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zur theorie des pflegehandelns - E-LIB - Universität Bremen

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Kapitel 8<br />

gen zu den uns umgebenden Menschen abhängige Fähigkeit der Perspektivenübername ausbilden kann, bedarf<br />

es vieler Erfahrungen in der Form der schon erwähnten Gewohnheiten-Bildung111 . Hierbei werden vom Kind<br />

jene Haltungen der Anderen gegenüber seinem Körper ebenso wie ihre Haltungen zu seinem Selbst verinnerlicht,<br />

die in die Körperbilder <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> und in sein Selbstkonzept in Form von diversen ‚Me‘ einfließen und der<br />

Handlungsorientierung dienen. Vermittels dieses Prozesses kann das Kind/der Mensch in diesen drei Stadien<br />

schrittweise Haltungen in Bezug auf die es umgebenden sozialen und physischen Objekte ausbilden, diese internalisieren<br />

und schließlich habitualisieren. Dabei werden die Objekte zu vertrauten Objekten. In diesem Zusammenhang<br />

ist wichtig, dass erfolgreiches Handeln laut Mead (PE: 57)<br />

„tendenziell von einer Haltung <strong>des</strong> Glaubens, der Akzeptanz, d.h. von einem kognitiven Element begleitet<br />

ist. Wir können sagen, dass jede Reaktion in gewissem Sinne ein Experiment ist. […] Das Entscheidende<br />

dabei ist, dass es eine bestimmte Haltung (tendenziell die <strong>des</strong> Vertrauens) gibt, die das Zu-Ende-Führen der<br />

Handlung involviert“.<br />

Und weiter heißt es:<br />

„Außerdem neigen wir dazu, an die Realität <strong>des</strong> Objekts zu glauben. […] Die erfolgreiche Ausführung ist<br />

es, die den Glauben bewirkt. […] So stellen wir uns selber Aufgaben, und wenn wir sie erfolgreich bewältigen,<br />

glauben wir an den Erfolg <strong>des</strong> Ganzen. […] Was Realität stiftet, ist die Tatsache, dass es uns gelingt,<br />

eine bestimmte Sache zu tun, d.h. wir stellen uns eine Aufgabe [...]“ (PE:57,58).<br />

Die zunächst auf der emotionalen Ebene erfolgende Gewohnheiten-Bildung schafft die Voraussetzung für die<br />

Differenzierung der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit und in der Folge für den Erwerb von zunehmenden<br />

Kompetenzen, sei es in Bezug auf die allgemeine Handlungsfähigkeit oder in Bezug auf Kompetenzen in den<br />

beiden Pflegeformen. Hierbei führt die Unterbrechung einer Handlung dazu, dass bestehende Gewohnheiten<br />

durchkreuzt werden, was mit der Entstehung von Bewusstsein einhergeht112 .<br />

Wie angedeutet, verweisen die drei Stadien <strong>des</strong> Handlungsverlaufs auf Bewusstseins- und damit korrespondierende<br />

Wahrnehmungsformen. Das emotionale Stadium geht mit der unmittelbaren Wahrnehmung einher. Das<br />

Kind/der Mensch erkennt aufgrund der selektiven Wahrnehmung nur jene Merkmale im Sinninhalt eines Objekts,<br />

bzw. nur soviel, wie nötig ist, um angemessen reagieren bzw. weiter handeln zu können (s. PE: 72f). Dies<br />

trifft auf alle Objekte zu, auf Menschen ebenso wie auf die uns umgebenden physischen Objekte. Diese gegenüber<br />

dem Objekt eingenommene Haltung/Perspektive ist handlungsbezogen. Von dieser unterscheidet sich eine<br />

andere Wahrnehmungsform, in der die eingenommene Haltung/Perspektive analytisch ist. In diesem Fall besteht<br />

die Wahrnehmung in einem umfassenderen Sinninhalt, d.h. in einem Objekt <strong>des</strong>sen Sinninhalt zergliedert und<br />

analysiert werden kann bzw. bei der das Objekt in eine Reihe von Charakteristika aufgegliedert wird. Zur Erläuterung<br />

<strong>des</strong> Unterschieds zwischen diesen beiden Wahrnehmungsformen wählt Mead einen Bleistift. Dieser kann<br />

z.B.<br />

„nur so viel an Reiz, nur so viel an Sinninhalt aufweisen, dass er die Reaktion <strong>des</strong> Ihn-<strong>zur</strong>-Hand-Nehmens<br />

etc. auslöst. In diesem Falle ist das Bewusstsein der Bedeutung aufgrund der natürlichen Ökonomie auf eine<br />

bloße handlungsbezogene Vorstellung (working image) reduziert, wobei nur soviel Sinninhalt vorhanden<br />

ist, wie es braucht, um die Reaktion auszulösen (PE: 71).<br />

gesehen kann das gesamte Verhaltens- und Handlungsrepertoire <strong>des</strong> Menschen auch als Output oder Ergebnis <strong>des</strong> Selbstkonzept-Modus<br />

verstanden werden. Nach Roy (1981: 252) hängt die Präsentation <strong>des</strong> Selbst vom Input <strong>des</strong> Selbstkonzepts ab.<br />

111 Mit Blick auf das Entwicklung <strong>des</strong> ‚Selbstgefühls‘ spricht Engdahl (2005: 126) von ‚the style of our flesh‘ (Körperstil),<br />

den wir über die funktionalen Identität mit der Außenwelt und Anderen erwerben. Dieser Stil bildet laut Engdahl die Basis<br />

der emotionalen Erfahrungen. Für sie konstituieren sich Selbstgefühle über körperliche Haltungen, die in den Beziehungen zu<br />

Anderen und zu Dingen im Rahmen der Gewohnheiten-Bildung angeeignet werden und die uns beim Zusammenbruch einer<br />

Handlung erst bewusst werden. Hier ist zugleich auch der Punkt, wo das Sprechen über Emotionen oder das sogenannte<br />

Emotionsmanagement mit Hilfe signifikanter Anderer seinen Ausgangspunkt hat.<br />

112 Die Notwendigkeit, dass der Mensch sich ständig an eine sich verändernde Umgebung anpassen muss, fördert die<br />

Neigung <strong>des</strong> Menschen zum reflexiven Denken. Er wird aufgrund der großen Mannigfaltigkeit von Objekten dazu<br />

gezwungen, sich zu entscheiden, auf welche Objekte er reagieren und wie er Gewohnheiten ändern will (s. PE: 70).<br />

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