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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

Anderseits drückt es den Wert der Erfahrung im Bezug auf Andere aus. Die Ausdruckshandlung ist nicht so<br />

sehr der Ausdruck einer bereits vorhandenen Bedeutung als vielmehr ein Bewusstwerden von Bedeutung<br />

[Hervorhebung MMK] im Rahmen <strong>des</strong> sozialen Verkehrs. Die eigene Haltung wird durch Gesten, also die<br />

soziale Reaktion <strong>des</strong> Anderen interpretiert. Somit wird man sich <strong>des</strong> Wertes der vergangenen Erfahrung im<br />

Objekt durch <strong>des</strong>sen Ausdruck gegenüber anderen bewusst“.<br />

Der Punkt, auf den es hier nach Mead ankommt, ist,<br />

„dass die Bedeutung unserer eigenen Haltung gegenüber einem Anderen in Begriffen der Haltung eines Anderen<br />

gegenüber uns interpretiert wird, und dass das ästhetische Objekt die Entwicklung, Externalisierung<br />

einer Haltung oder Geste ist“ (PE: 137)<br />

Werden an dieser Stelle wiederum die Vorstellungen der diskutierten Pflegetheoretikerinnen zu den zentralen<br />

Objekten pflegerischen Handelns befragt, weisen sie alle mehr oder weniger implizit auf den doppelten Symbolcharakter<br />

(ein Symbol von etwas und ein Symbol für jemanden) dieser Objekte hin, wenn sie von der Bedeutung<br />

<strong>des</strong> Selbstsystems, <strong>des</strong> Selbst, <strong>des</strong> Selbstkonzept-Modus und <strong>des</strong> Körperbilds für die Pflege sprechen. Für<br />

alle bilden sich die Vorstellungen vom Körper und vom eigenen Selbst beim Handeln in sozialen Beziehungen<br />

aus, und beide Objekte werden in diesen durch Andere bewertet. Weiter stimmen sie alle mehr oder weniger darin<br />

überein, dass sich im Rahmen <strong>des</strong> Sozialisationsprozesses in den AL gewisse Kompetenzen ausbilden. Zu<br />

Beginn <strong>des</strong> Lebens lernt das Kind, seinen Körper und <strong>des</strong>sen Funktionen zu beherrschen. Um den Körper und<br />

<strong>des</strong>sen Funktionen aufrechterhalten zu können, beide im weitesten Sinn pflegen zu können, bildet das heranwachsende<br />

Kind/der Mensch eine Reihe von Images und Objekten aus. Hierbei kommt ihm die spezifische Ausstattung<br />

<strong>des</strong> menschlichen Körpers zugute. Insbesondere die dem Menschen innewohnende Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme<br />

ermöglichen dem Kind in den verschiedensten Pflegesituationen über die Beziehung zu<br />

Anderen, gegenüber den Objekten pflegerischen Handelns und vermittels ihrer Handhabung durch Andere unterschiedlichste<br />

Haltungen bzw. Perspektiven zu entwickeln. Der Erwerb dieser Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme<br />

erstreckt sich – wie die Ausführungen gezeigt haben – über einen längeren Zeitraum.<br />

In Kap. 3 (Pkt. 3.2.2.2) wurde auf die Bedeutung der Handlungsformen <strong>des</strong> Spiels und <strong>des</strong> organisierten Spiels<br />

hingewiesen. Beide Phasen und die damit korrespondierenden Entwicklungen <strong>des</strong> Menschen sind für die Herausbildung<br />

ästhetischer Objekts fundamental sowie für die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven und am Selbst.<br />

Die in dieser Phase zu beobachtende Fähigkeit <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> <strong>zur</strong> Imitation, die auf der Fähigkeit <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme<br />

beruht, ermöglicht ihm, das von den Eltern erfahrene pflegerische Handeln im Rahmen einer aktiven<br />

Aneignung der damit verbundenen Handlungsweisen und –fähigkeiten in Bezug auf sich selbst und auf andere<br />

zunächst spielerisch zu erproben, diese dabei emotional zu erfahren und nach und nach in das eigene Handlungsrepertoire<br />

aufzunehmen (Puppenspiel, Übernahme der Mutterrolle, der Rolle der Krankenschwester, <strong>des</strong> Arztes<br />

etc., später Lernen von Rollenmodellen u.a.). In dieser Phase werden die Fähigkeiten <strong>zur</strong> Perspektivenübernahme120<br />

und zum intelligenten Mitfühlen121 ausdifferenziert. In der Phase <strong>des</strong> Spiels und <strong>des</strong> organisierten Spiels,<br />

120 Nach Martin/Sokol/Elfers (2008: 294) „bewegen sich die Entwicklungsprozesse in denen Perspektiven eingesetzt, differenziert<br />

und koordiniert werden von 1) einer präreflektierenden (spiegelnden) Interaktivität (d.h. Positionierung innerhalb<br />

von gewohnheitsmäßigen, wiederholenden interaktiven Sequenzen während <strong>des</strong> Säuglingsalters und der frühen Kindheit) zu<br />

2) einer reflektierenden Intersubjektivität (d.h. simultane Berücksichtigung von sowie Gebrauch multipler Perspektiven innerhalb<br />

intersubjektiven Transaktionen der späten Kindheit und frühen Adoleszenz, Prozesse, die durch den zunehmend differenzierteren<br />

Sprachgebrauch beschleunigt und erweitert werden) und schließlich zu einer metareflektierenden Sozialität<br />

(d.h. das abstrahierte und allgemeine soziale Engagement liegt quer über personalen, interpersonalen und soziokulturellen<br />

Perspektiven, wie es bei Aushandlungen und dem Lösen von Problemen bei reifen Erwachsenen nachgewiesen werden<br />

kann“.<br />

121 Jutta Kienbaum grenzt Mitgefühl (sympathy) von Empathie ab. In Anlehnung an Eisenberg et al. (1989: 42, zitiert in<br />

Kienbaum/Schuhrke 2010: 214) definiert sie ersteres „als affektive Reaktion, die von der Wahrnehmung <strong>des</strong> emotionalen<br />

Zustan<strong>des</strong> eines andren stammt und durch die am anderen orientierten Gefühle von Betroffenheit und Bedauern charakterisiert<br />

ist“. Sie begreift Mitgefühl als motivationale Basis für prosoziale Verhaltensweisen im Sinne von Trösten. Sie zeichnet<br />

die Entwicklung von Mitgefühl und Trösten nach, wovon hier nur die erste erwähnt wird. Was das Mitfühlen betrifft, ist die<br />

so genannte Gefühlansteckung (im ersten Lebensjahr beobachtbar) eine Vorform. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass der<br />

emotionale Zustand eines Anderen von einem selbst Besitz ergreift. Erste tröstende Reaktionen sind bei Kindern nach dem 1.<br />

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