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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

in der ästhetische Erfahrungen gemacht und ästhetische Objekte (Symbole) gebildet werden, erfolgt über die Eltern<br />

und andere Bezugspersonen vermittels der Sprache und der Auseinandersetzung mit der umgebenden Welt<br />

und den Menschen die Vermittlung von Sinn und mit ihnen von Werten (s. auch Deegan 2001b, Kap. 3). Meads<br />

Bemühung bestand nach Bredo (2010: 329) darin, das er der Bedeutung, die dem Spiel, Emotionen und ästhetischen<br />

Vorstellungen für die Entwicklung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zukommt, größere Anerkennung verschaffen wollte. Er<br />

wollte aufzeigen, dass aus entwicklungsbezogener Sicht spätere mehr spezialisierte Aktivitäten nicht ohne einen<br />

geeigneten sozioemotionalen Kontext entstehen (s. Bredo 2010: 329). Für die Entwicklung der Perspektivenübernahme<br />

hat das Spiel als Form <strong>des</strong> sozialen Handelns <strong>des</strong>halb eine zentrale Funktion, weil sich in dieser Zeit<br />

nach Gillespie ‚soziale Institutionen‘ mit etablierten Positionen ausbilden. Im Fall der Pflege ist es die institutionalisierte<br />

Form der Pflegebeziehung mit der Position <strong>des</strong> zu pflegenden Kin<strong>des</strong>/Menschen und der pflegenden<br />

Person - Mutter/Vater, andere Bezugspersonen, Pflegekraft - (s. Gillespie 2005: 27, 2006: 88). Die Form ‚zu<br />

Pflegender/Pflegender‘ bleibt als soziale Struktur über die Zeit stabil. Mit der Einführung der Elemente Zeit und<br />

soziale Struktur in sein Verständnis menschlichen Handelns gelang es Mead mit Hilfe dieser beiden Aspekte<br />

aufzuzeigen, dass sich die Positionen von Selbst und den Anderen umkehren können. Das kindliche Spiel ist<br />

dafür ein deutlicher Beleg. In diesem Zusammenhang muss zwischen Perspektiven und sozialen Positionen unterschieden<br />

werden. Nach Gillespie stützt sich jede soziale Position auf eine Perspektive. Diese strukturiert ihrerseits<br />

die Erfahrung <strong>des</strong>jenigen, der diese Position innehat, wie bspw. in der Pflege die Position <strong>des</strong> zu Pflegenden<br />

die Erfahrung von Anderen abhängig zu sein strukturiert. Ein anderer Aspekt ist, dass es beim sozialen Handeln<br />

häufig zu einem Austausch von sozialen Positionen kommt. Wenn das Kind im Spiel die soziale Position der jeweils<br />

komplementären Rolle einnimmt, z.B. die der Mutter oder die <strong>des</strong> Verkäufers, kann es auf diese Weise die<br />

Perspektive <strong>des</strong> Anderen einnehmen und sie durch das aktive Aufgreifen und Darstellen dieser Position mit der<br />

Zeit kultivieren (s. auch Kap. 3.2.2.4). Der entscheidende Punkt ist, dass das Spiel die Möglichkeit bietet, komplementäre<br />

und nicht vergleichbare Positionen, d.h. unterschiedliche Perspektiven miteinander zu paaren bzw. zu<br />

integrieren. Dies ist eine wichtige Voraussetzung um anfänglich zwei, später mehrere Perspektiven zugleich einnehmen<br />

zu können. Diese Integration von Perspektiven wird nach Mead durch drei Mechanismen ermöglicht: 1.<br />

durch die Erhöhung der Bewegung zwischen komplementären Rollen, 2. durch Regeln und 3. durch das besondere<br />

Merkmal der vokalen Geste (s. Gillespie 2005: 29f). Das Besondere der vokalen Geste besteht in diesem<br />

Zusammenhang darin, dass das Hören der eigenen Stimme wie die Stimme der Anderen dem Menschen erlaubt,<br />

mühelos, unmittelbar und verhältnismäßig zeitgleich auf sich selbst so zu reagieren wie andere auf ihn reagieren<br />

(s. Martin et al 2008: 299). Die Bedeutung <strong>des</strong> Positionswechsels innerhalb <strong>des</strong> sozialen Handelns besteht nach<br />

Gillespies Interpretation von Mead darin, dass dieser Positionswechsel die Perspektivenübernahme mit einem<br />

‚Gerüst‘ versieht. Den Unterschied zwischen Meads Position und derjenigen anderer Autoren, die sich mit diesen<br />

Entwicklungsprozessen befasst haben, erläutert Gillespie anhand <strong>des</strong> Triangels ‚Selbst, Anderer und Objekt‘.<br />

Mit diesem Triangel wird das Kind beim sozialen Handeln fortwährend konfrontiert, d.h. es macht damit<br />

Erfahrungen. Für Mead ist die soziale Position <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> bei der Auseinandersetzung mit Dingen und anderen<br />

Menschen keine fixierte, sondern eine bewegliche. Das Kind bewegt sich mit seinem Körper auf etwas bzw. jemanden<br />

zu und nimmt dabei einen Positionswechsel vor. Mittels <strong>des</strong> Positionswechsels beim Handeln wird das<br />

Kind instand gesetzt, komplementäre Perspektiven zu kultivieren, zu differenzieren und zu integrieren. Erst<br />

wenn diese Integration erfolgt ist, ist das Kind in der Lage, die Perspektive Anderer ohne einen Positionswechsel<br />

einzunehmen. Der wiederholte Positionswechsel innerhalb sozialer Handlungen ist der Motor, der die Differenzierung<br />

und Integration von Perspektiven fördert, so dass das Kind befähigt wird, an zwei verschiedenen Perspektiven<br />

<strong>zur</strong> gleichen Zeit zu partizipieren122 (Gillespie 2006: 89f). Bezogen auf die beiden zentralen Objekte<br />

Lebensjahr beobachtbar. In dieser Phase setzt der Prozess der Ausbildung einer psychischen Grenze ein. Diese erlaubt, das<br />

eigene Erleben von dem eines Anderen abzugrenzen (s. Kienbaum 2010: 214ff).<br />

122 Gillespie (2006: 90f) belegt am Beispiel <strong>des</strong> Versteckspiels die Funktionsweise <strong>des</strong> Positionswechsels. Dieses verlangt<br />

den Kindern zunächst die Differenzierung zwischen zwei Positionen ab, d.h. zwischen dem sich versteckenden Kind und<br />

dem suchenden Kind und im zweiten Moment, deren Integration, so dass sie beim Spiel ihr Handeln entsprechend der jeweils<br />

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