09.12.2012 Aufrufe

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kapitel 8<br />

Im vorliegenden Kapitel hat sich gezeigt, dass menschliches Handeln als kooperatives Handeln, etwa die Pflege<br />

von Menschen, ganz allgemein mit Adaptations- und Lernprozessen für die daran Beteiligten verbunden ist. In<br />

Bezug auf die von der Pflegekraft zu initiierenden Lernprozesse hat Peplau einen aus acht Phasen155 bestehenden<br />

Lernprozess beschrieben (s. Kap. 5: 47f), in <strong>des</strong>sen Mittelpunkt die vom zu pflegenden Menschen zu modifizierenden,<br />

zu verlernendem, zu rehabilitierenden und/oder neu zu erlernenden Kompetenzen stehen. Wie mehrfach<br />

betont, hat Peplau den Fokus auf das interpersonelle Geschehen und Lernen gelegt. Dieser Fokus wird in<br />

der pragmatistisch-interaktionistischen Theorie <strong>des</strong> professionellen Pflegehandelns erweitert, insofern das Handeln<br />

der in die Pflege involvierten Menschen aus den verschiedenen Pflegebeziehungen – aus der Selbst-Selbst-<br />

Beziehung, der Selbst-Objekt-Beziehung sowie aus den Selbst-Anderen Beziehungen im Kontext der Arbeit an<br />

den beiden Pflegeverlaufskurven gedeutet wird. Zudem liegt der Fokus hier vor allem auf der Beziehung, die<br />

zwischen dem gewohnheitsmäßigen und dem reflexiven Handeln in Bezug auf das ästhetische Objekt der Pflege<br />

besteht, d.h. in Bezug auf das Selbst und den Körper. Um die beschriebenen Aufgaben wahrzunehmen, muss die<br />

professionelle Pflegekraft gemeinsam mit dem zu pflegenden Menschen das von ihm angestrebte ästhetische Objekt<br />

bestimmen, um anhand der vorhandenen Kompetenzen sowohl <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen wie ihrer eigenen<br />

die mit ihm bzw. ihr einzuschlagende Handlungslinie erarbeiten, überprüfen und umsetzen zu können. Kompliziert<br />

wird das Ganze dadurch, dass das Pflegehandeln <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen im Kontext eines Beziehungsgefüges<br />

zu sehen ist. So kann etwa eine Situation vorliegen, in der der zu pflegende Mensch ein Teil der<br />

auf sich selbst bezogenen Pflege übernimmt, während ein anderer Teil von anderen Personen (Vertrauten wie<br />

Fremden) übernommen wird. Pflegehandeln als Handeln in einem komplexen Beziehungsgefüge ist aufgrund der<br />

hierbei einzunehmenden unterschiedlichen, situations- und kontextgebundenen Rollen höchst variabel, schwer<br />

vorhersagbar, vielfältig und vielschichtig.<br />

In den in dieser Arbeit untersuchten pflegetheoretischen Ansätzen wurden von den Autorinnen zentrale Kompetenzen<br />

identifiziert, über die eine professionelle Pflegekraft verfügen sollte. Diese sind für die Arbeit an den<br />

Pflegeverlaufskurven und am Selbst der in eine Pflegebeziehung involvierten Personen wichtig. Laut Peplau<br />

werden der Pflegekraft zwei unterschiedliche, aufeinander bezogene Kompetenzen abgefordert, Selbstkompetenz156<br />

und die Kompetenz <strong>zur</strong> Urteilsbildung und Entscheidungsfindung157 . Verweist die erstgenannte Kompetenz<br />

auf die von der professionellen Pflegekraft geforderte Arbeit an der Verlaufskurve <strong>des</strong> eigenen Selbst,<br />

kann dieser Gedanke auch auf die Arbeit an ihren eigenen Pflegeverlaufskurven ausgedehnt werden. Der von allen<br />

Pflegetheoretikern mehr oder weniger deutlich formulierte Anspruch <strong>des</strong> ‚therapeutic use of self‘ bedingt<br />

eine kritische Reflexion der geleisteten Arbeit. Diese Reflexion ist nicht nur eine Voraussetzung für die Weiterentwicklung<br />

der Selbstkompetenz und der Kompetenzen in den beiden Pflegeformen, sondern auch für die<br />

Kompetenzen der Urteilsbildung und der Entscheidungsfindung. Die letztgenannte Kompetenz vermittelt zwischen<br />

dem zu Pflegenden und der Pflegekraft. In ihr kommt das Wissen zum Tragen, das eine Pflegekraft von<br />

der spezifischen Pflegesituation und den Kompetenzen <strong>des</strong> zu Pflegenden hat, sowie ihre Fähigkeit, dieses mit<br />

ihrem professionellen Wissen von pflegerischen Situationen, pflegerischen Phänomenen/Objekten und Krankheitsprozessen<br />

in Beziehung zu setzen und daraus ihr Handeln abzuleiten. Beide Kompetenzen setzen eine entwickelte<br />

Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme und zum intelligenten Mitfühlen voraus und sind daran gebunden.<br />

155 Hierzu zählen: Beobachtung, Beschreibung, Analyse, Formulierung, Validierung, Prüfung, Integration und Nutzung.<br />

Auch Roy und King sprechen von zu initiierenden Lernprozessen. Insgesamt ist der bildende Aspekt der Pflege in Bezug auf<br />

Gesundheit in der amerikanischen Pflege stark verankert. Dies ist im deutschsprachigen Raum nicht gleichermaßen der Fall,<br />

statt<strong>des</strong>sen ist das Thema der Patientenedukation ein von der Pflege erst noch zu besetzen<strong>des</strong> und zu entwickeln<strong>des</strong> Feld (s.<br />

auch Müller-Mundt 2011).<br />

156 Peplau fordert von der Pflegekraft eine kontinuierliche Selbstbeobachtung, damit sie ihre eigenen Interaktionsmuster in<br />

Bezug auf die von ihr zu pflegenden Menschen erkennt.<br />

157 Diese Kompetenz wird von allen als wichtig erachtet. Roy unterscheidet die diagnostische, die ethische und die therapeutische<br />

Schlussfolgerung.<br />

381

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!