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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

die Phase der Manipulation sowie auf die von Mead beschriebenen Handlungsformen, das unmittelbare oder gewohnheitsmäßige<br />

Handeln, das Versuch- und Irrtums-Handeln und das reflexive Handeln. Der Schwerpunkt<br />

wird dabei auf die zuerst und auf die zuletzt genannte Form <strong>des</strong> Handelns gelegt. Die Phase der Manipulation ist<br />

der Ort, wo die Realität/Wirklichkeit <strong>des</strong> Handelns im Hier-und-Jetzt, d.h. im unmittelbaren Handeln erfahren<br />

wird, während das reflexive Handeln und die Fähigkeit <strong>zur</strong> Symbolisation dem Menschen ermöglichen, aus dem<br />

unmittelbaren Hier-und-Jetzt herauszutreten und sich in einer erweiterten Umwelt zu bewegen (s. Martin/ Gillespie<br />

2010: 256). Nach dem bisher Gesagten kann unterstellt werden, dass die Arbeit an den für die Pflege bedeutsamen<br />

drei Verlaufskurven beim unmittelbaren Handeln einfach fortgesetzt wird. Hierbei ist der Sinn <strong>des</strong><br />

Handelns implizit (s. Bredo 2010: 324). Wenn es hingegen zu einer Handlungsunterbrechung kommt, werden<br />

dem Einzelnen bzw. den an der Pflege beteiligten Menschen <strong>zur</strong> deren Überwindung gewisse Anstrengungen<br />

abverlangt. Beim reflexiven Handeln müssen die involvierten Personen ihr Handeln kommunikativ aufeinander<br />

abstimmen und es koordinieren. Dies kann je nach der Art der Pflegebeziehung – Selbst-Andere-Beziehung,<br />

Selbst-Selbst-Beziehung und Selbst-Objekt-Beziehung -, unterschiedliche Formen annehmen. Im Fall der auf<br />

sich selbst bezogenen Pflege können die weiteren Schritte mittels Reflexion im Selbstgespräch (laut oder leise)<br />

bzw. durch Denken erarbeitet werden. Durch das Bewohnen/Erleben der oben erwähnten erweiterten Umwelt,<br />

„in der andere Perspektiven, andere Situationen und andere Zeiten die Gegenwart durchdringen, können<br />

Menschen nach Mead ihre Handlungsfähigkeit entdecken. Nur innerhalb dieser erweiterten Umwelt werden<br />

selbstbestimmte Wahlen/Entscheidungen möglich“ (Martin/Gillespie 2010: 256).<br />

Was nun die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven und am Selbst betrifft, verweist die Verlaufskurvenprojektion<br />

auf das Distanzobjekt (s. Punkt 8.3.1), das in gewisser Weise die Funktion <strong>des</strong> ästhetischen Objekts116 wahrnimmt.<br />

Bezogen auf die zentralen Objekte pflegerischen Handelns, d.h. den eigenen Körper und das eigene<br />

Selbst bzw. den Körper/die Körper <strong>des</strong> bzw. der Anderen und sein Selbst bzw. ihre Selbste, können diese beiden<br />

Objekte als ästhetische Objekte höchst unterschiedliche Formen annehmen. Sie unterscheiden sich von einem<br />

Kunstwerk oder einem technischen Produkt dadurch, dass es sich hier um soziale, lebendige und höchst dynamische<br />

Objekte handelt, die auf mannigfache Art und Weise miteinander verwoben sind. So unterscheidet sich<br />

der Körper von anderen Objekten dadurch, dass er mit einem Selbst verbunden ist, dass sich wiederum durch eine<br />

Vielzahl von soziale Rollen und Identitäten auszeichnet. Beim Körper und beim Selbst handelt es sich um besondere<br />

Objekte. Der Körper ist einmal Mittel, um den eigenen oder andere Körper pflegen zu können. Zugleich<br />

ist er auch das Objekt der Pflege. Ausgehend von der dialogischen und prozessualen Struktur <strong>des</strong> Selbst taucht<br />

das Selbst beim pflegerischen Handeln sowohl als Subjekt, d.h. als Handelnder, wie auch als Objekt in Gestalt<br />

der diversen ‚Me‘ und der Vorstellungen vom eigenen Körpers auf. Diese Merkmale von Körper und Selbst<br />

bringen es mit sich, dass die Erscheinungsformen der ästhetischen Objekte in der Pflege in vielerlei Hinsicht variieren<br />

können. Dabei können je danach, mit welchen Rollen/Identitäten das ästhetische Objekt Körper bzw.<br />

Selbst <strong>des</strong> zu pflegenden Menschen verknüpft wird, unterschiedliche Akzente in der Pflege hervorgehoben oder<br />

in den Hintergrund gerückt werden. Hieraus ergibt sich, dass die Reduzierung <strong>des</strong> pflegerischen Handelns auf<br />

einzelne Tätigkeiten in den AL den Erfordernissen <strong>des</strong> ästhetischen Objekts der Pflege nicht gerecht werden<br />

kann.<br />

Was nun das pflegerische Handeln in Bezug auf diese miteinander verwobenen Objekte betrifft, wird in der ästhetischen<br />

Vorstellung nicht nur das Handlungsergebnis in den Blick genommen, sondern es werden auch die<br />

mit dem Ergebnis verbundenen antizipierten Werte wie Wohlbefinden, Freude, Zufriedenheit oder Stolz erfasst.<br />

Die der ästhetischen Erfahrung innewohnende Macht besteht nach Mead darin, dass der antizipierte Wert sich<br />

116 Das ästhetische Objekt kann unterschiedliche Grade von Konkretheit und Abstraktheit aufweisen. Als Konzept repräsentieren<br />

die damit verbundenen Haltungen den ganzen Prozess, auf den sich die Vorstellung bezieht. Und weiter heißt es: „Das<br />

Konzept ist also das Gefühl all unserer Reaktionen gegenüber einem Objekt, eine Bereitschaft zu reagieren. Und wenn es in<br />

unser reflexives Bewusstsein übergeht, steht es als Bild für all diese Tätigkeiten. Wir können somit das Objekt schrittweise in<br />

seine Teile zergliedern und definieren, Der Prozess ist demnach die soziale Situation, in der etwas gegenüber jemandem ausgedrückt<br />

wird. Der Inhalt besteht im emotionellen Wert der Handlungen an sich“ (PE: 136).<br />

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