09.12.2012 Aufrufe

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kapitel 8<br />

einhergehenden Prozess der Distanzierung kommt es zu einer Trennung von den Anderen und den Dingen im<br />

Sinne der Selbstbehauptung. Die Funktionsweise von Körper und Selbst kommt in den sozialen Rollen und Identitäten<br />

<strong>des</strong> Menschen in den sozialen Welten/Arenen, an denen er teilhat, zum Ausdruck. In den sozialen Welten/Arenen<br />

werden die beide zentralen pflegerischen Objekte einer Bewertung durch Andere unterzogen und<br />

damit auch die erworbenen Kompetenzen in den beiden Pflegeformen. Beim reflexiven Handeln, das sich erst<br />

nach einer länger währenden Phase der Gewohnheiten-Bildung voll entfalten kann, verfügt der Mensch über die<br />

Mittel, das angestrebte ästhetische Objekt zu untersuchen und zu analysieren, es von unterschiedlichen Standpunkten<br />

aus zu betrachten. Weiter kann er das einzuschlagende pflegerische Handeln in Bezug auf das angestrebte<br />

Objekt experimental oder hypothetisch-gedanklich im Selbstgespräch durchspielen und dabei verschiedene<br />

Handlungsmöglichkeiten überprüfen, bevor er diese in den sozialen Welten/Arenen einer konkreten Bewährungsprobe<br />

ausgesetzt. Hierbei schafft die dem Menschen eigene Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme wie zum<br />

intelligenten Mitfühlen den erforderlichen Raum, um neue Wege zu beschreiten und bestehende Gewohnheiten<br />

im Moment ihrer Durchbrechung zu transformieren. Dieser Prozess ist mit Trennungen und der Eröffnung neuer<br />

Möglichkeiten verbunden. Pflege als dynamisches Handeln beinhaltet Kontinuität durch Wandel, mittels Identifikation<br />

und Trennung bzw. Distanzierung. Dieser paradoxe Zusammenhang ist für die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven<br />

und am Selbst von grundlegender Bedeutung. Der unter Pkt. 8.1. erwähnten Grenzarbeit kommt<br />

hier eine wichtige Rolle zu, da die Veränderungen an den Rändern erfolgen bzw. an dem Punkt, den Mead mit<br />

dem Begriff der ‚Passage’, also <strong>des</strong> Übergangs beschreibt. Zur Verdeutlichung dieses Umstands wurde in Abbildung<br />

8.7. die AL Sterben umgeändert in die AL Lernen und Bewältigen von Wandel – Veränderung – Sterben.<br />

Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass es bei der Tendenz, eine neue Gewohnheit zu bilden (s.<br />

Kap. 3), immer zu einer Unterbrechung einer alten Gewohnheit kommt. Dies führt neben Instabilität oder Desorganisation,<br />

zu Neuheit, zu Emergenz und zu unerwarteten und nicht vorhersagbaren Kombinationen und an einem<br />

bestimmten Punkt auch zum Sterben.<br />

Im nächsten Abschnitt wird der Frage nachgegangen, was passiert, wenn Krankheit ins Spiel kommt. Es geht darum,<br />

in groben Umrissen die Konsequenzen, die sich daraus für die Arbeit an den beiden Pflegeverlaufskurven<br />

und am Selbst allgemein und aus der Sicht der professionellen Pflege ergeben, aufzuzeigen.<br />

8.4 SICH KREUZENDE VERLAUFSKURVEN: PFLEGE-, SELBST- UND KRANKHEITSVERLAUFS-<br />

KURVEN<br />

‘Nothing about me without me!’ 129 (Delbanco et al. 2001)<br />

Ausgangspunkt der in dieser Arbeit untersuchten pflegetheoretischen Ansätze ist der zu pflegende Mensch mit<br />

seinem spezifischen Bedarf an Pflege und die Aufrechterhaltung von Lebensprozessen. In diesem Kontext wird<br />

die Krankheit als ein Teil <strong>des</strong> Lebens <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen gesehen, der Einfluss auf den gewohnten<br />

Gang <strong>des</strong> täglichen Lebens hat. Im Mittelpunkt der Arbeit an den Pflegeverlaufskurven und am Selbst stehen<br />

Gewohnheiten in den AL, die der Aufrechterhaltung von Lebensprozessen und der Meisterung <strong>des</strong> Lebens <strong>des</strong><br />

Menschen in den unterschiedlichsten Rollen in den verschiedenen sozialen Welten/Arenen dienen. Im vorigen<br />

Abschnitt wurde die Bedeutung der Gewohnheiten und <strong>des</strong> ästhetischen Objekts für die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven<br />

und am Selbst herausgearbeitet. Hierbei ist der Mensch auf den eigenen Körper ebenso wie auf andere<br />

Menschen angewiesen. Je nach Lebensumständen und Situationen müssen die entsprechenden Kompetenzen<br />

in beiden Formen <strong>des</strong> Pflegehandelns modifiziert, angepasst, verlernt und ggf. neu erlernt werden. In Bezug<br />

auf das allgemeine Ziel der Aufrechterhaltung von Lebensprozessen besteht das auf sich selbst und auf Andere<br />

bezogene Pflegehandeln zunächst einmal im Vermitteln, Aneignen, Habitualisieren, Modifizieren, Aufrechterhalten<br />

und Rekonstruieren von Kompetenzen im Bereich der AL, die das eigene und das Überleben anderer<br />

Menschen sichern und den Menschen befähigen, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Im Fall von<br />

129 Dies war das leitende Prinzip einer fünftägigen Klausur in Salzburg, wo es darum ging, sich eine Gesundheitsversorgung<br />

in einem Land namens PeoplePower vorzustellen (s. Delbanco et al. 2001).<br />

367

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!