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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

weise ist, die seine momentane Sicht auf sich selbst verstärken150 . Diese Situation verlangt insbesondere den<br />

professionellen Pflegekräften eine gewisse Wachsamkeit in Bezug auf ihr interpersonales und kommunikatives<br />

Handeln ab (s. auch Thorne et al 2005, Stajduhar et al. 2010).<br />

Grundsätzlich können die pflegenden Personen durch ihr Handeln dazu beitragen, den zu pflegenden Menschen<br />

zu befähigen, die mit dem pflegerischen Handeln verbundenen Erfahrungen in sein Leben zu integrieren. Wie<br />

wichtig es ist, die zu pflegende Person ins Zentrum <strong>des</strong> pflegerischen Handelns, insbesondere der professionellen<br />

Pflege zu stellen, zeigen vor allem Studien über Menschen mit chronischen Erkrankungen151 , aber auch Studien<br />

im Bereich der neonatologischen Pflege (s. auch Kap. 7). Neuere Studien zu Family Centered Care (FCC) weisen<br />

auf die negativen Folgen eines zu engen Pflegeverständnisses seitens der Pflegekräfte, aber auch von ForscherInnen<br />

hin. Ein solches kann dazu führen, nur die Mütter in die Versorgung einzubeziehen bzw. im Blick zu<br />

haben, während die Rolle der Väter in Bezug auf die Pflege <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> ausgeblendet wird. Verschiedene Arbeiten<br />

in diesem Bereich unterstreichen nicht nur die Notwendigkeit, beide Elternteile aktiv in die Pflege <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong><br />

mit einzubeziehen, sondern auch die Folgen, die ein Unterlassen für die Übernahme der Elternrolle152 hat<br />

(s. Nargorski Johnson 2008, Pohlmann 2009, Fegran/Helseth 2009). Barbara Paterson (2004: 22f) zeigt anhand<br />

ihres auf der Basis ihrer Metaanalyse von Forschungen über chronisch Kranke entwickelten Modells der ‚wechselnden<br />

Perspektiven‘ auf, wie wichtig es ist, in der Pflege wechselnde Perspektiven einzunehmen. Danach kann<br />

man sich das Leben mit einer chronischen Erkrankung als einen fortwährenden kontinuierlichen Prozess von<br />

sich abwechselnden Perspektiven vorstellen, wo einmal die Krankheit, ein anderes Mal das Wohlbefinden im<br />

Vordergrund steht. Es liegt auf der Hand, dass alles dieses Folgen für die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven<br />

und der <strong>des</strong> Selbst der betroffenen Personen hat. Es zeigt sich damit, dass erst auf Basis der Kenntnis <strong>des</strong>sen, wie<br />

sich das Krankheitsgeschehen und die Behandlung auf beide Formen <strong>des</strong> Pflegehandelns auswirken, seitens der<br />

professionellen Pflege die erforderliche Modifikation, Rekonstruktion und Re-Habitualisierung der Kompetenzen<br />

<strong>zur</strong> auf sich selbst und auf Andere bezogenen Pflege bzw. deren De-Habitualisierung und das Neuerlernen<br />

entsprechender Kompetenzen eingeleitet und begleitet werden kann. Diese Kompetenzen sind, wie gezeigt,<br />

in den Lebensgewohnheiten der Menschen, d.h. in den einzelnen AL verkörpert. Sie stehen darüber hinaus<br />

in Beziehung zu einer Vielzahl von Rollen/Funktionen, die der zu pflegende Mensch in den sozialen Welten/Arenen<br />

einnimmt und die ihm in den verschiedenen Handlungssituationen abverlangt werden. Deren Ausübung<br />

ist durch eine Krankheit potenziell gefährdet. Dieser Sachverhalt ist bei der anstehenden Rehabilitation<br />

der Kompetenzen in beiden Pflegeformen ebenso zu berücksichtigen, wie der Umstand, dass dem Menschen<br />

durch die Krankheit neue Rollen zuwachsen. Das Erleben eines Statuswechsels und die Erfahrungen der Transition<br />

können ebenfalls Einfluss auf seine Kompetenz <strong>zur</strong> selbstbezogenen und <strong>zur</strong> auf andere Menschen bezogenen<br />

Pflege und damit auf sein Selbst haben. Dieser Zusammenhang wird bei King über das Konzept der Rolle im<br />

interpersonalen System angesprochen, bei Roy vor allem über den Adaptationsmodus der Rollenfunktion und bei<br />

Peplau über die vom Menschen zu bewältigen Aufgaben, insbesondere über die Fähigkeit <strong>zur</strong> Partizipation.<br />

150 Peplau, aber insbesondere King haben auf die Notwendigkeit hingewiesen, Pflege und Krankheitsphänomene in einem<br />

über die engere professionelle Pflegebeziehung hinausgehenden Kontext zu deuten, d.h. vor dem Hintergrund <strong>des</strong> Lebens <strong>des</strong><br />

zu pflegenden Menschen, da pflegerische Erfahrungen und Krankheitserfahrungen in dieses Leben integriert werden müssen.<br />

151 Lomborg et al (2005, und Lomborg/Kirkevold (2005/2007) zeigen am Beispiel der assistierten persönlichen Körperpflege<br />

(d.h. einem Bad oder der Ganzkörperwäsche im Bett) von Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)<br />

auf, wie komplex das Pflegehandeln seitens der zu pflegenden wie der pflegenden Person ist. In der von ihnen untersuchten<br />

Patientengruppe bedingte die Atemnot der zu pflegenden Menschen deren Wohlbefinden und die Rolle bei der Körperpflege,<br />

d.h. das das Pflegehandeln an die funktionellen Möglichkeiten <strong>des</strong> Patienten angepasst werden musste, um das Risiko der<br />

Kurzatmigkeit und Atemnot zu minimeren. Sie weisen u.a. auf die Bedeutung der wechselseitigen und situativen Anpassung<br />

von Patient und Pflegekraft während <strong>des</strong> Waschvorgangs hin und wie eine solche aufgrund fehlender Kenntnisse der Pflegekraft<br />

über die aktuelle Situation <strong>des</strong> Patienten beeinträchtigt werden kann, was Folgen für beide in Bezug auf ihre Erfahrungen<br />

einer unterstützenden Körperpflege hätte.<br />

152 An dieser Stelle wirken auch vergeschlechtlichte traditionelle Vorstellungen von der Rolle von Frauen und Männer, die<br />

dazu führen, die Aufmerksamkeit primär auf die Mutter zu lenken.<br />

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