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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

resse, was zu einer ‚echten affektiven‘ Reaktion führen kann, als <strong>des</strong>sen Folge das Objekt im Gedächtnis <strong>des</strong><br />

Kin<strong>des</strong> haften bleibt. Beim ästhetischen Objekt handelt es sich nicht um eine Kopie, sondern um die<br />

„Konstruktion <strong>des</strong> physischen Objekts als aus ausgewogenem Sinninhalt zusammengefügtes Ganzes, […]<br />

eine Leistung, die erst erbracht werden kann, nachdem sich Tendenzen entwickelt haben, denen jeder Bestandteil<br />

<strong>des</strong> Objekts entspricht“ (PE: 85).<br />

Für Mead (PE: 85) beinhaltet das ästhetische Objekt einerseits einen Akt der ‚ästhetischen Schöpfung‘ und zum<br />

anderen stellt es eine Bewertung dar, eine Reaktion, die der Situation Bedeutung verleiht. Im obigen Beispiel<br />

erhält die Schönheitsvorstellung einen bestimmten Wert. Je<strong>des</strong> Kind zeigt schon früh die Tendenz, ästhetische<br />

Objekte zu konstruieren. Diese drücken sich in seinen Bemühungen aus, Gegenstände zu zeichnen, in seinem<br />

Spiel, in der Lust am Verkleiden, Tanzen oder in der Begeisterung für Geschichten und für das Erzählen von Geschichten.<br />

Hierbei versucht es, all das wiederzugeben, was das geistige Auge sieht. Nach Mead (PE: 87) besteht<br />

eine direkte Beziehung zwischen der Konstruktion <strong>des</strong> ästhetischen Objekts in der Phantasie und der Tendenz<br />

zum künstlerischen Ausdruck. Für ihn ist die ästhetische Erfahrung eine Erfahrung <strong>des</strong> Ausdrucks. Die von ihm<br />

behauptete Beziehung zwischen ästhetischem Objekt und künstlerischem Ausdruck, sieht er im Ausdruckshandeln<br />

begründet. Zeichnen, Tanzen, Spielen hilft, Einzelheiten <strong>des</strong> Objekts zu Geltung zu bringen, indem wir den<br />

vorhandenen Images oder Schemata etwas hinzufügen, sie ergänzen, vervollständigen oder Aspekte verstärken.<br />

Es handelt sich um einen konstruktiven Prozess.<br />

Zur Verdeutlichung dieses für die Pflege zentralen Sachverhalts sollen die Wirkungsweisen der drei Wahrnehmungsformen<br />

im Handlungsprozess dargestellt werden, die Mead (PE: 101f) am Beispiel der Furcht folgendermaßen<br />

illustriert.<br />

1. „Eine Person, die es in eine neue Umgebung verschlägt, schützt sich instinktiv vor dem Neuen. In jeder<br />

Situation, in der einem alles unvertraut ist, nimmt man diese emotionelle Haltung ein, z.B. gegenüber<br />

Fremden oder in einem dunklen Zimmer. […].<br />

2. Nun schreitet man von einer emotionellen Haltung zum nächsten Schritt der Entwicklung voran, der in<br />

der Konstruktion eines Objekts besteht. Die Aufmerksamkeit wendet sich dem Objekt zu, um herauszufinden,<br />

um was es sich genau handelt. Diese Konstruktion <strong>des</strong> Objekts entspricht dem, was wir das ästhetische<br />

Stadium nannten.<br />

3. Sodann folgt das Intellektuelle, das Zergliedern, das Analysieren. Diese intellektuell abwägende Analyse<br />

erfolgt nicht um ihrer selbst Willen, sondern um in Bezug auf das Objekt zu handeln […] 115 .<br />

Diese Reihenfolge zeichnet das reflexive Bewusstsein aus, bei dem immer das emotionale Element vorhanden<br />

ist, welches das Objekt bewertet (z.B. als etwas schönes, gefährliches, hässliches, genussvolles, schmerzhaftes<br />

etc.). Bezogen auf die beiden Formen <strong>des</strong> Pflegehandelns geht die Konstruktion <strong>des</strong> ästhetischen Objekts, d.h.<br />

die Pflege <strong>des</strong> eigenen Körpers und Selbst als Sinnganzes, dem reflexiven Bewusstsein voraus. Wie über diese<br />

Objekte gedacht wird, welche Werte ihnen beigemessen und wie sie analysiert werden, hängt von den sozialen<br />

Beziehungen und von den sozialen Welten/Arenen ab, an denen der zu pflegende Mensch teilhat. Was für den<br />

einzelnen Menschen Pflege ist, mit welchen Begriffen, Vorstellungen und Konzepten er sie in Beziehung setzt,<br />

ist Ergebnis der Eltern-Kind Situation. Sie geht dem Denken über die Pflege und über pflegerische Objekte voraus.<br />

Das Denken über Pflege entsteht aus dem Bewusstsein der sozialen Beziehung, also dem Prozess der<br />

Trennung. Dies wird in der Sprache angezeigt (indiziert), wie anhand der bisherigen Darstellung deutlich gemacht<br />

werden konnte. Die Sprache entsteht wiederum aus dem emotionalen Schrei <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>, der eine Geste<br />

für seine Eltern ist und als solche den Anfang einer Handlung bildet, die auf den Rest der Handlung verweist, auf<br />

die die Eltern reagieren (PE: 103). Über die Sprache teilen wir Ideen mit. Das Bewusstseins von Bedeutung wird<br />

mit dem Prozess <strong>des</strong> Mitteilens einer Idee identifiziert, und die Geste in ihrem weitesten Sinn ist bedeutungsvoll,<br />

weil sie eine Idee mitteilt (PE: 104).<br />

115 Pflegerisches Beispiel: Schlappheitsgefühl nach Phase intensiver Arbeit. 1. Vorstellung, sich aus<strong>zur</strong>uhen oder neue<br />

Energie zu tanken durch Sport/Bewegung. 2. Wahrnehmung der Situation. 3 Überlegen, wie man handeln sollte, falls dieses<br />

möglich ist.<br />

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