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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

abhängig davon können nach Anthony (2006: 64) zwei grundlegende Kategorien von Rollen einer Pflegekraft bestimmt<br />

werden, die Rolle der Pflegenden (care-giver) und die Rolle <strong>des</strong> Koordinators der Gesundheitsversorgung<br />

(coordinator). Innerhalb dieser beiden allgemeinen Rollenkategorien kann wiederum ein Spektrum unterschiedlicher<br />

situativer Rollen eingenommen werden (s. hierzu Mischo-Kelling 2007a, Kap. 5). Folgt man den Erkenntnissen von<br />

Davina Allen (2004, 2007), dann scheint die koordinierende Rolle in der heutigen Arbeitsrealität die dominierende<br />

zu sein. Von den verschiedenen, in Abb. 9.2 aufgeführten Organisationsformen ist die Primäre Pflege 51 diejenige, in<br />

der die Logik <strong>des</strong> Professionalismus auf der Mikro- und Mesoebene voll durchbuchstabiert ist. Die in der Primären<br />

Pflege realisierte eindeutige Zuständigkeits- und Verantwortungsstruktur ist in älteren Organisationsformen der Pflege<br />

wie etwa der Funktions- oder Gruppenpflege nicht existent, noch kann sie in neueren Organisationsformen 52 als<br />

von vornherein gegeben vorausgesetzt werden (s. auch Deutschendorfer 2010).<br />

Innerhalb dieses in Abb. 9.2 dargestellten organisatorischen Bezugsrahmens kann das professionelle Handeln der<br />

Pflegekräfte je nach persönlichem und professionsspezifischem inhaltlich-symbolischem und kognitivem Bezugsrahmen<br />

unterschiedliche Formen und Qualitäten annehmen 53 . Es kann weiterhin ausschließlich dem medizinischen<br />

Krankheitsverständnis verhaftet sein, aber auch weit darüber hinausreichen. Professionelles Handeln kann sowohl<br />

vom Standpunkt der handelnden Pflegekraft wie vom Standpunkt einer bestimmten Qualität aus untersucht werden,<br />

d.h. wie und auf welche Art etwas getan wird (s. Pfadenhauer 2005: 9). Beim ersten Standpunkt stehen die professionelle<br />

Rolle, das professionelle Selbst einschließlich der damit verbundenen Identitäten im Zentrum. Der zweite<br />

Standpunkt hebt auf einen spezifischen Handlungsablauftyp im Sinne einer spezifischen Fähigkeit <strong>zur</strong> Problemlösung<br />

ab. Diese Fähigkeit muss sich an professionsspezifischen Kriterien und Maßstäben messen lassen, um glaubhaft<br />

vertreten werden zu können. Um diese mit dem Abbottschen Handlungsmodell korrespondierende Fähigkeit zu realisieren,<br />

bedarf es der Klärung <strong>des</strong> Autoritäts- und Zuständigkeitsbereichs auf der betrieblichen Ebene. Die entsprechende<br />

Zuweisung von Verantwortung für die Pflege von Patienten ist eine weitere wichtige organisatorische Voraussetzung,<br />

damit die Pflegekräfte die Fähigkeit <strong>zur</strong> eigenständigen Problemlösung und klinischen Entscheidungsfindung<br />

aktiv wahrnehmen und entwickeln können. Dies ist für den Verlauf der professionellen Pflegeverlaufskurve<br />

und für die Qualität der zu leistenden Arbeit an den Pflegeverlaufskurven, am Selbst und an der Krankheitsverlaufskurve<br />

<strong>des</strong> zu pflegenden Menschen von fundamentaler Bedeutung.<br />

51 Fourcher/Howard (1981: 302) kamen zu der Einschätzung, dass die Primäre Pflege mehr als der pflegebezogene Management-<br />

Ansatz aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Qualität der Pflege gefördert wird. Durch eine steigende Pflicht <strong>zur</strong> Rechenschaft<br />

und eine damit einhergehende Autonomie der Pflegekräfte wird eine bessere Kenntnis der Erfordernisse der Patienten gefördert.<br />

Patienten fühlen sich weniger ignoriert als in der Gruppenpflege.<br />

52 Auch wenn angegeben wird, dass auf einer Station die Organisationsform der Primären Pflege praktiziert wird, bedeutet dies<br />

noch lange nicht, dass alle vier Elemente voll umgesetzt sind. Weiter kann die Qualität der Pflege in der Primären Pflege von einer<br />

Station <strong>zur</strong> anderen variieren wie auch die Interpretation und Ausgestaltung der einzelnen Elemente (s. Manthey 2002, s. Untersuchungen<br />

<strong>zur</strong> Primären Pflege wie z.B. Jonsdottir 1999; Stratmeyer 2005, Daneke 2010, Jost/Chacko/Parkinson 2010, Thaler<br />

2010). Auch die Forschung zu Pflegesystemen zeichnet sich durch eine Inkonsistenz von Begriffen und unterschiedlichen Untersuchungs<strong>des</strong>igns<br />

aus (s. etwa Dobrin Schippers/Becker 2011, Sjetne/Helgeland, Stavem 2010). Kramer/Schmalenberg (2005a:<br />

189ff) stellen fest, dass Organisationsstrukturen wie Personaleinsatz, Einsatz auf wechselnden Stationen oder flexible Dienste die<br />

Wahl <strong>des</strong> Pflegesystems motivieren. Weiter haben sie in ihrer Studie über Pflegesysteme in Magnet wie in Nicht-Magnet-<br />

Krankenhäusern herausgefunden, dass in beiden Krankenhaustypen auf einer Station mehrere Pflegesysteme am selben Tag angetroffen<br />

werden können. Mehr als 50 % <strong>des</strong> befragten Personals berichteten, dass 2 bis 3 Systeme am Tag benutzt werden. Dieses<br />

Phänomen bezeichnen sie mit dem Begriff <strong>des</strong> ‚Flex Delivery System‘. Dieses Phänomen scheint keine ‚Eintagsfliege, sondern<br />

ein anhalten<strong>des</strong> (persistent) Phänomen zu sein, wie ihrer Studie über den Prozess der Wahrnehmung einer ausreichenden Personalausstattung<br />

zu entnehmen ist (s. Schmalenberg/Kramer 2009b: 70).<br />

53 Laut Clifford (1981: 21) wird die aktive Übernahme der professionellen Verantwortung inklusive der damit verbundenen Rechenschaftspflicht<br />

auf individueller Ebene nicht eintreten, solange sie nicht auch auf der Management- und Führungsebene eines<br />

Pflegedienstes vorgelebt wird. Pflegeführungskräfte müssen. sich in dieser Frage als Rollenmodell verstehen und ihre Aufmerksamkeit<br />

darauf lenken, wie sie selber in der Organisation Entscheidungen treffen. Sie unterstreicht, dass die Übernahme von Verantwortung<br />

inkl. Rechenschaftspflicht ein erlerntes Verhalten ist und dass die Umsetzung eines professionellen Praxismodells mit<br />

dem Erwerb eines professionellen Habitus auf allen Ebenen verbunden ist.<br />

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