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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

gen werden, dass die sich in den Gewohnheiten ausdrückende Handlungs- und Leistungsfähigkeit bei allen zu<br />

pflegenden Menschen gleich ist, noch ist die Beeinträchtigung in diesen durch eine Krankheit dieselbe. Weiter<br />

kann es bei einem Versagen <strong>des</strong> Körpers zu einer Veränderung der Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung<br />

kommen, was Konsequenzen für das weitere Handeln auf verschiedenen Ebenen hat. In Tabelle 8. 4 sind diese in<br />

der rechten Spalte zusammengefasst. Mit Blick auf die allgemeine Handlungs- und Leistungsfähigkeit (Performance)<br />

<strong>des</strong> betroffenen Menschen in den beiden Pflegeformen helfen die in Kap. 3.4.4 von Corbin/Strauss 144<br />

(1988/1993: 57/49) erwähnten verschiedenen Dimensionen <strong>des</strong> Handelns145 , die Auswirkungen der Krankheit<br />

auf die auf sich selbst und auf Andere bezogene Pflege der betroffenen Person einzuschätzen:<br />

1. Handeln für sich selbst<br />

2. für die anderen<br />

3. vor den anderen<br />

4. mit den anderen<br />

5. durch die anderen<br />

6. das äußere Erscheinungsbild der Handlung<br />

7. und das Erscheinungsbild <strong>des</strong> Handelnden.<br />

Diese Dimensionen werden beim Handeln auf unterschiedlichste Art und Weise kombiniert, wobei sich ein erfolgreiches<br />

Pflegehandeln positiv auf das Selbst, auf das Selbstkonzept, die Identitäten und das jeweilige Körperbild<br />

auswirkt, während diese bei erfolglosem Handeln in Frage gestellt werden und zu entsprechenden Abwehrstrategien<br />

führen können. In diesem Zusammenhang verweist der Begriff der ‚Performance‘ (Durchführung)<br />

zum einen auf die Fähigkeit, eine bestimmte Handlung auszuführen, zum anderen auf das für Andere beobachtbare<br />

Erscheinungsbild dieses Handelns. Dieses wiederum kann Andere zu vielfältigen Handlungsweisen<br />

auffordern (s. auch Thorne 1993, Corbin/Strauss 1988).<br />

Die Auswirkungen von Krankheit auf die Pflege sind bis hier vor allem aus der Sicht der Kompetenz <strong>zur</strong> auf sich<br />

selbst bezogenen Pflege betrachtet worden. Dies ist aber nur eine Seite. Sie können sich genauso gut auf die Fähigkeit<br />

<strong>des</strong> zu pflegenden Menschen <strong>zur</strong> Pflege anderer Menschen auswirken, indem sie diese beeinträchtigt oder<br />

im schlimmsten Fall zum völligen Erliegen bringt. In diesem Kapitel ist verschiedentlich darauf hingewiesen<br />

worden, dass die Kompetenz <strong>zur</strong> Pflege anderer Menschen in der Gesellschaft offensichtlich je nach Geschlechtszugehörigkeit<br />

anders ein- und abgefordert wird. Ungeachtet <strong>des</strong>sen kann die Beeinträchtigung dieser<br />

Fähigkeit Folgen für die diversen sozialen Beziehungen und sozialen Rollen/Funktionen eines Menschen haben<br />

und die Neukonfiguration von Pflegearrangements verlangen. So kann es etwa <strong>zur</strong> Veränderung bestehender<br />

Pflegearrangements kommen, und wie im Fall von Kindern bzw. Jugendlichen als Pflegenden können sich zuvor<br />

bestehende Abhängigkeitsverhältnisse in Pflegebeziehungen umkehren (s. Metzing-Blau 2007, Metzing-<br />

Blau/Schnepp 2008a + b). Weiter kann die krankheitsbedingte temporäre oder dauerhafte Abhängigkeit von der<br />

Pflege dazu führen, dass die Fähigkeit <strong>des</strong> betroffenen Menschen <strong>zur</strong> auf sich selbst bezogenen und <strong>zur</strong> Pflege<br />

Anderer in einer Selbst-Anderen- bzw. in einer zwischenmenschlichen Beziehung mit vertrauten oder fremden<br />

Personen zusätzlich zu den Auswirkungen der Krankheit als Folge <strong>des</strong> interpersonellen Handelns und der damit<br />

verbundenen Beziehungsdynamik, der vorherrschenden Beziehungsmuster und der Fähigkeit der involvierten<br />

Personen <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme und zum intelligenten Mitfühlen beeinträchtigt, eingeengt oder erweitert<br />

wird.<br />

144 Es werden hier nicht alle Aspekte referiert, auf die Corbin/Strauss eingehen. Sie haben den kranken Menschen und Körper<br />

zum Ausgangspunkt ihrer theoretischen Reflexionen und empirischen Erkenntnisse genommen, wohingegen in dieser<br />

Arbeit, die wichtige Inspirationen aus den Arbeiten von Strauss et al. (1985), Strauss (1993) und Corbin/Strauss (1988, s. vor<br />

allem Kap. 4-6) erhalten hat, der gesunde Mensch und Körper Ausgangspunkt der pragmatistisch-interaktionistischen Theorie<br />

<strong>des</strong> Pflegehandelns ist.<br />

145 Wenn der als selbstverständlich erachtete Fluss der täglichen Handlungsroutinen (wie Essen, Körperpflege, seinem Beruf<br />

nachgehen usw.) ins Stocken gerät, kann das Ausmaß der benötigten Anpassungsleistungen sehr unterschiedlich ausfallen,<br />

und zwar danach, ob es sich um eine akute oder eine chronische Erkrankung handelt und danach, welches Image mit dieser<br />

Krankheit in einer Gesellschaft verbunden wird.<br />

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