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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

Beginn <strong>des</strong> Lebens müssen diese zunächst einmal entwickelt und habitualisiert werden132 , damit sie im späteren<br />

Verlauf <strong>des</strong> Lebens, in den Worten Roys, an sich ändernde Situationen immer wieder neu adaptiert werden können.<br />

Vor dem Hintergrund gemachter Erfahrungen werden die vorhandenen Kompetenzen in neuen Situationen<br />

mehr oder weniger erfolgreich adaptiert, modifiziert und rekonstruiert. Nach dem pragmatistischen Verständnis<br />

ist ein springender Punkt der, ob unsere Kompetenzen aus starren, eingefahrenen Gewohnheiten oder aus intelligenten<br />

bzw. flexiblen Gewohnheiten bestehen. Dieses ändert die Ausgangslage der mit der Adaptation verbundenen<br />

Lernprozesse. Je nach Position auf der Lebensspanne und nach Entwicklungsstand <strong>des</strong> betroffenen Menschen<br />

kann die durch eine Krankheit hervorgerufene Unterbrechung <strong>des</strong> gewohnten Handlungsflusses in dem<br />

auf ihn selbst und/oder auf andere Menschen bezogenen Pflegehandeln nicht nur mit sehr unterschiedlichen<br />

Konsequenzen für beide Formen <strong>des</strong> Pflegehandelns verbunden sein, sondern auch verschiedene Voraussetzungen<br />

für deren weiteren Habitualisierung, De- und Re-Habitualisierung bedeuten. Dazu kann die Unterbrechung<br />

von unterschiedlichem Ausmaß und unterschiedlicher Dauer sein. Hervorzuheben ist, dass das pflegerische<br />

Handeln als ‚going concern‘ nach dem hier entfalteten pragmatistisch-interaktionistischem Verständnis menschlichen<br />

Handelns eingebettet ist in einen Prozess durchzuführender Handlungen und bereits gemachter Handlungen,<br />

die als Erfahrungen das im Gang befindliche Pflegehandeln mit bedingen. Grundsätzlich werden Pflegeerfahrungen<br />

in der ‚trügerischen‘ Gegenwart gemacht, wobei sich neue Erfahrungen in alte einschreiben und diese<br />

wiederum als Bedingungen für zukünftige fungieren. Die Veränderungen finden im Prozess (prozesshaft) und in<br />

unterschiedlichem Umfang und unterschiedlicher Qualität statt.<br />

In diesem Sinn kann die zwischen Pflege und Krankheit bestehende Beziehung als ein Verhältnis zwischen den<br />

bereits habitualisierten Kompetenzen und den in Folge von Krankheit zu de-habitualisierenden bzw. neu zu<br />

habitualisierenden Kompetenzen in den beiden Formen pflegerischen Handelns beschrieben werden (s. auch<br />

Kap. 3.4.2). Vor dem hier entfalteten Verständnis von Gewohnheiten als zentralen Handlungsformen und Funktionsweisen<br />

richtet sich der Blick nicht zuerst auf Defizite. Er wird statt<strong>des</strong>sen auf das pflegerische Handlungsvermögen<br />

<strong>des</strong> betroffenen Menschen gelenkt, das sich in der täglichen Pflege fortwährend realisiert, und darauf,<br />

wie das sich in den AL ausdrückende Pflegehandeln unter den Bedingungen von Krankheit fortgesetzt werden<br />

kann. Letztere kann zum teilweisen bis vollständigen Zusammenbruch einer bis aller mit dem Pflegehandeln<br />

verbundenen Gewohnheiten führen. Mit anderen Worten: es geht um die Frage von Kontinuität trotz <strong>des</strong> durch<br />

die Krankheit erzwungenen Wandels. Für Peplau, Roy und King besteht das Ziel der professionellen Pflege<br />

trotz unterschiedlicher Schwerpunktsetzung in der Erhaltung bzw. Wiedererlangung von Gesundheit. Im RLT-<br />

Modell ist Gesundheit als allgemeines Ziel nur eines von mehreren anzustrebenden Zielen. Der Schwerpunkt <strong>des</strong><br />

professionellen pflegerischen Handelns ist nicht nur darauf ausgerichtet, Gesundheit zu erhalten und Krankheit<br />

zu verhüten, sondern es geht vor allem darum, die Selbsthilfe zu fördern und auf die maximale Unabhängigkeit<br />

<strong>des</strong> zu pflegenden Menschen hinzuwirken. Weiter gehört dazu, für eine geringstmögliche Unterbrechung bisheriger<br />

Gewohnheiten133 in den AL Sorge zu tragen. Dies ist nur möglich, wenn die professionelle Pflege ihr Handeln<br />

an den Pflegekompetenzen <strong>des</strong> zu Pflegenden in den beiden Pflegeformen und an seinem Leben orientiert.<br />

Es ist der zu Pflegende, der die Erfahrung von Krankheit in sein Leben integrieren und entsprechende Formen<br />

der Bewältigung von Krankheit finden muss. Anders als in den Vorstellungen von Peplau, Roy und King ist der<br />

Gedanke der Rehabilitation im RLT-Modell stärker enthalten. Er zielt hier auf die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit<br />

als Voraussetzung einer ‚relativen Gesundheit‘. Dieser Gedanke kommt jedoch nicht zum Vorschein,<br />

wenn die AL auf Einzeltätigkeiten reduziert und losgelöst von den Fähigkeiten <strong>des</strong> zu Pflegenden und<br />

von seinem Lebenskontext einseitig aus der Perspektive der Krankheit bzw. der körperlichen Funktionsweisen<br />

betrachtet werden. Mit Blick auf das heutige Vorherrschen chronischer Erkrankungen kann das im RLT-Modell<br />

132 Der zu pflegende Mensch ist keine Tabula rasa, sondern geprägt durch die vielfältigen Erfahrungen, die er in der aktiven<br />

Auseinandersetzung mit Menschen und mit seinen Umwelten macht.<br />

133 Hierbei ist zu differenzieren zwischen gesundheitsfördernden und gesundheitsbeeinträchtigenden bzw. -gefährdenden<br />

Gewohnheiten.<br />

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