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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

Ganz allgemein kommt es im Krankheitsfall zum Zusammentreffen verschiedener, sich gegenseitig bedingender<br />

Verlaufskurven: die Pflegeverlaufskurve der auf sich selbst bezogenen Pflege <strong>des</strong> Betroffenen, die Aktivierung<br />

der Pflegeverlaufskurven anderer Menschen, in deren Mittelpunkt die Pflege <strong>des</strong> kranken Menschen steht, und je<br />

nach Situation die Initiierung einer Krankheitsverlaufskurve oder die Reaktivierung einer im Hintergrund gehaltenen<br />

Krankheitsverlaufskurve. Zudem können über die Krankheit und die zu ihrer Behandlung notwendigen<br />

Technologien die Verlaufskurven im Zusammenhang mit technischen Geräten und Hilfsmitteln hinzukommen,<br />

die neben dem Erlernen ihrer Handhabung und der technischen Weiterentwicklungen den Betroffenen fortwährende<br />

Anpassungen abverlangen (s. Mathar 2010). Ein anderer Aspekt ist der, dass die fortwährenden Reorganisationen<br />

im Gesundheitswesen, die zu einer Verlagerung von Aufgaben auf die Betroffenen führen, neue Formen<br />

der Zusammenarbeit und Kooperation zwischen der zu pflegenden Person und dem System der professionellen<br />

Gesundheits- und Pflegeanbieter mit sich bringen (s. Allen 2009). Diese mit der Krankheit verbundenen Verlaufskurven<br />

verschränken sich mit den Pflegeverlaufskurven und der Verlaufskurve <strong>des</strong> Selbst sowie je nach der<br />

Position auf der Lebensspanne mit weiteren Verlaufskurven wie bspw. der Erwerbsverlaufskurve.<br />

Hieraus folgt, dass das pflegerische Handeln ganz allgemein und die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven und am<br />

Selbst nicht nur in einer eins-zu-eins-Beziehung, sondern in einem Netz von Beziehungen gesehen werden müssen.<br />

Die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven und am Selbst überschreitet gewissermaßen den persönlichen und<br />

privaten Raum. Sie umspannt, worauf King mit den von ihr beschriebenen Systemen hinweist, letzten En<strong>des</strong> den<br />

gesamten gesellschaftlichen Raum. Wird Kings Theorie der Zielerreichung, verstanden als Theorie <strong>des</strong> kooperativen<br />

Handelns, konsequent auf die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven übertragen, dann gilt es, die bei dieser<br />

Arbeit stattfindenden Transaktionen, die beim Vermitteln, Aneignen, Aufrechterhalten, Modifizieren, Rekonstruieren,<br />

Weiterentwickeln und Rehabilitieren pflegerischer Kompetenzen in Bezug auf spezifische Handlungsrollen<br />

vollzogen werden und die damit verbundenen Aushandlungsprozesse genauer zu betrachten. Unter Punkt 8.1<br />

wurden Kings personales, interpersonales und soziales System, verstanden als Handlungssysteme, aus der Perspektive<br />

<strong>des</strong> Konzepts der ‚sozialen Welten/Arenen‘ neu gedeutet. An dieser Stelle ist nunmehr ein weiterer<br />

Schritt zu tätigen, insofern als die Theorie der Zielerreichung um das Konzept der ‚ausgehandelten Ordnung‘<br />

(negotiated order) und <strong>des</strong> ‚strukturellen Ordnens‘ (s. Strauss 1993: 58f; 248ff) erweitert wird. Auf diese Weise<br />

werden die bei King unterstellten Prozesse <strong>des</strong> Aushandelns von Zielen zwischen der zu pflegenden und der<br />

pflegenden Person einschließlich der eingeschlagenen Strategien wie überzeugen, manipulieren, erziehen, nötigen,<br />

täuschen, stärken etc. in einen größeren gesellschaftlichen Kontext gestellt und in Bezug auf kollektives<br />

Handeln erweitert. Die Aushandlungsprozesse führen somit im familiären Kontext und in anderen gesellschaftlichen<br />

Institutionen nicht nur zu dem angestrebten Ziel der Fähigkeit <strong>zur</strong> auf sich selbst wie auf Andere bezogenen<br />

Pflege, sondern auch <strong>zur</strong> Herausbildung und Reproduktion von spezifischen Pflegearrangements einschließlich<br />

entsprechender Beziehungsmuster zwischen den involvierten Personen. Es ist von größter Bedeutung, die<br />

Pflege/das Pflegehandeln nicht nur in einer eins-zu-eins-Beziehung oder im familiären Kontext zu denken, sondern<br />

mit Blick auf komplexere Pflegearrangements auch im kollektiven Raum153 . Die in diesen Aushandlungsprozessen<br />

zum Tragen kommenden Strategien, die Strauss (1993: 59, 1994: 81, 83) als interaktionale Prozesse<br />

beschreibt, dienen dazu, die erforderlichen pflegerischen Arbeitsprozesse154 zu ermöglichen bzw. zu erweitern.<br />

Diese Aushandlungsprozesse erfolgen in Bezug auf pflegerische Fragen sowohl in privaten wie in öffentlichen<br />

Arenen, wobei die involvierten Personen als Mitglieder verschiedener sozialer Welten und in verschiedenen sozialen<br />

Rollen oder Funktionen aufeinander treffen.<br />

153 Hierzu gehört auch die gesellschaftliche Organisation von Pflegearrangements in Krankenhäusern, Pflegeheimen etc.<br />

154 Hierzu zählt er u.a. die Artikulation von Aufgaben, das Bereitstellen und Instandhalten von Mitteln, die Arbeitsteilung<br />

und Zuweisung von Aufgaben, die Durchführung von Aufgaben, die Überwachung und Bewertung der Arbeitsleistung (s.<br />

Strauss 1994: 83).<br />

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