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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

nungsbild. Weiter sind die verschiedenen Gewohnheiten in den einzelnen AL in Beziehung zu den sozialen Rollen<br />

und den damit verbundenen Identitäten zu sehen. Diese Gewohnheiten können in einer Vielzahl von Kombinationen<br />

zum Ausdruck gebracht werden und so bestimmte Aspekte einer Rolle und sozialen Identität betonen.<br />

Auch wenn diese Gewohnheiten vermittels sozialer Normen Regelungen unterliegen, sind sie zugleich etwas<br />

sehr Persönliches, das über das Pflegehandeln, verstanden als Ausdruckshandeln, immer auf das Ganze, d.h. auf<br />

das jeweils im Mittelpunkt stehende ästhetische Objekt und damit auf bestimmte Aspekte <strong>des</strong> menschlichen<br />

Körpers und Selbst gerichtet ist.<br />

In diesem Zusammenhang kommt den pflegenden Personen vor allem eine vermittelnde Funktion zu, die je<br />

nach der Situation auf unterschiedliche Schwerpunkte gerichtet ist. Wie oben dargestellt, erklären die pflegenden<br />

Personen dem Kind die pflegerische Situation, arrangieren dieselbe und passen sie an. In dieser Beziehung<br />

wird die Kompetenz der pflegenden Person, andere Menschen zu pflegen, für diese zu einem Mittel, den unterbrochenen<br />

Fluss <strong>des</strong> auf sich selbst gerichteten Pflegehandelns wieder in Gang zu setzen. Diese Funktion klingt<br />

bei Peplau an, wenn sie die Pflegekraft als ein ‚edukatives Instrument‘ bezeichnet. Damit diese vermittelnde<br />

Funktion wahrgenommen werden kann, müssen die Kompetenzen, über die der zu pflegende Mensch/das Kind<br />

in den beiden Formen <strong>des</strong> Pflegehandelns potenziell verfügt, entwickelt werden und dabei zu den im Fokus stehenden<br />

AL und den entsprechenden Lebensprozessen in Beziehung gesetzt werden. Sodann müssen die sich<br />

entwickelnden Kompetenzen anerkannt werden, damit sich das Kind mit ihnen identifizieren kann. Auf dieser<br />

Grundlage können die Kompetenzen weiterentwickelt und entweder aufrechterhalten oder modifiziert oder rekonstruiert<br />

werden. Nur so hat das Kind/der Mensch die Möglichkeit, unterschiedlichste Pflegesituationen zu<br />

bewältigen. In diesem Zusammenhang muss die von Peplau beschriebene Erfahrungsbildung in einem erweiterten<br />

Kontext gesehen werden. Sie muss um die gesamte Bandbreite möglicher menschlicher Erfahrungen in Bezug<br />

auf die Pflege ergänzt und auf das ästhetische Objekt bezogen werden. Denn die Art, wie der Mensch das<br />

auf sich selbst und auf Andere bezogene Pflegehandeln organisiert, beeinflusst die emotionale Bedeutung dieses<br />

Handelns und zwar je nachdem, welchen Wert er dem erfolgreichen Vollzug <strong>des</strong> Pflegehandelns beimisst127 . Die<br />

beim Pflegehandeln gemachten Erfahrungen können die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven höchst unterschiedlich<br />

beeinflussen und dem Menschen unterschiedliche Anpassungsleistungen abverlangen. Dies nicht zuletzt<br />

<strong>des</strong>halb, weil unsere Beziehungen zu den Anderen nach Mead (2001b: 28) durch das bestimmt werden, was wir<br />

tun und was wir können128 .<br />

Pflegerische Erfahrungen sind eine notwendige Voraussetzung, damit das sich entwickelnde Kind Vorstellungen<br />

in Bezug auf die Pflege und die Objekte <strong>des</strong> pflegerischen Handelns entwickeln kann. Emotionale Erfahrungen<br />

sind der Ausgangspunkt für die Bildung von Gewohnheiten <strong>des</strong> Sehens, Hörens, Tastens etc. Sie legen das Material<br />

für die ‚working images’. Im Zuge der weiteren Entwicklung, d.h. in der Phase <strong>des</strong> Spiels werden diese verschiedenen<br />

Erfahrungen miteinander in Beziehung gesetzt, so dass sich ein Sinnganzes, das ästhetische Objekt<br />

bilden kann, hier der Körper und das Selbst. Erfahrungen, Images und Objekte sind ihrerseits die Voraussetzung<br />

für die schrittweise Herausbildung von Kompetenzen in beiden Formen <strong>des</strong> Pflegehandelns, die wiederum an die<br />

gleichzeitige Herausbildung der Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme und zum intelligenten Mitgefühl gebunden<br />

ist. Es handelt sich um einen in interpersonalen Beziehungen erfolgenden, über die Sprache und körperliche<br />

Funktionen vermittelten Differenzierungsprozess, bei dem es zunächst zu einer Identifikation mit Anderen und<br />

mit ‚etwas‘ kommt. Über den mit der Perspektivenübernahme und der Entwicklung <strong>des</strong> intelligenten Mitfühlens<br />

127 Emotionen können aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Einen guten Überblick für<br />

unterschiedliche Ansätze im Bereich der Soziologie geben Turner/Stets (2009). Hiernach können Emotionen in primäre und<br />

sekundäre Emotionen unterschieden werden, die in bestimmten Kombinationen und unterschiedlicher Intensität auftreten<br />

können. Für die Pflege sind insbesondere jene interessant, die in interpersonalen Situation in unterschiedlichen sozialen<br />

Kontexten das menschliche Handeln leiten. Im Bereich der Pflege ist dieses Thema vor allen aus dem Blickwinkel der zu<br />

leistenden Gefühlsarbeit (emotional labor, s. auch FN 20, Kap. 3) und im Zusammenhang mit Care und Caring aufgegriffen<br />

worden, d.h. aus der Perspektive der Pflegenden, aber nicht als ein grundlegen<strong>des</strong> Thema pflegerischen Handelns.<br />

128 Das Gefühl folgt einer Handlung und nicht umgekehrt.<br />

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