopher Johns (1990: 887) diskutiert das Konzept ‚Grenze‘ (oder der Abgrenzung) in Bezug auf die Verantwortungsübernahme<br />

für das pflegerische Handeln als deren Voraussetzung sowie als Voraussetzung für die klinische<br />

Entscheidungsfindung. Er verweist zunächst auf formale Grenzen in Form von Stellenbeschreibungen, durch die die<br />

strukturelle Autonomie einer Pflegekraft bestimmt und mittels derer ihr klar wird, in welchen Bereichen von ihr die<br />

Nutzung ihres Urteilsvermögens erwartet wird. Das Konzept der ‚Grenze‘ verweist auf die Notwendigkeit klarer<br />

Strukturen. Diese sind erforderlich, um Rollenklarheit zu erhalten, damit sich eine eigenständige Praxis 70 entfalten<br />

kann. Abbott (1995: 860) beschreibt die Beziehung zwischen Grenzen und Einheiten/Objekten so, dass ein soziales<br />

Objekt wie die professionelle Pflege überhaupt erst dann existiert, wenn die Handelnden soziale Grenzen gezogen<br />

haben. Grenzen gehen Objekten voraus. Sie erfordern Arbeit durch das Schaffen eines ‚site of difference‘, die die<br />

Profession im Inneren dieser Einheit verorten. Diese wird über die sie zusammenhaltenden verschiedenen Grenzen<br />

von anderen Einheiten durch ein Innen und ein Außen abgegrenzt.<br />

„Die aus dieser Arbeit resultierende Einheit hat dann die Fähigkeit, als ein beständiges Ding in den verschiedenen<br />

Ökologien zu überdauern, in denen es ansässig ist (Abbott 1995: 872).<br />

Weiter bemerkt Abbott (1995: 878), dass Professionen mit rigiden Grenzen verletzbarer zu sein scheinen, als jene<br />

mit flexiblen Grenzen. Mit anderen Worten: arbeitsbezogene Grenzen sind notwendig, um auf der Basis <strong>des</strong> professionsbezogenen<br />

Wissens pflegerische Entscheidungen mit bindendem Charakter treffen zu können. Neben strukturellen<br />

formalen Grenzen betont Johns die Bedeutung <strong>des</strong> Entwickelns und Aufrechterhaltens einer Praxisphilosophie.<br />

Dies kann als eine weitere wichtige organisatorische Maßnahme <strong>zur</strong> Ab- und Begrenzung ‚der Autonomie‘ einer<br />

Pflegekraft gelten. Zur eigenen Entwicklung bedarf es neben einem strukturellen Bezugsrahmen der aktiven Bezugnahme<br />

auf das pflegerische Wissenssystem, d.h. auf das abstrakte wie auf das Erfahrungswissen der Profession.<br />

69<br />

Der Raumbegriff darf nicht auf konkrete Räume, z.B. auf ein Zimmer, ein Haus, einen Ort etc. beschränkt, sondern er muss umfassend<br />

verstanden werden. Er bezieht alles Symbolische mit ein wie z.B. Denkräume.<br />

70<br />

Eine klare Vorstellung von der eigenen Praxis und ihrer Reichweite (Grenze) ist die Voraussetzung für eine wechselseitig<br />

abhängige interprofessionelle Praxis.<br />

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