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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

Die analytische Haltung entsteht, wenn die Frage gestellt wird, wem der Bleistift gehört. In diesem Fall wird<br />

mehr Sinninhalt als im ersteren berücksichtigt:<br />

„(…) wir analysieren den Reiz genauer und konstruieren ihn genügend, um die erwünschte Reaktion auszulösen<br />

– gehört der Bleistift jemand anders, übergeben wir ihn dieser Person, gehört er uns selbst, stecken wir<br />

ihn ein“. Diese Haltung bezeichnen wir als „analytisch“ (PE: 71)’<br />

In pflegerischen Situationen würde die analytische Haltung je nach Objekt, z.B. der Erhaltung einer bestimmten<br />

körperlichen Funktion, einer Fähigkeit in Zusammenhang mit einer sozialen Rolle oder nach dem Erscheinungsbild<br />

<strong>des</strong> Körpers, entsprechende Fragen auslösen, um zu einem Verständnis der Situation zu gelangen, so dass<br />

der Handlungsfluss wieder hergestellt werden kann. Zwischen diesen beiden Wahrnehmungsformen lokalisiert<br />

Mead eine dritte Form, die ästhetische Form. Diese entspricht der ästhetischen Phase <strong>des</strong> Bewusstseins 113 . Das<br />

ästhetische Objekt, das in der Vorstellung ein Sinnganzes repräsentiert, ist immer eine Phase der Wahrnehmung,<br />

die nach Mead jederzeit durch Null ersetzt werden kann. Diese Phase ist<br />

„ein Teil je<strong>des</strong> Bewusstseins, und es ist immer möglich, uns das Ganze zu präsentieren, von dem eine bestimmte<br />

Wahrnehmung nur einen Teil darstellt. […] Dies entspricht dem, was wir Intuition nennen können,<br />

wobei das Objekt als Ganzes wahrgenommen und als Ganzes festgehalten wird, nicht aber als Reiz für eine<br />

Reaktion“ (PE: 73; Hervorhebung MMK).<br />

In allen drei Wahrnehmungsformen kommt die selektive Aufmerksamkeit zum Tragen. Sie ist laut Mead (PE:<br />

73) am stärksten im Bereich der künstlerischen Arbeit ausgeprägt. Wir konstruieren das ästhetische Objekt, indem<br />

wir es würdigen. Die Haltung <strong>des</strong> Menschen gegenüber diesem Objekt ist die der Würdigung oder anders<br />

ausgedrückt die Anerkennung, die sich von der handlungsbezogenen und der analytischen Haltung dadurch unterscheidet,<br />

dass sie uns nicht zum Handeln auffordert, sondern zum Innehalten. Für Mead<br />

„[besteht] eine Funktion <strong>des</strong> ästhetischen Zustands also darin, das Objekt als Ganzes zu präsentieren und<br />

ihm gleichzeitig einen Wert beizumessen.“<br />

Er charakterisiert in diesem Zusammenhang (PE: 75) die menschliche Fähigkeit, kontinuierlich auf entfernte Ergebnisse<br />

hinzuarbeiten, als eine wichtige menschliche Errungenschaft. Die Voraussetzung für diese Leistung ist<br />

die Konstruktion <strong>des</strong> ästhetischen Objekts114 .<br />

Der Mensch lernt im Rahmen seiner Sozialisation, sich gegenüber den ihn umgebenden Objekten seiner Umwelt<br />

zu verhalten. Hierbei dient die selektive Aufmerksamkeit im Sinne einer Handlungsbereitschaft in hohem Maße<br />

dazu, das auszuwählen, was dieser Tendenz bzw. Handlungsbereitschaft entspricht. Sie bestimmt die Auswahl<br />

von Vorstellungen, auf die wir reagieren. Handlungsbezogene Vorstellungen, d.h. working images, besitzen gerade<br />

nur so viel Sinninhalt wie nötig ist, um das Handeln in Gang zu setzen. Wenn unsere Aufmerksamkeit sich<br />

dem sogenannten Arbeitsimage als Reiz zuwendet, dann ist das Bewusstsein nicht mit einem vollständigen Objekt<br />

konfrontiert, sondern es kommt hier zu einer Reduktion einer Masse von Sinninhalten. Ein Hinweis genügt,<br />

um das entsprechende Handeln auszulösen (s. PE: 84). Bevor das Kind in der Lage ist, ein ästhetisches Objekt -<br />

ein Sinnganzes zu konstruieren, wie bspw. die eigene Schönheitsvorstellung in der Auswahl der Kleidung auszudrücken,<br />

muss es im Zuge der Gewohnheiten-Bildung im Rahmen von Erfahrungen viele unterschiedliche<br />

Haltungen/Perspektiven gegenüber den verschiedenen Merkmalen oder Einzelteilen von Objekten <strong>des</strong> pflegerischen<br />

Handelns in Bezug auf die einzelnen AL ausbilden und habitualisieren. Im Gegensatz zum handlungsbezogenen<br />

Image bzw. Arbeitsimage, geht es beim ästhetischen Image um die Konstruktion von Sinninhalten, d.h.<br />

um ein Vergrößern, Ausfüllen, Ergänzen und Vervollständigen <strong>des</strong> ästhetischen Objekts. Würdigt das Kind dieses<br />

Objekt bzw. erkennt es dieses an, dann erhält das Objekt für das Kind eine Bedeutung und erregt sein Inte-<br />

113 Bei ihr ist der Sinninhalt so beschaffen, dass ihm eine bestimmte – in der Regel angenehme – Gemütshaltung entspricht,<br />

aus der heraus unsere Wertschätzung schöner Dinge, unsere ästhetische Einstellung gegenüber Kunstwerken, entsteht“ (PE:<br />

73).<br />

114 Bei allen raschen Bewegungen fällt es schwer, das Sinnobjekt zu identifizieren. Auch wenn wir Bewegung stets mit<br />

Reaktionen und mit Reizen in Verbindung bringen, so können wir doch nicht immer das für die Reize verantwortliche Objekt<br />

ausmachen. Das Objekt enthält in<strong>des</strong> immer mehr als das, wovon wir Gebrauch machen.<br />

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