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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 9<br />

onskonzept, die vergeschlechtlichten Strukturen der Erwerbswelt und der entsprechenden Organisationen aufgebrochen<br />

werden. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die organisatorische und inhaltliche Ausgestaltung <strong>des</strong> Autoritätsund<br />

Zuständigkeitsbereichs und der daraus abgeleiteten Organisation der Arbeit. In diese Richtung weisen die in den<br />

letzten Jahren veröffentlichten Vorstellungen professioneller Praxis aus dem britisch-australischen Umfeld (s. die<br />

Beiträge in Higgs/Titchen 2001a und b, Higgs/Jones 2008, Manley et al 2008, Hardy et al 2009). Hier wird begonnen,<br />

traditionelle Vorstellungen von Professionalität in Bezug auf die professionelle Praxis – hier verstanden als Arbeitsweise<br />

– zu hinterfragen. Es wird der Versuchung widerstanden, das alte Professionskonzept einfach durch ein<br />

‚weiblich konnotiertes‘ zu ersetzen. Der von Davies kritisierte Begriff der Expertise wird in diesem Ansatz anders<br />

gewendet, indem verschiedenen Wissensformen – dem propositionalen Wissen, professionellen Handwerkswissen<br />

und persönlichen Wissen -, als glaubhafte Evidenz für eine professionelle Praxis Geltung verschafft werden soll (s.<br />

Higgs/Titchen 2001a: 4f). Weiter wird das Verständnis professioneller Praxis durch sich entwickelnde Formen von<br />

Partnerschaften zwischen Professionellen und Klienten, zwischen Professionellen unterschiedlicher Provenienz etc.<br />

erweitert, die die dominierende Rolle der Professionellen gegenüber dem Patienten ablösen sollen. Darüber hinaus<br />

liegt ein Schwerpunkt dieses Ansatzes im Explizit-Machen <strong>des</strong> Wissens der PraktikerInnen. Über ein Bewusstwerden<br />

ihrer Wissensbasis sollen den PraktikerInnen nicht nur neue Lernmöglichkeiten eröffnet, sondern zugleich auch<br />

das Generieren von neuem Wissen sowie eine Erweiterung <strong>des</strong> Praxishorizonts ermöglicht werden. Alle Arbeiten<br />

weisen darauf hin, dass dem organisatorischen Setting und Kontext der Pflege bei der Verankerung einer professionellen<br />

Praxis Beachtung geschenkt werden muss. Das Krankenhaus als Arbeits-Setting zeichnet sich dadurch aus,<br />

dass die Arbeit der Pflegekräfte innerhalb einer komplexen bürokratischen und vergeschlechtlichten Expertenorganisation<br />

und nicht in der klassischen Form der Einzelpraxis erfolgt. Dies hat Einfluss auf die von den Führungskräften<br />

zu initiierenden Entwicklungsprozesse von einem Hilfsberuf zu einer ‚reifen Profession‘.<br />

Eine der zu bewältigenden Herausforderungen ist das zwischen Bürokratie und Profession bestehende Spannungsverhältnis.<br />

Ronald Corwin (1961: 606) hat schon früh in Bezug auf die Pflege auf gewisse Inkompatibilitäten zwischen<br />

Bürokratisierung und Professionalisierung hingewiesen und darauf, dass damit unterschiedliche Konzeptionen<br />

von Pflege verbundenen sind. Er nennt drei Konzepte: Das Konzept der Pflege als Amt (Bürokratie), d.h. durch Angestellte<br />

eines Krankenhauses; das Konzept der Pflege als einer verantwortungsvollen, unabhängigen Profession und<br />

wenn es sich um eine religiöse oder humanitäre Organisation (Wohltätigkeitseinrichtung) handelt, das Konzept der<br />

Pflege als eines öffentlichen Dienstes verstanden als Berufung. Alle drei Konzeptionen von Pflege verweisen auf unterschiedliche<br />

Identitäten, die beim Aufeinandertreffen notgedrungen miteinander in Konflikt geraten. Erfahrbar wird<br />

diese Unverträglichkeit der Konzepte insbesondere für diejenigen, die eine Ausbildung im Sinne <strong>des</strong> Professionskonzepts<br />

erfahren haben und beim Übergang in das Erwerbsleben in das bürokratische Arbeitsethos hinein sozialisiert<br />

werden. Für Corwin unterscheiden sich Bürokratien und Professionen im Sinne von Idealtypen in min<strong>des</strong>ten<br />

drei Punkten voneinander:<br />

1. im Grad der Standardisierung von Tätigkeiten und Verfahrensweisen<br />

2. im Grad der zugestandenen Autorität<br />

3. in der Beziehung zu organisatorischen Mitteln und Zielen, d.h. zu Effizienz und Standards (Corwin 1961:<br />

606).<br />

Kritisch sei, dass die von pflegetheoretisch inspirierten, größtenteils aus dem nordamerikanischen Raum stammenden<br />

PflegewissenschaftlerInnen bzw. –theoretikerInnen formulierten Ideen, die sie unter dem Begriff ‚therapeutic use of self’ bündelt,<br />

an der (Arbeits-)Wirklichkeit der Pflege vorbei zielten. Dieser Tatbestand ist inzwischen durch vielfältige Forschungen belegt,<br />

weshalb Allen vorschlägt, sich in Bezug auf das Mandat der Pflege an der Arbeitsrealität statt an empirisch schwach fundierten<br />

Pflege<strong>theorie</strong>n zu orientieren. Aus den diversen Untersuchungen und ihren eigenen hat Allen acht Arbeitsbündel und die Rolle<br />

eines Vermittlers (intermediary) als zentrale übergreifende Funktion der Pflege (s. auch Allen 2004, 2007) herausgearbeitet.<br />

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